3D-Druck ist für manche bereits ein alter Hut. Doch wie zwei Projekte an der FH Kufstein Tirol beweisen hat die Technik noch viel Potenzial und kann auch dazu eingesetzt werden, Materialien wie Metall oder Brauerei-Abfallprodukten zu völlig neuen Formen und Produkten zu verarbeiten.
Prinzipiell ist 3D-Druck eine etablierte Technologie: Im Gegensatz zur klassischen oder „subtraktiven“ Fertigung, bei der, einem Bildhauer gleich, so lange Material entfernt wird, bis nur noch das Werkstück übrig bleibt, tragen 3D-Drucker Material auf – meistens in Schichten –, um so „additiv“ Formen zu schaffen. In der Regel geschieht das mit Plastik und Kunstharzen. Doch die Technik bietet noch immer viel Platz für Innovation, nicht zuletzt in der Vielfalt von Materialien, die dabei verarbeitet werden können. An der FH Kufstein Tirol zeigen zwei Projekte unter der Leitung von Christian Schmid, Professor für Produktentwicklung, dass die Möglichkeiten der Technik noch lange nicht ausgeschöpft sind.
Schweiß-Druck
2022 trat Metallbau Freisinger, ein lokaler Metallverarbeitungsbetrieb, mit einer Aufgabenstellung an Schmid und die FH Kufstein Tirol heran: Um die eigenen Fachkräfte freizuspielen, damit sie sich auf die Aufgaben konzentrieren können, für die es menschliches Geschick braucht, wollten die Metallbauer wissen, ob es möglich wäre, das Schweißen gerade Nähte zu automatisieren. „Das war ein gefundenes Fressen für mich“, meint Schmid, der selbst ausgebildeter Schweißtechniker ist. „Die Idee war im Grundaufbau denkbar einfach: Wir haben einen regulären 3D-Drucker konzipiert, nur deutlich größer und stabiler – und anstelle des Druckkopfs, der Kunststoff-Stränge schmilzt und aufträgt, ein Schweißbrenner verbaut, dem Schweißdraht als Druckmedium zugeführt wird.“
Übergroß aber transportabel
In nur etwas mehr als einem Jahr entstand so ein Drucker, der sich sehen kann: sechs Meter lang, 150 Zentimeter breit und einen Meter hoch bietet er Platz für große Bauteile. Zudem ist die Anlage transportabel: So ist es möglich, ihn über ein Bauteil, wie einen Metallträger zu „stülpen“ und dort automatisiert zu schweißen – und auch der Einsatz direkt auf einer Baustelle ist kein Problem. „Das Gerät ist sehr einfach zu bedienen und auch bei der Programmierung sehr niederschwellig“, beschreibt Schmid. „So können auch nicht zum Schweißen qualifizierte MitarbeiterInnen hochbelastbare Schweißnähte ‚am laufenden Band‘ produzieren – und die ohnehin knappen Fachkräfte kommen dort zum Einsatz, wo sie gebraucht werden.
