Aus heutiger Sicht war die so kurze wie steile Karriere des Christoph Walser wohl zu schön, um wahr zu sein. Unternehmer, Bürgermeister und dann noch Präsident der Tiroler Wirtschaftskammer, um nur die wichtigsten Funktionen Walsers zu nennen, ließen diesen in kürzester Zeit zum Shootingstar der ÖVP aufsteigen. In den konservativen Kreisen der Partei war man vom lockeren, teils Trump-artigen Habitus des heute 49-jährigen Thaurers meist entnervt. Legendär, wie er 2021 Richtung Wien drohte, man werde ihn richtig kennenlernen, wenn noch irgendetwas aus dem Gesundheitsministerium komme. Unvergessen auch, als er ein paar Monate später den damaligen Landeshauptmann Platter loswerden wollte, indem er ihn öffentlich als Bundespräsidentschaftskandidaten vorschlug und damit aus seinem Amt wegloben wollte. Eine Idee für eine etwaige Nachfolge hatte Walser damals sicherlich auch schon parat.
Ja, es war kein Geheimnis, dass der umtriebige Kammerpräsident möglichst schnell ganz nach oben wollte.
Umso überraschender dann der Rückzug vor knapp einem Jahr am 10. November 2023. Christoph Walser gab ungewohnt wortkarg den Rücktritt von all seinen öffentlichen Ämtern bekannt. Schon damals wussten gut informierte Kreise, dass bei Walsers Transportunternehmen steuerlich einiges im Argen lag, das Ausmaß der Misere war jedoch nicht bekannt. Walser selbst nahm die Sache eher locker. Als man ihn dann Ende April dieses Jahres mit Neo-Bürgermeister Anzengruber im Treibhaus feiern sah, wurde die Gerüchteküche ordentlich befeuert. Über eine Rückkehr in die Politik wurde ebenso spekuliert wie über die Idee, dass Walser es Anzengruber auf Landesebene gleichtun könnte. Angeblich soll Walser zu diesem Zeitpunkt schon erleichtert gewesen sein, dass sein Steuervergehen ohne allzu große öffentliche Aufmerksamkeit geregelt werden könne.
Diese Woche dann der Paukenschlag: Walsers Steuerschulden scheinen sein kleinstes Problem geworden zu sein. Ihm werden mittlerweile Beweismittelfälschung, falsche Beweisaussage und auch Verleumdung zur Last gelegt. Keine Kavaliersdelikte, die in Summe mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden können. So dramatisch wird es für Walser wohl kaum ausgehen, denn die Chancen, dass die hinterzogenen Abgaben wieder zurückgeführt werden können, sind mit einem Christoph Walser in Thaur deutlich größer als mit einem Christoph Walser in Völs. Wie hart die Strafe genau ausfällt, ist für Walsers Karriere in Tirol aber ohnehin einerlei – denn die ist nun schlichtweg vorbei. Egal ob mit Ziegelstadl, Fußfessel oder einer reinen Geldstrafe – es wird für den einstigen Ikarus der Tiroler ÖVP sehr schwierig werden, je wieder in Sonnennähe aufzusteigen oder überhaupt vom Boden abzuheben.
Schadenfreude gibt es von meiner Seite keine, Mitleid aber auch nur für den Privatmann Christoph Walser. War es ein klassischer Fall von „Was soll mir schon passieren? Ich stehe über den Dingen!“? Wikipedia würde sagen: „Der Ikarus-Mythos wird im Allgemeinen so gedeutet, dass der Absturz des Übermütigen die Strafe der Götter für seinen unverschämten Griff nach der Sonne ist.“
Die Steuerhinterziehung hat Christoph Walser übrigens eingeräumt, für die restlichen Anklagepunkte gilt zu diesem Zeitpunkt die Unschuldsvermutung. Letztendlich werden die Gerichte feststellen müssen, was an den Vorwürfen dran ist. Egal wie die Sache ausgeht, einen eigenen Song hat sich Christoph Walser aber jedenfalls verdient.