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Carbon-Technologie aus Tirol

Leichtbau für die Massen

Carbon-Technologie aus Tirol

Leichtbau für die Massen

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Carbonfasern sind das Nonplusultra, wenn es um leichte, strapazierfähige Bauteile geht. Ein Tiroler Start-up hat eine Technologie entwickelt, die Spritzgussteile mit einem Carbon-Skelett versieht und ihnen die gleiche Stabilität verleiht – zu einem Bruchteil des Preises.

Egal ob im Sport, im Automobilbau oder der Luftfahrt: Wo jedes Gramm zählt, bleibt Carbon die Königsklasse. Doch die Leichtigkeit und Stabilität haben ihren Preis. In vielen Bereichen kosten Werkstücke aus Kohlefasern gut und gerne das Zehnfache entsprechender Plastikteile und mehr.

Kosten vs. Gewicht

Deswegen entscheiden sich Hersteller von Massenprodukten für Spritzgussverfahren. Dabei wird flüssiges Plastik in Formen gepresst – automatisch, schnell und kostengünstig. „Um damit dieselbe Stabilität zu erreichen, muss mehr Material verwendet werden“, erklärt Thomas Rettenwander, Mitgründer des Tiroler Start-ups Fibionic. „Die Bauteile werden dicker, schwerer und verbrauchen mehr Ressourcen.“

Aus dieser Erkenntnis hat er sich vor drei Jahren gemeinsam mit Johannes Mandler auf die Suche nach einer Methode gemacht, das Beste beider Welten zu kombinieren. Dazu verstärken sie Spritzgussteile mit Kohlefaser-Skeletten. So werden Werkstücke deutlich stabiler, leichter aber bleiben günstig.

  • Fibionic office
    Noch arbeitet und entwickelt das Fibionic-Team im Obergeschoss von Thomas Rettenwanders Haus. Ein Umzug ist aber geplant.

Verschwendetes Potenzial

Reguläre Carbon-Bauteile entstehen aus Matten verwobener Kohlenstofffasern. Diese werden zugeschnitten, unter Hitze und Druck in einer Form mit Kunstharz durchtränkt und ausgehärtet. Das dauert, ist schwer zu automatisieren und es fällt Verschnitt des teuren Materials an. „Zudem ist die Konstruktion nicht optimal“, weiß Rettenwander. Die Matten sind im Schachbrettmuster gewoben: Die Kohlefasern verlaufen also nur in zwei Richtungen und damit oft nicht entlang der Bahnen, in denen das Bauteil Belastungen ausgesetzt sein wird. „Kohlefasern können ihre Stärken voll ausspielen, wenn sie genau diesen Linien folgen und so lange sind, wie möglich. Das ist mit Matten selten der Fall“, beschreibt er.

Vorbild Insekt

Wie es besser geht, macht die Natur vor: „Paradebeispiel ist der Flügel einer Libelle: Er besteht aus dünnen, durchsichtigen Membranen, verstärkt durch lange, geschwungene Verstrebungen, die die Last tragen. Das ‚teure‘ Material kommt so wenig und so effizient wie möglich zum Einsatz“, erklärt Rettenwander. Anhand dieses Vorbilds haben die beiden ein von der Standortagentur Tirol mit dem Cluster Award prämiertes und mittlerweile patentiertes Verfahren entwickelt.

Genau geplant

Dazu berechnen sie, wo Carbon-Verstärkungen die beste Wirkung erzielen. So entsteht ein digitaler Plan für ein skelettartiges Gerüst, das Fibionic aus „Composite-Garn“ nachbaut. Dieser Faden besteht aus Kohlefaser und Kunststoff. Wird er in der geplanten Struktur flach aufgelegt und erhitzt, schmilzt der Kunststoffanteil und fixiert die Carbonfaser in der gewünschten Form. Bei Bedarf können mehrere Lagen übereinandergelegt werden, bis die gewünschte Stärke und Flexibilität erreicht ist. Dann wird das zweidimensionale Gerüst noch einmal erhitzt und in seine dreidimensionale Form gepresst. In einer Spritzguss-Form fixiert wird dieses „Skelett“ mit Kunststoff ummantelt.

  • fibionic carbonfaser produktion
    Um ihr Verfahren zu automatisieren, haben Rettenwander und Mandler eine eigene Produktionsanlage entwickelt.
  • fibionic Carbonfaser Compsite Garn
    Als Rohstoff dient Composite-Garn aus Carbonfasern und Kunststoff.

Masse mit Klasse

Aktuell wird die Technik von einem namhaften Hersteller zur Produktion von Fahrradsätteln getestet. Und auch an Zwischensohlen für Laufschuhe, die ihnen genau definierbare Flexibilität verleihen, arbeiten die Gründer. Die Sättel erreichen mittlerweile eine Stabilität und Flexibilität, die sich mit der von reinen Carbon-Varianten messen kann und sind nur unbedeutend schwerer. Die Laufschuh-Zwischensohlen toppen das sogar: Sie wiegen in etwa die Hälfte der bisher eingesetzten Matten-Lösung. Der wichtigste Aspekt ist aber die Massenfertigung. Fibionic hat nahezu den gesamten Ablauf automatisiert. Das schlägt sich auch im Preis nieder. Ein Fahrradsattel mit Kohlefaser-Skelett kostet ein Fünftel der Carbon-Variante und damit in etwa nur das Doppelte der Spritzguss-Version.

  • fibionic Sattel
    Dreidimensionale Carbonfaser-Skelette könnten Fahrradsättel bald stabiler und leichter machen.
  • fibionic Zwischensohle
    Auch von der Natur inspirierte Zwischensohlen für Laufschuhe haben großes Potenzial.

Made in Tirol

Die nächsten Schritte für das im Rahmen des Deep-Tech Seedfinancings der Bundesministerien für Wirtschaft und für Innovation, abgewickelt durch das Austria Wirtschaftsservice, geförderten Start-up stehen schon fest: „Wir bereiten gerade den Umzug nach Götzens vor. Dort haben wir dank der Standortagentur eine neue Bleibe gefunden, die uns mehr Raum bietet“, erzählt Rettenwander. In den neuen Räumlichkeiten wird eine Produktionsstraße Platz finden, die große Stückzahlen herstellen kann. „Das macht uns nicht nur technologisch, sondern auch wirtschaftlich gerade für europäische Produzenten interessant, die den Logistik-Aufwand und ihren Co2-Fußabdruck minimieren wollen.“

  Thomas-Rettenwander

Zur Person:

Thomas Rettenwander hat Kunststofftechnik an der Montanuniversität Leoben studiert. Im Rahmen seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit bionischen Faserstrukturen. Diese wissenschaftliche Arbeit hat er während seiner hauptberuflichen Lehrtätigkeit am MCI vertieft und 2021 schließlich gemeinsam mit Johannes Mandler Fibionic gegründet.

17. Juli 2024 | AutorIn: Daniel Feichtner | Foto: Franz Oss

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