James Bond trinkt seinen Wodka Martini geschüttelt, nicht gerührt. Das hat einen Grund: Durch die Bewegung kommen jene Moleküle an die Oberfläche, die dem Getränk seinen Geschmack verleihen, den es daraufhin entfaltet. Vibrationen können also Substanzen verändern. Was beim Barkeeper gewünscht ist, kann im Kühlschrank aber zum Problem werden. Dessen mechanische Teile – vom Lüfter über den Kompressor bis hin zur zuschlagenden Türe – können, ebenso wie externe Faktoren, wie zum Beispiel eine vorbeifahrende Straßenbahn, Schwingungen erzeugen.
Projektteam der UMIT
Diesem Phänomen will ein Projektteam der UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik am Standort Lienz entgegenwirken. Die Forschung läuft unter dem Titel „Smart Wave Vanisher“. Fadi Dohnal, der wissenschaftliche Betreuer des Doktoratsprojekts versteht darunter, „konstruktive Lösungsmöglichkeiten zu finden, um die Schwingungen zu vermeiden, bevor sie überhaupt wirksam werden.“ Man bekämpft also nicht die Ursache der Schwingungen, sondern schränkt sie auf ihrem Übertragungsweg ein.
Durchgeschüttelt
Dass die Schwingungen Auswirkungen auf den Inhalt haben, ist bestätigt – nicht nur durch James Bond. Erste Studien gibt es bisher etwa für Rotwein: Demnach beschleunigen die Vibrationen den Reifungsprozess des Weines, und das möchte man vermeiden. „Schwingungen kann man sich in der stärksten Ausprägung wie Schütteln vorstellen“, erklärt Fadi Dohnal. „Sie durchmischen den Inhalt der Flasche, was zu chemischen Prozessen führt.“ Man müsse sich zwar nicht fürchten, dass die Bewegungen des Kühlschranks die Wurst oder das Jogurt verändern. „Wir sind da bei niedrigen Schwingstärken, die mit menschlicher Wahrnehmung kaum erfassbar sind, aber bei besonders empfindlichen biologischen Proben trotzdem Auswirkungen haben“, so der Wissenschaftler.
Aber es gibt durchaus Waren, die davon betroffen sind: kostbarer Wein, Spenderorgane und voraussichtlich auch flüssige Arzneimittel und Impfstoffe zählen dazu. Und gerade hier sind Veränderungen besonders problematisch. Außerdem zeigen sich die Effekte umso stärker, je länger die Produkte im Kühlschrank gelagert werden. „Natürlich gibt es bereits Konzepte, mit denen man Schwingungen vermeidet.“ Allerdings sieht Dohnal noch deutlich Raum für Verbesserung – und ist ambitioniert: „Wir wollen noch das letzte Prozent herausholen – gewissermaßen das Kühlgut wie einen Fahrgast in einer Luxuslimousine befördern.“ Nur in einem perfekt schwingungsarm konstruierten Fahrzeug gelinge es, dass man selbst über Schotterwege und Schlaglöcher fahren könne, ohne es zu merken.
Den Ursachen auf der Spur
Bevor dieses restliche Potenzial ausgeschöpft werden kann, müssen die Forscher die Wege finden, über die diese Vibrationen übertragen werden. Dazu greifen sie auf eine grundsätzlich bekannte Methode – die sogenannte Transferpfadanalyse (TPA) – zurück. Diese kommt bereits in vielen Bereichen zum Einsatz – unter anderem, um die Vibrationsausbreitung in Konzerthallen oder bei Raketenstarts zu analysieren. Die mathematische Auswertung muss beim Kühlschrank allerdings anders sein: „Hier geht es nämlich um sehr kleine Schwingungen. Da ist das Eigenrauschen der elektronischen Sensoren immer ein Thema“, berichtet der Doktorand Wolfgang Hörtnagel. „Wenn das Signal, das man eigentlich messen will, nicht sehr deutlich über dem Rauschen liegt, dann spricht man von ‚verrauschten Messsignalen‘. Da gibt es mathematische Verfahren, die die verwertbaren Informationen herauskitzeln. Und eine solche Methode habe ich eigens für unser Problem entwickelt.“ Das Modell wurde wegen seiner Neuheit auf einer internationalen Fachtagung vorgestellt. Eingesetzt wurde diese Methode beim Testen verschiedener Szenarien, vom Vorbeigehen am Kühlschrank über das Öffnen der Türe und so weiter. All diese Einflüsse wurden von Sensoren wahrgenommen und aufgezeichnet. So konnten die genauen Auswirkungen unterschiedlicher Störungsquellen ermittelt und dokumentiert werden.
Vom Problem zur Umsetzung
Seit etwas mehr als einem Jahr arbeitet das Projektteam daran und hat die für Kühlschränke typischen Transferpfade mittlerweile identifiziert. Jetzt geht es an die Umsetzung: Jede Komponente des Kühlschranks wird nun einzeln betrachtet. „Manche Teile müssen relativ starr sein, um die Funktion sicherzustellen“, sagt Hörtnagel. Bei anderen könne man wiederum mit Maß- oder Designänderungen eingreifen, um sie flexibler zu machen. Was geändert werden muss, hängt vom Auslöser der Vibration ab.