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Auf dem Holzweg der Zukunft

„Was den Holzbau am meisten bremst, ist die Macht der Gewohnheit.“ Michael Flach

Auf dem Holzweg der Zukunft

„Was den Holzbau am meisten bremst, ist die Macht der Gewohnheit.“ Michael Flach

Holzbauexperte Michael Flach im Interview über die Vorteile des Baustoffs, sein Potenzial für Bauprojekte im urbanen Raum und die Voraussetzungen für erfolgreichen Holzbau.

Ganz generell – welche Vorteile bietet Holz als Baustoff?

Riesige! Es ist der einzige Baustoff, der nachwächst und lokal fast überall verfügbar ist. Holz ist als CO2-Speicher außerdem ein wichtiger Klimaschutzfaktor, und es hat das mitunter beste Verhältnis von Festigkeit zu Eigengewicht. Holz ist auf Druck so fest wie Beton, wiegt aber fünfmal weniger. Das ist ein ganz wichtiges Kriterium, wenn wir in Städten bauen: Dann müssen wir fünfmal weniger Gewicht anliefern, haben wesentlich billigere Transporte – und es gibt Großstädte, die schwere Lastwagen gar nicht mehr in die Stadt fahren lassen, weil es der Stadtverkehr nicht mehr zulässt. London war eine der ersten Städte, die das begrenzt haben, und dann hat man 2008 angefangen, Hochhäuser aus Holz zu bauen, obwohl es ein bisschen teurer war. Aber das wurde locker mit der kürzeren Bauzeit kompensiert.

Warum geht Holzbau schneller?

Es wird alles im Werk vorgefertigt. Mithilfe von digitaler Technik bekommt man extrem präzise Bauteile, da es praktisch keine Fehlerquellen gibt. Das heißt wir können sehr genau, sehr schnell und vor allem im Trockenen vorfertigen. Dadurch vermeidet man die Feuchtigkeit im Bau und muss nicht warten, bis er austrocknet. Deshalb ist Holz genial, um schnell und präzise zu bauen.  

Wie viel teurer ist ein Holzbau im Vergleich zu Beton & Co.?

Solange wir ausschließlich auf die Primärkosten schauen, erscheint der Holzbau auf den ersten Blick geringfügig teurer zu sein. Faktoren wie kurze Bauzeiten, Erhaltung, Entsorgung und die Nebenwirkungen aufs Klima werden dabei aber ignoriert. Wenn ich anstatt Holz Beton oder Stahl verbaue, werden erhebliche Mengen CO2 in die Atmosphäre freigesetzt und verursachen großen Schaden, den man irgendwann bezahlen muss. Bei einer Gesamtbilanz, wo auch die Kosten der Auswirkungen auf den Klimawandel mitberücksichtigt werden, ist Holz im direkten Vergleich zu anderen Baustoffen immer günstiger.

Welche Nachteile hat Holz?

Holz ist ein lebendiger Baustoff und daher feuchteempfindlich. Wenn Feuchtigkeit, Wärme und Sauerstoff zusammenkommen, entstehen Pilze und Insekten, die das Holz zersetzen. Wir müssen daher Holz trocken bzw. mit Ausgleichsfeuchte einbauen und vor Wasser schützen. Holz verzeiht keine Fehler, deshalb brauchen wir Spezialisten, die wissen, wie man es bearbeitet, wie man es einbaut und wie man es schützt. Das gilt vor allem für Holzbrücken.

Wie sieht es mit der Brandgefahr aus?

Holz brennt, aber es brennt vorhersehbar. Man kann genau ausrechnen, wie viel Überdicke man für Holzquerschnitte einplanen muss, damit ein Haus auch einen Brand von zwei Stunden übersteht. Dank umfangreicher Forschung wissen wir, dass man heute absolut sichere Hochhäuser in Holz bauen kann, solange man gewisse Regeln und Kompensationsmaßnahmen einhält.

Welches Potenzial hat Holz für Städte?

