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Die Summe aller (digitalen) Teile

Am MCI Digital Twin Lab entstehen digitale Zwillinge, die für die Weiterentwicklung von Maschinen und Produkten genutzt werden können.

Die Summe aller (digitalen) Teile

Am MCI Digital Twin Lab entstehen digitale Zwillinge, die für die Weiterentwicklung von Maschinen und Produkten genutzt werden können.

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Seit gut einem Jahr arbeiten im Digital Twin Lab des MCI Forscher eng mit der Tiroler Industrie zusammen, um Technologien in digitalen Simulationen zu entwickeln und zu testen. Mittlerweile zeigt sich, dass das aber erst der Anfang war.

Produktentwicklung ist niemals ein linearer Vorgang. Der Weg vom Konzept bis zur Marktreife ist immer mit einer Vielzahl von Prototypen, Tests und Iterationen gepflastert. „Realistisch betrachtet muss jedes ‚Gerät‘ im weitesten Sinne mehrfach gebaut, verbessert und getestet werden, bevor es zum Produkt wird“, bestätigt Andreas Mehrle, Leiter des Studiengangs Mechatronik und Projektleiter des Digital Twin Labs am MCI. „Das ist gerade bei Neuentwicklungen und komplexeren Maschinen einer der maßgeblichen Zeit- und Kostenfaktoren.“ Besonders bei Stress- und Langzeit-Tests gebe es dementsprechend hohes Einsparungspotenzial, das nicht nur die Entwicklungskosten, sondern auch den Preis des fertigen Produkts stark senken könne.

Virtueller Nachbau

Lösungsansätze dafür gibt es viele – angefangen beim Einsatz kompletter, bereits getesteter Komponentengruppen über Outsourcing an Spezialisten bis hin zum Rapid-Prototyping via 3D-Druck. „Die meisten haben aber ihre Limits“, weiß der Experte. Deswegen gehe sogenannte Digital Twin Labs einen neuen Weg. Ein solches hat auch am MCI vor gut einem Jahr seine Arbeit aufgenommen. Gemeinsam mit einem dreiköpfigen internationalen Team entwickelt Mehrle dort digitale Simulationen komplexer Maschinen, die ohne großen Aufwand verändert, angepasst und getestet werden können, ohne sie physisch produzieren zu müssen.

Ganzheitlich betrachtet

„Simulationen gibt es im technischen Bereich schon lange“, erklärt er. Allerdings unterschieden sich diese grundlegend von einem „digitalen Zwilling“. „Eine Bauteilsimulation berechnet eine Komponente, zum Beispiel deren Belastbarkeit. Wir bauen die gesamte Maschine nach und simulieren das Zusammenspiel aller Teile.“ Zudem lassen sich verschiedene Aspekte wie Verschleiß, Belastung, aber auch Verbrauch, Hitzeentwicklung, Performance und mehr kombinieren – und das im Zeitraffer, sodass die Abläufe von hunderten oder gar Tausenden Betriebsstunden in kurzer Zeit durchgerechnet werden können.

Gemeinsam mit Profis

Anstatt an grauer Theorie arbeitet das Twin Lab an praxisbezogenen Lösungen und eng mit der Tiroler Industrie zusammen. Gemeinsam mit Liebherr hat das Team die Simulation einer Planierraupe und zusammen mit Prinoth das Pistengerät „Leitwolf“ entwickelt. „Das sind beides hochkomplexe Maschinen, die unter extremen Bedingungen funktionieren müssen“, erklärt Mehrle. „Dazu kommt, dass die Stückzahl gering und die Herstellungskosten hoch sind.“ Deswegen steht auch keine große Stückzahl an Prototypen zur Verfügung, die in unterschiedlichen Konfigurationen getestet werden können.

Umbau mit der Maus

Am digitalen Zwilling ist das kein Problem. Nachdem Liebherr und Prinoth alle Messgrößen geliefert haben, kann beispielsweise der Antrieb vom Verbrenner in kürzester Zeit auf Elektromotoren oder Brennstoffzellen umgerüstet werden. Dimensionierungen und Steuerung sind problemlos anpassbar, ohne neue Teile zu fertigen. Doch das ist erst der Anfang. „Wir haben inzwischen erkannt, dass nicht nur die Maschine wichtig ist, sondern auch die Umgebung, in der sie zum Einsatz kommt“, sagt Mehrle. Gerade bei Liebherrs Planierraupe ist das ein relevanter Aspekt. „Schmiermittel, Hydraulik-Flüssigkeiten und mehr verhalten sich unter tropischen Bedingungen wie in Brasilien völlig anders als in Sibirien. Haben wir die Daten zu den Materialien und ergänzen die Simulation um die entsprechende Umwelt, können wir testen, was sonst erst möglich ist, wenn die Maschinen vor Ort sind.“

Digitaler Spielplatz

Das eröffnet dem Twin Lab neue Möglichkeiten, bringt aber auch neue Herausforderungen. Die Entwicklung digitaler „Sandkästen“ ist eines der nächsten Ziele des Teams. Dazu gilt es, Daten zu sammeln. Denn neben dem Klima, das sich aus vielen Komponenten wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und mehr zusammensetzt, müssen auch die Bodenbeschaffenheit, die Haftung unterschiedlicher Oberflächen und mehr in Simulationen einfließen. „Zum Boden gibt es bereits Datensätze“, meint Mehrle. „Bei Schnee sieht das aber zum Beispiel ganz anders aus. Da müssen wir erst sehen, wie wir vorgehen können.“

Steht den digitalen Zwillingen einmal eine virtuelle Umwelt zur Verfügung, ist das Prinzip aber wohl noch lange nicht ausgeschöpft. „Simulierte Umgebung hat großes Potenzial“, ist sich der Experte sicher. „Man denke nur an Machine Learning.“ Anders als es zum Beispiel Tesla heute handhabt, dessen Autopilot anhand von echten Verkehrsdaten verbessert wird, könnte ein simuliertes Fahrzeug in einer ausreichend detailreichen Simulation das autonome Fahren lernen – ohne jemals auf den realen Verkehr losgelassen worden zu sein. „Das gilt dann für selbstfahrende Pistengeräte ebenso wie für PKWs“, vermutet Mehrle. „Gelingt es uns, virtuelle Trainings-Umgebungen zu gestalten, würde das die Entwicklung autonomer Maschinen nicht nur enorm beschleunigen, sondern auch die Kosten deutlich senken.“

Zur Person:

Andreas Mehrle hat an der Johannes-Kepler-Universität in Linz Mechatronik studiert und leitet seit 2009 den Studiengang Mechatronik am Innsbrucker MCI. Seit 2020 ist er zudem Projektleiter des Digital Twin Labs und arbeitet mit einem dreiköpfigen Team aus Italien, Spanien und den Niederlanden an Simulationen für die Tiroler Industrie.

13. Juli 2021 | AutorIn: Daniel Feichtner | Foto: MCI

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