Anfang dieser Woche ordnete Innsbrucks Bürgermeister Johannes Anzengruber seine Prioritäten neu. Vermutlich angesteckt von der Jubelwelle, die dank des österreichischen Sieges beim Eurovision Song Contest durch das Land schwappte, verkündete er nur wenige Stunden nach dem Erfolg von JJ, dass sich Innsbruck für die Austragung des ESC 2026 in Österreich bewerben werde. Die Faktenlage rund um die Anforderungen an die BewerberInnen dürfte der Bürgermeister zu diesem Zeitpunkt ebenso wenig bedacht haben wie den Zustand der gewünschten Austragungsstätte Olympiaworld. Auch die Frage, ob eine teure ESC-Austragung in Zeiten von Budgetknappheit und Sparmaßnahmen einen schlanken Fuß macht, dürfte sich Anzengruber nicht gestellt haben.
Ein Blick zum heurigen Gastgeber Basel zeigt, wie unrealistisch das plötzliche Engagement wirklich ist. Die Kosten für das ESC-Finale beliefen sich dort auf rund 60 Millionen Franken, unglaubliche 35 Millionen davon bezahlte die Stadt Basel selbst. Auch ein Zehntel davon wäre derzeit für Innsbruck schwer zu stemmen und noch schwerer zu argumentieren. Die BaslerInnen sind übrigens recht zufrieden, was den ESC anbelangt. Man habe die 60 Millionen Franken nahezu durch direkte Wertschöpfung wieder hereinbekommen und hofft, auch in den nächsten Jahren davon profitieren zu können. Der Medienwert des europaweiten Spektakels ist jedenfalls unantastbar. Mit 200 Millionen TV-ZuseherInnen verfolgten mehr Menschen das Event in Basel als zum Beispiel den Superbowl in Amerika (186 Millionen). Was würde aber Innsbruck die Aufmerksamkeit in der ESC-Zielgruppe bringen und will man diese überhaupt in der Stadt haben? Überlegungen wie diese sind aber wohl sowieso obsolet, denn es gibt ganz klare technische K. o.
Unsere Infrastruktur gerät auch ohne ESC regelmäßig an ihre Grenzen.
Weder das Hotelangebot noch das Mobilitätskonzept passt zu den Anforderungen, die ein ESC-Ausrichter erfüllen muss. Autobahn und Zugtrasse sind jetzt schon überlastet, der Flughafen ist für dieses Szenario schlichtweg zu klein. Die ESC-Bewerbung wird aber vor allem an einem scheitern: an der – formulieren wir es freundlich – in die Jahre gekommenen Olympiahalle. Man müsste diese teuer sanieren und modernisieren, was innerhalb eines Jahres nahezu unmöglich ist. Und wenn man dann eine durchschnittliche ESC-Bühne in ihr platziert, haben vielleicht noch ein paar tausend ZuschauerInnen Platz. Das zeigen zumindest die Unterlagen aus dem Jahr 2014. Für den maroden Zuschussbetrieb wird man sich also anderer Rettungsszenarien bedienen müssen.
Damit wir uns das alles nicht eingestehen müssen, liefere ich hier noch schnell die beste Ausrede für die zum Scheitern verurteilte Bewerbung, die dennoch viel Wahrheit in sich trägt: Wien lässt sich den ESC sowieso nicht nehmen.