Shared Leadership gilt als vielversprechendes Modell für mehr Chancengleichheit im Management. In Österreich könnte es helfen, den Gender Pay Gap zu schließen.
Der Gender Pay Gap – also der Unterschied im durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von Frauen und Männern – lag in Österreich 2023 bei 18,3 Prozent. Selbst bei vergleichbarer Qualifikation und Position bleibt eine bereinigte Lohnlücke von etwa 12 Prozent bestehen. Besonders betroffen: Mütter. Nach einer Geburt wechseln viele Frauen in Teilzeit, die Aufstiegschancen sinken – die sogenannte „Mutterschaftsstrafe“ ist einer der Hauptgründe für das persistente Lohngefälle.
Ein zukunftsweisender Lösungsansatz kommt aus der Managementforschung: Shared Leadership – geteilte Führung. Zwei oder mehr Personen teilen sich eine Leitungsfunktion, mit klarer Rollenverteilung und abgestimmter Verantwortung. Was früher als Ausnahme galt, wird zunehmend zur ernsthaften Alternative zum traditionellen Chef-Modell.
Verantwortung teilen, Effizienz steigern
Führung im Tandem – das klingt nach Kompromiss, ist aber laut Studien oft effizienter. Aktuelle Forschung der Universität Cambridge beschreibt Shared Leadership als „dynamischen, interaktiven Einflussprozess“, der insbesondere in agilen Arbeitsumfeldern Vorteile bietet. Eine Tagebuchstudie mit 53 Teams, veröffentlicht im Frühjahr 2025, belegt: Geteilte Führung fördert täglich Teamkohäsion, Zielklarheit und Engagement.
Auch in Österreich nimmt das Modell Fahrt auf. Laut dem Hernstein Management Report 2024 wird Shared Leadership bereits in 37 Prozent der befragten Unternehmen praktiziert – besonders in wissensintensiven Branchen, in Start-ups und zunehmend auch in öffentlichen Einrichtungen.
Vereinbarkeit statt Verzicht
Für Unternehmen ist Shared Leadership mehr als ein Gleichstellungsinstrument. Es schafft Ausfallsicherheit, fördert Perspektivenvielfalt und erhöht die Innovationskraft. Für Mitarbeitende bedeutet es vor allem eines: Führungsverantwortung ohne Vollzeitdruck. Besonders für Eltern – oft Frauen – wird Führung damit wieder realistisch vereinbar mit Familienpflichten.
Die Grenzen des Modells
Doch geteilte Führung ist kein Selbstläufer. Sie verlangt eine hohe Kommunikationsdisziplin, Vertrauen und ein gemeinsames Führungsverständnis. Klare Rollen und strukturierte Entscheidungsprozesse sind ebenso essenziell wie eine Kultur, die Diversität und Teilhabe fördert.
Nicht jeder Betrieb ist dafür geeignet. In hierarchisch geprägten Strukturen oder Unternehmen mit starren Arbeitszeitmodellen kann Shared Leadership ins Leere laufen. Erfolgreiche Umsetzung braucht Pilotphasen, Coaching und – ganz entscheidend – Rückhalt aus der Unternehmensspitze.
Fazit: Eine Führungskultur für morgen
Shared Leadership ist kein Allheilmittel. Aber es ist ein wirksames Instrument, um strukturelle Hürden für Frauen in Führungspositionen zu verringern. Es kann helfen, den Gender Pay Gap zu verkleinern – nicht durch Quotenzwang, sondern durch neue Führungslogik. Wer Verantwortung teilt, gewinnt: an Vielfalt, an Innovationskraft und an Glaubwürdigkeit im Kampf um die besten Köpfe.