Holz eignet sich besonders gut beim Nachverdichten und Aufstocken von bestehenden Gebäuden, weil es sehr leicht ist und man die vorhandenen Fundamente mit weniger zusätzlichem Gewicht belastet als mit Beton. Vorgefertigte Leichtbauteile lassen sich mit dem Kran relativ einfach montieren, wodurch man schnelle und saubere Baustellen in der Stadt durchführen kann. In den Stadtzentren bieten sich vor allem Hochhäuser aus Holz für Bürogebäude an.

Warum?

Mein Mitarbeiter und inzwischen Nachfolger an der Uni Innsbruck, Roland Maderebner, hatte die geniale Idee, die Gebäudetypologie von Betonhochhäusern mit punktgestützten Flachdecken auf den Holzbau zu übertragen. Durch das Weglassen der Balkenlage kann man sehr flach bauen, was bei Hochhäusern den Vorteil bietet, dass man mehr Geschoße aus einer vorgegebenen Höhe herausholen kann. So ist es möglich, Flachdecken-Stützenkonstruktion in Holz mit den gleichen Abmessungen wie mit Beton bei gleichen Lasten und gleichen Spannweiten zu realisieren. Gegenüber einer geometrisch gleichwertigen Betonkonstruktion sind wir aber fünfmal leichter und können alles vorfertigen. Das hat den großen Vorteil, dass man geringere Gründungskosten hat und dank Vorfertigung wesentlich schneller montieren kann als bisher, deshalb können wir in Zukunft mit Holz wesentlich schneller, günstiger und natürlich ökologischer bauen.

Welche Schwierigkeiten gibt es aktuell im (städtischen) Holzbau?

Was den Holzbau am meisten bremst, ist die Macht der Gewohnheit. Ich war vor Jahren bei Bürgermeister Willi, der gemeint hat, er würde liebend gerne viel mehr in Holz bauen lassen, aber seine MitarbeiterInnen bauen seit 20, 30 Jahren mit Beton und werden nicht von heute auf morgen auf Holz umsteigen. Ein Kulturwandel braucht viel Zeit, Ausbildung und Überzeugung. Davon abgesehen braucht es einen Strukturwandel in den Betrieben und Zimmereien, um sich auf das großvolumige Bauen umzustellen. Wichtig ist, dass wir anfangen, ganzheitlich und langfristig zu denken, um aus den alten Fahrwassern der bisherigen Baukultur herauszukommen. Wir brauchen junge Leute, die mit nachhaltigen und digitalen Technologien im Holzbau vertraut sind. Wenn ein Architekt sich mit Holzbau auskennt, wird er selbstverständlich Holzbauten initiieren. Aber da gibt es bei der Ausbildung noch viel zu tun, weil der Zugang zur Realität und zur Technologie oft fehlt.

Was braucht es konkret, um den Holzbau in Tirol voranzutreiben?

In erster Linie müssen wir weiterhin Architekt-Innen und IngenieurInnen an der Universität und den HTLs im Holzbau ausbilden. Aber auch die Holzwirtschaft muss mit der Nachfrage wachsen und entsprechende Kapazitäten mit zugehöriger Logistik aufbauen. Die Tiroler Zimmereien sind nach wie vor eher kleine, familiengeführte Unternehmen, die sich langfristig auf großvolumiges Bauen mit hohem Vorfertigungsgrad umstellen sollten.

In den letzten 20 Jahren, als ich Gelegenheit hatte, den Holzbaulehrstuhl an der Universität Innsbruck aufzubauen, ist einiges geschehen. Es wuchs eine neue Generation von praxisnahen HolzbauingenieurInnen heran, und auf wissenschaftlicher Ebene wurden neue Holz-Beton-Verbundtechniken, innovative Systemverbinder, hochwertige Schraubentechnologien mit einzigartigen Prüfverfahren und brandgeprüfte Fassadensysteme aus ökologischen Bau- und Dämmstoffen entwickelt. Es mangelte nicht an internationalen Auszeichnungen, was aber fehlte, war die politische Unterstützung für Leuchtturmprojekte, die für den Holzbau in Tirol wichtige Zeichen setzen.

Können Sie hier Beispiele nennen?

