Teure Materialien, hohe Lohnkosten und der Klimawandel stellen die Baubranche vor große Herausforderungen.
Im Interview erklärt Paul Unterluggauer, der Geschäftsführer von Ortner Innsbruck, wie er mit der aktuellen Situation umgeht und welche Chancen er darin sieht.
Die Bauwirtschaft schien im Rahmen der Covidpandemie im sicheren Hafen zu sein. Wendet sich nun das Blatt?
Paul Unterluggauer: Die Wirtschaft befindet sich insgesamt in einer Rezessionsphase. Betroffen sind vor allem die für uns relevanten Märkte Deutschland und Österreich. In dieser Umbruchphase trifft es die Bauwirtschaft in bestimmten Bereichen mehr als in anderen. Der Wohnungsbau spürt diese Entwicklung besonders. In diesem Bereich waren wir als Unternehmen jedoch nie stark vertreten. Unsere Bauprojekte haben in der Regel viel mit Technik zu tun. Wir bauen vor allem für KundInnen aus der Pharma-, Elektronik- und Automobilindustrie. Da gehen die Anforderungen weit über einen einfachen Hochbau hinaus.
Das heißt, Ihre Diversifizierung hält Ihr Unternehmen in der aktuellen Lage über Wasser?
Zum einen hilft uns die Diversifizierung, zum anderen aber auch die Tatsache, dass wir in der TGA-Branche (Technische Gebäudeausstattung) Technologieführer sind.
Wie haben sich die Preise in der Baubranche entwickelt?
Die Preise beim täglichen Materialeinkauf sind deutlich gestiegen – im Schnitt etwa um 30 Prozent. Das Niveau hat sich mittlerweile aber stabilisiert. Der Preisgipfel ist erreicht. Einige Preise sind sogar rückläufig, vor allem bei einfachen Baustoffen wie etwa Stahlrohren. Im Endpreis macht sich das für KundInnen aber nicht bemerkbar, weil der überwiegende Materialanteil weiterhin teuer bleibt. Eine Rolle spielen auch die Lohnnebenkosten. Selbst wenn die Sozialversicherungsbeiträge nicht erhöht werden, steigen sie aufgrund der höheren Löhne weiter an.
Das heißt, die Preistreiber sind die Arbeits- und die Materialkosten?
Bei uns sind es vor allem die energieintensiven Produkte. Der Lohnanteil ist natürlich nicht unwesentlich, aber der steigt mit, weil sich Leute ihr Leben finanzieren müssen. Daran führt kein Weg vorbei.
Und generell in der Baubranche?
Der Haupttreiber ist sicherlich die Zinspolitik der EZB (Europäische Zentralbank). Wir hatten in der EU viel zu lange ein zu niedriges Zinsniveau. Das hat die Entwicklung in die falsche Richtung getrieben. Die Zinsen sind in kurzer Zeit von unter null auf vier Prozent gestiegen und damit ist der Effektivzins um mehrere hundert Prozent gestiegen. Das verkraftet die Wirtschaft nicht gut. Auch die Kreditvergaberichtlinien spielen eine Rolle. Sie haben dazu geführt, dass die gesamtwirtschaftliche Entwicklung abrupt gestoppt wurde.
Haben Sie Rückgänge bei den Aufträgen beobachten müssen?
Wir sind in der glücklichen Lage, langfristige Aufträge zu haben. In unserer Branche wird nicht kurzfristig gebaut. Aber auch wir müssen feststellen, dass sich die Dynamik verlangsamt. Aktuell sind unsere Auftragsbücher aber gut gefüllt.
In den vergangenen Jahren hat es einen Baustoffengpass gegeben. Besteht dieser immer noch?
Den gibt es zum Großteil nicht mehr. Verzögerungen gibt es nur noch bei elektronischen Materialien wie Chips. Da kann es zu Lieferzeiten von fünf bis sechs Monaten kommen. Früher waren wir zwei Monate schneller. Bei den anderen Produkten sind wir wie früher just in time.
Just in time ist durch die Coronapandemie in Verruf gekommen. Besinnt man sich nun wieder darauf?
Es ist wie mit jeder Entwicklung. Man kann alles übertreiben. Man muss Konzepte sinnvoll einsetzen. Auf unserer Baustelle für BMW in München haben wir vor Ort keinen Platz, um die Materialien zu lagern. Das heißt, wir müssen sie in einem Zwischenlager vorsortieren und von dort aus just in time liefern. Anders geht es nicht. Dort macht das Sinn.
Durch die Inflation ist das Kapital von InvestorInnen zurückgegangen. Bemerkt man, dass Immobilien als Investitionsprojekte zurückgehen?
Ja, das merkt man. Wir sind ja auch mit einer Drittelbeteiligung an der UBM, einem börsennotierten österreichischen Projektentwickler, in diesem Sektor tätig. Dort ist der Umsatz entsprechend zurückgegangen. Das Immobiliengeschäft ist mittlerweile ein schwieriger Markt geworden. Durch unsere Diversifizierung sind wir hier aber auf der sicheren Seite.
Sanierungen werden immer wichtiger, sowohl aus Kostengründen als auch aus ökologischen Gesichtspunkten. Verliert das Baugewerbe dadurch zusätzlich Aufträge?
