Die Weichen für die vegane Kochlehre sind gestellt: Voraussichtlich ab 2025 kann sie in Österreich angeboten werden. Die Ausbildung hat großes Potenzial, ist Wolfgang Pfeiffer, Betreiber des Naturhotels Aufatmen überzeugt. Allerdings gibt es noch Hürden zu überwinden.
Wie steht es aktuell um die vegane Kochlehre?
Wolfgang Pfeiffer: Derzeit sieht es so aus, dass die vegane Kochlehre als Modell ab 2025 in Österreich angeboten werden kann – zumindest in der Theorie. In der Praxis, wie wir sie erleben, ist es aber nicht so einfach. Vegane Köche sind generell rar, was ja auch die Lehre sehr wichtig machen würde. Aber damit fehlen natürlich auch Ausbildner und Ausbildnerinnen für die Lehrlinge.
Das heißt, theoretisch wäre alles bereit, aber es scheitert an den Realitäten?
Zumindest vorerst ist es ein wenig schwierig, ja. Lehrlinge sind ja ganz generell ein knappes Gut in unserer Branche – auch bei den klassischen Köchen. Aber deswegen ist die vegane Lehre ja so wichtig: Damit ein Anfang gemacht wird. Lehrlinge werden zu Köchen und Köchinnen, die dann mehr Lehrlinge ausbilden können und so weiter. Und ich kann mir auch vorstellen, dass das Modell Nachwuchs anzieht, der sich nicht für eine reguläre Koch-Lehre interessiert hätte.
Was erwartet vegane Kochlehrlinge in der Ausbildung?
Vor allem ein sehr breites, abwechslungsreiches Spektrum. Der vegane Bereich ist inzwischen sehr, sehr gut ausgebaut. Wir bekommen vegane Basis- Zutaten, die früher sehr schwer zu finden waren nahezu jetzt in jedem Lebensmittel-Markt. Und es gibt eine Reihe von Koch-Techniken welche gerade im veganen Bereich sehr vielfältig eingesetzt werden können. Meiner Meinung nach steht eine vegane Kochlehre damit der klassischen in keiner Weise nach, eher im Gegenteil.
Also gibt es Themen, die über die reguläre Koch-Lehre hinausgehen?
Wie meine Frau sagt: „Uns geht es nicht darum, Leute zu sättigen, sondern zu ernähren.“ Und das ist ein Riesen-Thema in der veganen Küche. Bei uns ist die richtige Kombination aus Gemüse, Hülsenfrüchte, Kohlehydrate und Vitamine sehr wichtig, um optimal mit allen Nährstoffen versorgt zu sein. Das erweitert die Ausbildung um das Thema Ernährung und Ernährungsformen, welche in der klassischen Koch-Lehre eine eher untergeordnete Rolle spielt. Und dann geht es auch um die Ess-Erfahrung. In der regulären Küche sind pflanzliche Produkte zum Beispiel meist Beilage und werden klein-geschnitten serviert. Damit geht die Erfahrung des „Herunterschneidens“ beim Essen verloren, wie man das von Fleisch gewohnt ist. Das sind alles kleine Details, die mit der Haptik und der Gesamterfahrung des Essens einhergehen, denen man sich in der klassischen Küche gar nicht bewusst sein muss, die in der veganen aber aktiv berücksichtigt werden müssen.
Ganz provokant gefragt: Braucht es eine exklusiv vegane Kochlehre? Und wenn ja, warum?
Darauf gibt es zwei Antworten: Rein handwerklich wohl nicht, nein. Fragt man einen Profi-Koch, wird der zum Beispiel sagen, dass es auf der ganzen Welt im Grunde genommen fünf Grundsaucen gibt – und die gibt es eben auch in der veganen Küche. Kochen ist auf den ersten Blick also erst mal Kochen.
Wenn es um die Feinheiten geht, wird es aber schon schwieriger. Veganes Kochen bedeutet nicht einfach nur das Fleisch wegzulassen, wie es bei uns so oft praktiziert wird. Da gibt es auch weitere Aspekte, wie die schon erwähnte Ernährung, die Haptik und mehr. Das ist also schon deutlich komplexer als ein dreiwöchiger Ergänzungskurs zur normalen Lehre.
Und wenn man das Ganze von einem philosophischen Standpunkt und von der Denkweise her betrachtet, ist die Antwort ganz klar, ja. Menschen, die vegan leben, tun das ja nahezu immer auch aus ethischer Überzeugung. Und denen bietet man mit einer rein veganen Ausbildung eine Perspektive und einen Einstieg in eine Karriere, die ihnen sonst verschlossen bleiben würde.
Zu wenig Köche und Köchinnen und zu wenig Lehrlinge: Gibt es dann überhaupt Nachfrage?
Es ist noch ein wenig komplizierter: Es gibt in Tirol auch sehr wenige vegane Betriebe. Und das geht alles Hand in Hand. Die Betriebe gibt es nicht ohne die Köche und Köchinnen, die es braucht, um die Lehrlinge auszubilden, die dann Köche sind für Betriebe und so weiter. Man darf aber nicht vergessen: Vegan ist schon lange kein Trend mehr. Das sieht man alleine daran, dass jede Burger-Kette komplett vegane Optionen anbietet. Nur bei der höherstehenden Küche fehlt es bei uns. Das Potenzial und die Nachfrage vonseiten der Gäste ist aber da.
Also beißt sich die Katze in den Schwanz. Gibt es da einen Ausweg?
Es braucht eben Pioniere und die müssen die ersten Schritte machen. Mit der gesetzlichen Grundlage ist aber das Wichtigste passiert, und jetzt darf man. Als nächstes müssen eben Betriebe die Anstrengung unternehmen. Denn, wie gesagt, die Nachfrage wäre da.
Also hat die vegane Kochlehre das Potenzial, ein Karriere-Schritt zu sein?
Tausend-prozentig! Das muss nicht in Österreich sein. Aber die Zahl an gut ausgebildeten, veganen Köchen und Köchinnen ist noch immer gering und die Nachfrage groß. Wer gut ist und sein Handwerk versteht, wird nahezu überall einen Job finden – und damit auch gutes Geld machen. Davon bin ich überzeugt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Wolfgang und Maria Pfeiffer betreiben gemeinsam seit 2007 das Naturhotel aufatmen in der Leutasch. Neben Wellness, Yoga und mehr bieten sie Gästen dort fast rein vegane Küche mit einer Handvoll vegetarischer Optionen aus regionaler Produktion. Nach einer Reihe unterschiedlicher Koch-Engagements kocht Maria Pfeiffer dort aktuell selbst.