Ich konnte leider nicht mit einem Holzhochhaus, dem sogenannten „Haus des Holzes“, überzeugen. Es gelang mir auch nicht, PolitikerInnen für ein symbolisches Zeichen für Innsbruck mit einer weltrekordverdächtigen Holzbrücke über den Inn zu gewinnen. Auch der längst fällige Ausbau eines Radwegs von Innsbruck zum Brenner mit holzsymbolischen Bauwerken zu einem Kultur- und Erlebnisweg lässt auf sich warten. Solange weder das Land Tirol noch die Stadt Innsbruck markante Zeichen setzen, wird der Holzbau in Tirol nicht den Platz finden, der für die Zukunft so wichtig wäre. Ich habe mich damit beschieden, in Eigeninitiative einen alten Bauernhof in Trins in ein anspruchsvolles Multigenerationenhaus mit höchster Energieeffizienz umzubauen, aber selbst dieses fand bisher trotz geballter Innovationstechnik wenig öffentliche Beachtung.

Gibt es auch rechtlich gesehen Handlungsbedarf?

Ja, da gibt es auch noch einiges zu tun. Obwohl die Brandvorschriften schon holzfreundlicher geworden sind, hört man immer wieder, dass der Holzbau relativ planungsaufwendig ist, weil die Nachweise so kompliziert sind. Wenn Vorschriften praxisnäher wären, damit auch eine einfache Zimmerei damit zurechtkommt und keinen Wissenschaftler dafür einstellen muss, tun wir uns leichter. Vor allem haben wir ja die Informatik und Hilfsmittel, mit denen wir uns manche Sachen einfacher machen können. Und natürlich kann die Politik mehr dazu beitragen, damit die CO2-Steuer dort angewendet wird, wo wir gegen den Klimaschutz arbeiten um sie den ökologischen Baumethoden gutschreiben. Ich denke dabei konkret an Fassadenelemente aus ökologischen Dämmstoffen, um die Vollwärmeschutzfassade aus Polystyrol abzulösen.

Alpines Holzbaumekka

Tirol hat das Zeug, um zum absoluten Vorreiter im Holzbau zu werden: In keiner anderen Region der Welt werden so viel Holz und so viele Holzbaukomponenten hergestellt wie hier. Neben großen Holzfirmen wie Binder, Egger, Pfeiffer und Rubner ist mit Rothoblaas einer der führenden Schraubenhersteller der Welt in unmittelbarer Nähe. Mit dem Aufbau des Holzbaulehrstuhls an der UI und dem jährlichen Internationalen Holzbauforum IHF gehört Innsbruck inzwischen auch zu den wissenschaftlichen und ausbildungsrelevanten Hochburgen des Holzbaus.

Urbane Paradebeispiele

Neben skandinavischen Städten zählen London und Berlin – beides dicht bebaute Städte mit strengen Bau- und Transportvorschriften – zu den Vorreitern im urbanen Holzbau.

Im internationalen Vergleich nimmt Zürich eine besondere Rolle ein: Nachdem die BewohnerInnen in einem Volksentscheid durchgesetzt haben, dass die Stadt zur 2.000-Watt-Gesellschaft werden soll (Durchschnittsenergieverbrauch pro Kopf und Jahr in der Schweiz: 6.000 Watt), wird dort fast nur noch mit Holz gebaut.

Zur Person

Der gebürtige Münchner Michael Flach wurde zusammen mit dem Holzpionier Julius Natterer für unzählige Holzbauprojekte in Frankreich ausgezeichnet. 2002 wurde er an die Universität Innsbruck berufen, um dort einen Lehrstuhl für Holzbau aufzubauen, der sich weltweit durch praxisnahe Forschung und Entwicklung bemerkbar gemacht hat. Mittlerweile ist er in Pension.

  • TTholzbauprof006

    Auch im obersten Stockwerk steht Holz im Mittelpunkt.

  • TTholzbauprof007

    Der Umbau des Trinser Bauernhofs wurde auch genutzt, um innovative Techniken und kreative Lösungen mit Holz auszutesten und umzusetzen.

  • TTholzbauprof009

    Ein Baum im Wohnzimmer: Michael Flach ist ein Fan von organischen Formen und Strukturen.

03. April 2023 | AutorIn: Lisa Schwarzenauer | Foto: Franz Oss

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