Mehr als verbinden
Wie sich zeigt, kann die Maschine aber deutlich mehr, als „nur“ Mitarbeiter entlasten. Denn gleich wie bei allen anderen additiven Fertigungsmethoden können aus den Schweißdrähten auch völlig neue Formen entstehen – Schicht für Schicht übereinandergestapelt. „So können wir dreidimensionale Statuen, bionische Strukturen und beliebige Konturen drucken“, erzählt der Professor. Zudem ist das Schweißen eine seit Jahrhunderten etablierte Technik. So stehen den Entwicklern mehr als 1.000 Stahl- und über 100 Alu-Werkstoffe zur Verfügung, deren Eigenschaften sie sich zunutze machen können, je nachdem, worauf sie es gerade abgesehen haben. „Dabei entsteht auch eine ganz eigene Optik“, erklärt Schmid. „Das kann man nach dem Druck entweder bereinigen – oder auch so lassen. Wir arbeiten mittlerweile auch mit einem Künstler zusammen, der tolle Dinge mit diesen organischen Formen macht.“
Alles andere als Abfall
Einem noch deutlich ungewöhnlicheren Material widmet sich Schmid mit seinen Studenten in einem Interreg Projekt gemeinsam mit Fachhochschulen und Unternehmen in Kärnten und Norditalien. Dabei dreht sich alles um das Thema Bier – oder genauer gesagt, um die Abfälle, die bei dessen Produktion entstehen: „Beim Brauen bleiben vor allem Pflanzenfasern übrig“, beschreibt Schmid. „Das sind relativ kurze Naturfasern, die bislang wenig Verwendung finden. Meistens werden sie an Nutztiere verfüttert.“ Doch die Reste können mehr, davon sind er, seine Studenten und die restlichen Teilnehmer an dem Projekt überzeugt. „Wir arbeiten daran, die Fasern als biologisch abbaubare Komponenten in 3D-Drucke zu integrieren“, erklärt er.
Verschiedene Wege
Dabei gehen die verschiedenen Institutionen unterschiedliche Wege: In Kärnten wird versucht, die Fasern in das Kunststofffilament zu inkorporieren, mit dem dann gedruckt wird, um den Modellen mehr Stabilität zu verleihen. Das Team an der FH Kufstein Tirol entwickelt eine andere Lösung. Dazu verwenden sie keinen regulären Filament-, sondern einem sogenannten Binder Jet Drucker. „Der kann mit verschiedensten gelartigen Materialien drucken, die dann aushärten“, sagt Schmid. „Dazu zählen auch viele natürliche Stoffe wie Gelatine, Eiweiß und Stärke. Und denen fügen wir die zu einem feinen Pulver zermahlenen Fasern bei, um sie stabiler zu machen. Wir drucken also eine Kombination mehrerer Naturmaterialien.“
Kurzlebig und abbaubar
Dieser Mix aus umweltverträglichen Stoffen eignet sich hervorragend, um kurzlebige Produkte zu erzeugen, die bisher aus kaum recycelbarem Plastik hergestellt werden. Dabei gehe es um Wegwerfartikel im weitesten Sinne. „Paradebeispiel wären Hüllen für Mobiltelefon oder Rahmen von Sonnenbrillen, von denen viele Menschen mehrere besitzen, die aber nach maximal ein bis zwei Jahren entsorgt werden“, meint Schmid. Außerdem sind die Drucke mit dem richtigen Verbund an Materialien nicht nur abbaubar, sondern sogar lebensmittelecht und kompostierbar. „Wir könnten also auch Besteck für Festivals oder Foodtrucks drucken. Und wir arbeiten auch an Blumentöpfen für Vertical Gardening sowie biologisch abbaubare Urnen.“
Die richtige Balance
Kombiniert mit den generellen Vorzügen von des 3D-Drucks – der schnellen und materialsparenden Produzierbarkeit von Klein- und Kleinstserien, der Produktion nahezu überall und der problemlosen Anpassbarkeit der Modelle – könnten solche Materialien damit bald dazu beitragen, Ressourcen zu schonen und Müllberge schrumpfen zu lassen. „Verzicht ist natürlich grundsätzlich immer der bessere Weg“, ist Schmid überzeugt. „Gerade wenn es um Kurzlebiges geht. Aber das ist aus verschiedensten Gründen nicht immer möglich. Und dort können wir mit solchen Entwicklungen dazu beitragen, die richtige Balance hin zu bewusstem und ökologisch verträglichem Konsum zu leisten.“
Zur Person
Christian Schmid ist gebürtiger Niedersachse aus Hannover und war ursprünglich in der Luftfahrt- und der Laser-Schweißtechnik tätig. Seit 2020 lehrt und forscht er an der FH Kufstein Tirol als Professor für Produktentwicklung im Bereich nachhaltiger Produkte und den Einsatz von 3D-Druck-Technologie.