Ich sehe darin auch Potenzial. Die HKLS-Branche (Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär) ist nicht homogen. Das heißt, ein kleiner Installateur wird von Wohnungs- und Haussanierungen profitieren. Auch im großen Bereich wird das Thema immer wichtiger. Wir haben zum Beispiel seit Kurzem am Hauptbahnhof in Innsbruck ein Projekt, bei dem das bestehende Objekt zum Teil wiederverwendet wird. Ich glaube, das hat Zukunft.
Spüren Sie die aktuelle Arbeitsmarktproblematik?
Ich glaube, ich wäre der Erste, der sagen würde, bei uns ist das überhaupt kein Thema. Die Situation hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Es gibt nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern einen Arbeitskräftemangel insgesamt. Wir versuchen dem entgegenzuwirken, indem wir eine gewisse Flexibilität walten lassen und auf Augenhöhe agieren. Der Mensch steht heute noch mehr im Mittelpunkt als im alten Jahrtausend. Außerdem ist es für die Zukunft wichtig, dass wir auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Modelle finden, die zeigen, dass wir alle am gleichen Strang ziehen.
Welche konkreten Maßnahmen setzen Sie in Ihrer Firma, um Lehrlinge zu gewinnen?
Wir haben zum Beispiel die IGO Academy, unsere hauseigene Lehrlingsausbildung. Da laden wir einmal im Jahr alle Lehrlinge aus Österreich und Deutschland zu einem Campus ein. Dort geht es nicht um einen fachlichen Wissensaustausch, sondern um das Training von Soft Skills wie Team-, Konflikt- und Finanzmanagement. Unser Ziel ist, dass unsere Lehrlinge durch MentorInnen gut eingeschult und begleitet und durch erfahrene, engagierte AusbilderInnen praxisnah und fundiert ausgebildet werden.
Steuert die aktuelle Krise auf ein Ende zu oder hat sich die Bauwirtschaft unwiederbringlich gewandelt?
Aus meiner Sicht hat sich die Bauwirtschaft noch nicht unwiderruflich verändert. Aber sie ist definitiv im Wandel. In jeder Krise steckt aber bekannterweise auch eine Chance. Man muss sich jetzt überlegen, was man falsch macht und was man ändern muss. Vor allem im Thema Digitalisierung steckt momentan großes Potenzial. Dieses darf aber nicht nur theoretisch diskutiert, sondern muss auch praktisch umgesetzt werden.
Was sehen Sie in puncto Digitalisierung als größten Hemmschuh?
Das größte Hindernis ist meiner Meinung nach die Kluft zwischen Theorie und Praxis. Mir hat mal jemand gesagt, sein Ziel sei es, jede Schraube auf der Baustelle nachverfolgen zu können. Das macht keinen Sinn. Viel wichtiger wäre es, dass jeder – von den IT-TechnikerInnen bis hin zur Chefetage – in einem Bauunternehmen auf die Baustelle geht und sich die Abläufe und Notwendigkeiten vor Ort anschaut.
Wird ökologisches Bauen in Hinblick auf die momentane Wirtschaftslage noch tragbar sein?
Wir können es uns nicht leisten, wegen der Inflation auf ökologisches Bauen zu verzichten. Langfristig ist dieses immer eine wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung. Wenn man versucht, Energie einzusparen, ist das nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Brieftasche. Themen wie Energie, Kosten und Bodenverbrauch können wir nicht einfach auf die Seite stellen. Es geht dabei aber nicht um Zertifikate, sondern um konkrete Resultate beim CO2-Ausstoß und den Betriebskosten. Bei unserem Projekt „Krankenhaus Schwaz“ wurden zum Beispiel durch einen Maßnahmenmix bei der Sanierung rund 50 Prozent der Gesamtenergie eingespart. Der fossile Anteil im Betrieb des Gebäudes liegt nun nur mehr bei unter einem Prozent. Ein modernes Gebäude kann problemlos ökologisch gekühlt und beheizt werden – für dieses Know-how stehen wir.
Welche Kriterien muss ein zukunftsfähiges und ökologisches Bauprojekt erfüllen?
Es gibt bereits genügend Verfahren und Techniken, um ökologisch zu bauen. Diese müssen dann auf den Einzelfall angepasst werden. Ein Hemmschuh sind meist die politischen Regelungen, manchmal auch das wirtschaftliche Umfeld. Bislang stand bei vielen Bauherren der ökonomische Gedanke im Vordergrund. Das hat sich geändert. Die Energiepreise sind zugunsten der Ökologie gestiegen. Dadurch werden Dinge wirtschaftlich, die es früher nicht waren.
„In dieser Umbruchphase trifft es die Bauwirtschaft in bestimmten Bereichen mehr als in anderen.“
Paul Unterluggauer, Geschäftsführer Ortner Innsbruck
„Außerdem ist es für die Zukunft wichtig, dass wir auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Modelle finden, die zeigen, dass wir alle am gleichen Strang ziehen.“
Paul Unterluggauer
„Wir können es uns nicht leisten, wegen der Inflation auf ökologisches Bauen zu verzichten.“
Paul Unterluggauer