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Vollständig abbaubar

Bioplastik made in Tirol

Die drei Forscherinnen Mira Mutschlechner (m.), Sabrina Dumfort (l.) und Nataly Knöpfle (r.) arbeiten an einem vollständig biologisch abbaubaren Kunststoff.
Vollständig abbaubar

Bioplastik made in Tirol

Die drei Forscherinnen Mira Mutschlechner (m.), Sabrina Dumfort (l.) und Nataly Knöpfle (r.) arbeiten an einem vollständig biologisch abbaubaren Kunststoff.

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Ein in Tirol entdeckter Mikroorganismus könnte schon bald helfen, aus Lebensmittelabfällen vollständig biologisch abbaubaren Kunststoff herzustellen. Daran arbeitet Mikrobiologin Mira Mutschlechner gemeinsam mit zwei weiteren Forscherinnen am MCI.

Kostengünstig, widerstandsfähig, ultraleicht sind Kunststoffe aus nahezu keinem Produkt mehr wegzudenken. Mehr noch: Prognosen ahnen, dass die globale Plastik-Produktion sich bis 2060 verdreifachen wird. Doch mittlerweile ist mehr als deutlich, dass die Werkstoffe eine Vielzahl von Schattenseiten mit sich bringen: Sie sind nur schwer oder gar nicht abbaubar, oft nur theoretisch recyclingfähig und mikroskopisch kleine Mikroplastikteilchen sind inzwischen nicht nur in den abgelegensten Ökosystemen zu finden, sondern auch im menschlichen Körper in beträchtlichen Mengen nachweisbar. Einen Ausweg verspricht Bioplastik: Kunststoffe aus Milchsäure, Maisstärke und anderen biologischen Stoffen, die abgebaut werden können und den Weg in eine Plastikmüll-freie Zukunft ebnen sollen.

Bio heißt nicht immer Bio

Ganz so einfach ist das aber nicht. „Nur rund ein Prozent aller verwendeten Kunststoffe sind Bioplastik“, weiß Mira Mutschlechner, Mikrobiologin am MCI in Innsbruck. Und das ist noch nicht alles. Nur weil sich ein Werkstoff Bioplastik nennt, bedeutet das nicht, dass er nicht aus petrochemischen Stoffen – also Erdöl – produziert wird, dass er wirklich unter regulären Bedingungen wie im Kompost zersetzt werden kann, oder ob das überhaupt vollständig geschieht.

Vollständig abbaubar

Eine Alternative ist Polyhydroxybuttersäure, kurz PHB. Dieser Bio-Kunststoff kann je nach Umgebungsbedingungen nahezu vollständig abgebaut werden – und das innerhalb weniger Wochen bis Monate. Das gilt auch für Mikroplastik, das damit zu keiner dauerhaften Belastung führt. Außerdem ist es biokompatibel – also für den menschlichen Körper unbedenklich – weswegen es bereits jetzt in chirurgischem Nahtmaterial zum Einsatz kommt. Doch der Kunststoff hätte noch mehr Potenzial – wäre er nicht so schwer und teuer zu produzieren. Zumindest bislang.

Energieintensiv

„PHB ist ein biologisches Erzeugnis“, erklärt Mutschlechner. „Der Kunststoff wird von Mikroorganismen hergestellt, um Nährstoffe zu speichern. Im Grunde genommen ist er eine Art ‚Fettreserve‘.“ Um diese anzulegen, brauchen die Mikroben entweder Zucker wie Glukose, Fruktose oder Laktose. Ein anderer Weg, der bislang kaum zum Einsatz kommt, führt über CO2. Zusätzlich dazu können manche Organismen auch Wasserstoff nutzen, um daraus Energie zu gewinnen. Und dabei kommt der Kostenfaktor ins Spiel. CO2 steht reichlich in der Atmosphäre zur Verfügung. „Aber bei verschiedenen Formen von Zucker tritt man zumindest bislang mit der Lebensmittelindustrie in Konkurrenz. Da hört es schnell auf, rentabel zu sein“, meint Mutschlechner. „Richtig teuer wird es beim Wasserstoff. Der wird aktuell in der Regel durch chemische Prozesse hergestellt, die sehr energieaufwendig und damit kostenintensiv sind.“

