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Soziale Interaktion auf Rezept

Ob gemeinsames Spazieren in der freien Natur in Zukunft auf Rezept verschrieben werden kann, möchte man mit dem Projekt RECETAS herausfinden.

Soziale Interaktion auf Rezept

Ob gemeinsames Spazieren in der freien Natur in Zukunft auf Rezept verschrieben werden kann, möchte man mit dem Projekt RECETAS herausfinden.

Nicht erst seit der Pandemie, aber auch dadurch verstärkt, leidet eine breite Masse der Gesellschaft an Einsamkeit und das trotz der heute unzähligen Möglichkeiten sich zu vernetzen. Das Forschungsprojekt RECETAS untersucht deshalb die Auswirkung von gemeinsamer Aktivität auf die Einsamkeit und das Wohlbefinden.

Was wäre, wenn man statt eines Rezepts für Medikamente, eine Überweisung für gemeinsames Sporteln oder einen Spaziergang vom Hausarzt verschrieben bekommen würde? Genau das, hält Ursula Rochau, Dozentin von der UMIT Tirol, in Zukunft durchaus für realistisch. Sie und ihr Team sind einer von insgesamt 13 Partnern, die mit dem Projekt RECETAS bis 2026 herausfinden wollen, ob gemeinsame Unternehmungen in der Natur, die Einsamkeit reduzieren können und die Lebenszufriedenheit dadurch gesteigert werden kann.

Das Projekt Recetas

Unter dem Fachbegriff social prescribing beschäftigt sich die Forschung in England schon länger mit der Verschreibung von gemeinschaftlichen Aktivitäten. „Zu Deutsch könnte man den Terminus mit sozialer Verschreibung übersetzen. Grob ausgedrückt, es geht um soziale Vernetzung auf Rezept“, erklärt Ursula Rochau im Gespräch. Das Projekt wurde im März 2021 mit einer Projektleitung aus Barcelona gestartet und konzentriert sich auf die soziale Interaktion in Städten. Die Ergebnisse sollen später auch auf andere Regionen übertragen werden. Derzeit laufen die Vorbereitungen für die spätere Durchführung der Studie.

Die UMIT Tirol leitet ein Arbeitspaket mit einer Förderung von knapp 800.000 Euro und beschäftigt sich momentan mit systematischen Evidenzrecherchen und der Planung der Analysen. „In unseren Recherchen zur Vorbereitung des Projekts konnte festgestellt werden, dass die Einsamkeit in Städten in manchen Bevölkerungsgruppen vergleichsweise hoch ist“, merkt Rochau an. Die Idee für das Projekt ist bereits vor der Covidpandemie entstanden. „Die erforderlichen Maßnahmen ließen den Faktor Einsamkeit aber weiter ansteigen“, veranschaulicht Rochau die theoretische Ausgangslage.

Forschungsziele

Die teilnehmenden Personen der Studie sollen in Städten lebende Menschen sein, die unter Einsamkeit leiden und ein Bedürfnis nach gemeinsamer Aktivität in der Natur verspüren. Ziel des Projekts ist es, diese Menschen untereinander zu vernetzen und somit den Aufbau eines sozialen Umfelds zu erzielen. Mittels Fragebögen sollen die Veränderungen erfasst werden. In der Studie werden die Teilnehmenden regelmäßig verschiedene gemeinschaftliche Aktivitäten im Freien ausüben. Von sportlicher Betätigung bis hin zur Gartenarbeit soll eine Vielzahl von möglichen Interessen abgedeckt werden.

UMIT TIROL an der Auswertung beteiligt

Die Studien werden in den Städten Barcelona, Cuenca, Helsinki, Marseille, Melbourne und Prag durchgeführt. Tirol ist kein Studienstandort, sondern wirkt als Kompetenzzentrum für Health Data & Desicion Science unter der Leitung von Uwe Siebert, Institutsvorstand und Universitätsprofessor an der UMIT Tirol, bei der Planung und Durchführung der Analysen der Ergebnisse mit. „Wir sind sowohl an den Vorbereitungen als auch an der direkten Auswertung beteiligt. Mit einer Kausalanalyse versuchen wir im Zeithorizont der Studie herauszufinden, wie effektiv social prescribing sein kann“, erzählt Rochau. Zusätzlich wird mithilfe eines entscheidungsanalytischen Modells der Langzeitnutzen, der durch verschriebene soziale Vernetzung entstehen kann, evaluiert werden.

„Eine weitere Komponente unseres Beitrags wird eine gesundheitsökonomische Evaluation sein.“ Besonders spannend an der Verteilung der Städte sind die verschiedenen kulturellen Einflüsse der jeweiligen Standorte. In der Theorie geht man davon aus, wer einmal gelernt hat, sich ein Netzwerk aufzubauen, dem fällt es später leichter, auf dieser Basis sein soziales Umfeld zu erweitern. Wenn die tatsächlichen Ergebnisse der Studie ebenso positiv ausfallen, plädiert Rochau darauf, die Forschungen auszubauen und auch Pilotprojekte in Tirol zu starten.

Zukunftsaussichten

Ursula Rochau ist zuversichtlich, die Relevanz von social prescribing auch im deutschsprachigen Raum etablieren zu können: „Das Projekt hat sehr viel Potenzial, dazu beizutragen, den Gesundheitssektor zu reformieren. Wenn man es im Anschluss schafft, die Ergebnisse zu übertragen, kann ein großer Beitrag zur Lebensqualität geleistet werden.“ Auf die Frage, ob Hausärzte in Zukunft soziale Interaktion per Rezept ausstellen könnten, antwortet Rochau: „Momentan sind wir noch am Anfang, aber wenn die erwarteten positiven Ergebnisse eintreffen, versuchen wir das Konzept später in die Praxis zu übertragen.“ Rochau hofft auf überzeugende Erkenntnisse, die sie im Anschluss ins österreichische Gesundheitssystem einbringen kann. „Im weiteren Verlauf wäre es vorstellbar, Zentren zu schaffen, die mittels Überweisung durch Hausärztinnen und Hausärzte gemeinsame Aktivitäten anbieten“, ist sie sich sicher.

Zur Person:

Ursula Rochau studierte Medizin an der Universität Ulm und arbeitete in ihrem letzten Studienjahr im Zuge eines Auslandsstipendiums auch an verschiedenen Kliniken und medizinischen Einrichtungen in den USA und Deutschland. Nach ihrer Promotion schloss sie an der Universität UMIT Tirol 2012 den Studiengang Gesundheitswissenschaften mit dem Magistratitel ab. Rochau habilitierte sich 2020 an der UMIT Tirol im Fach Public Health und Epidemiologie. Sie lehrt als Associate Professor an der Tiroler Privatuniversität und wurde für ihre Forschungsarbeiten und Lehre in den vergangenen Jahren mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.

13. Dezember 2021 | AutorIn: Julia Narr | Foto: Shutterstock

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