Tiroler Organismus

Deswegen geht Mutschlechner gemeinsam mit ihren Kolleginnen, der Umwelt-, Verfahrens- und Energietechnikerin Sabrina Dumfort und der Lebensmitteltechnologin Nataly Knöpfle einen anderen Weg. Stein des Anstoßes war die Entdeckung von Thermoactinomyces mirandus, einem Bakterium, das mit „Mirandus“ den Namen seiner Entdeckerin Mira Mutschlechner trägt. 2015 zum ersten Mal in einer Biogasanlage in Roppen nachgewiesen, ernährt sich der Mikroorganismus von Bio-Abfällen. Dabei gibt er Wasserstoff und CO2 ab und schafft so beste Voraussetzungen für andere Mikroorganismen, um PHB zu produzieren. „Und die Bio-Abfälle, die als Substrat für Mirandus dienen, bestehen selbst zu einem großen Teil aus Nährstoffen, die auch von PHB-Erzeugern genutzt werden können“, ergänzt Mutschlechner.

Gedeckte Tafel

Kombinieren die Forscherinnen den Tiroler Organismus Mirandus in einem Reaktor mit PHB-Produzenten und füttern sie mit einem Substrat aus biologischen Abfällen, schlagen sie gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Die Biomasse verfügt über reichlich Nährstoffe. Weil es sich dabei aber um Weggeworfenes handelt, sind sie nicht nur kostengünstig, sondern es entsteht auch kein Konkurrenzdruck zur Lebensmittelindustrie. Daraus kann Mirandus CO2 und Wasserstoff erzeugen, ohne dass große Energiemengen dafür aufgewandt werden müssen. Diese werden dann von Mikroorganismen weiter zu PHB verarbeitet. Zugleich stehen denen aber ebenso die Nährstoffe im Substrat zur Verfügung – und damit ein zweiter Weg, um sich „fett zu fressen“. „Damit können sich unsere PHB-Erzeuger für den Weg entscheiden, der am effizientesten ist“, erklärt Mutschlechner. „Und wir erhalten die garantiert beste Ausbeute.“

Die richtige Mischung

Aktuell arbeiten die Wissenschaftlerinnen daran, die idealen Partner für Mirandus und für verschiedene Substrate zu identifizieren. Dabei müssen sie auch in Betracht ziehen, dass sich die verfügbare Biomasse nicht nur regional, sondern auch saisonal ändert. „Gerade in einem Tourismusland wie Tirol fallen im Winter zum Teil völlig andere Abfälle an als während der Sommermonate. Das kann die Resultate stark beeinflussen.“ Sind einmal vielversprechende Kombinationen gefunden, soll es an die Skalierung gehen: „Unser Herstellungsprozess kommt aus, ohne große Mengen an Energie oder teures Substrat von außen zuzuführen“, erklärt Mutschlechner. „Weil alles in einem Reaktor vor sich gehen kann, ist er auch sehr kompakt. Das spart zusätzlich Kosten. Gelingt es uns, das auf industrieller Ebene umzusetzen, könnte das den Preis von PHB stark senken – und damit einem echten Bio-Plastik eine Chance geben, sein volles Potenzial zu entfalten.“

 

Mira_Mutschlechner.jpeg

Zur Person:

Mira Mutschlechner hat Mikrobiologie in Innsbruck studiert. 2015 entdeckte sie das nach ihr benannte Bakterium Thermoactinomyces mirandus in einer Biogasanlage in Roppen. Mittlerweile arbeitet und forscht sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am MCI in Innsbruck.

30. Mai 2025 | AutorIn: Daniel Feichtner | Foto: Franz Oss

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