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Biotechnologie

Nano-Partikel aus „Bio-Anbau“

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Nano-Partikel aus „Bio-Anbau“

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Metallische Kleinstpartikel haben viele Einsatzgebiete. Sie herzustellen ist jedoch aufwendig und Ressourcen-intensiv. Biotechnologin Lucia Colleselli forscht am MCI daran, wie biologische Ausgangsmaterialien dazu genutzt werden können, solche Nanopartikel umweltschonender zu erzeugen.

Nanopartikel aus verschiedenen Substanzen kommen in vielen Bereichen zum Einsatz – in Kosmetik und Sonnencremen ebenso wie bei der Herstellung von optischen und elektronischen Komponenten oder auch in Medizinprodukten. Die winzigen Teilchen, die zwischen 1 und 100 Nanometer – also zwischen einem Millionstel und einem Zehntausendstel Millimeter – groß sind, bringen je nach Material, Größe, Form und Struktur ganz spezifische Charakteristika mit: „Das reicht von Leitfähigkeiten über die Reflexion von Licht, die beim Sonnenschutz wichtig ist, bis hin zu antimikrobiellen Eigenschaften“, erklärt Lucia Colleselli, Biotechnologin und Projektmitarbeiterin am Department für Bio- und Lebensmitteltechnologie am MCI.

Großer Aufwand

Doch während solche Partikel zu einem immer wichtigeren Grundbestandteil vieler Produkte werden, ist ihre Herstellung bislang aufwendig: „Um Nanokomponenten in der gewünschten Größe und Struktur zu erzeugen, wird bei konventionellen Herstellungsverfahren häufig mit nicht ungefährlichen Chemikalien unter hohen Temperaturen und Drücken gearbeitet. Das ist sowohl ressourcen- als auch energieintensiv“, beschreibt die Biotechnologin. Deswegen wird am Innsbrucker MCI seit zwei Jahren ein anderer Weg verfolgt: Colleselli arbeitet dort im Rahmen des von der Standortagentur Tirol geförderten K-Regio Projektes „Supreme by Nano“ daran, metallische Nanopartikel durch Biosynthese zu erzeugen – also durch biologische Vorgänge. Dabei macht sie sich Mechanismen zunutze, mit denen sich Mikroorganismen vor Metall-Ionen schützen.

Selbstschutz

Ionen sind elektrisch geladene Atome oder Moleküle, die nahezu überall zu finden sind. Für Einzeller stellen sie eine konstante Bedrohung dar. Denn Metall-Ionen können ihre Zellwände schädigen. „Deswegen haben manche Organismen die Fähigkeit entwickelt, Ionen aus ihrem direkten Umfeld aufzunehmen“, erklärt Colleselli. Gewissermaßen „fressen“ sie die elektrisch geladenen Metall-Atome die ihnen schaden und „entladen“ sie durch unterschiedliche Mechanismen. „So senken Mikroorganismen die Ionen-Konzentration in ihrer direkten Umgebung und damit die Gefahr, Schaden zu nehmen.“

Hefe-Extrakt

Im Labor wird dieser Mechanismus gezielt erzeugt. Aktuell setzt die Biotechnologin dabei vor allem Bäckerhefe ein. Diese seit Jahrtausenden von Menschen kultivierten Organismen bringen gleich mehrere Vorteile mit. Sie verfügen nicht nur über die nötigen Fähigkeiten zur Biosynthese und lassen sich sehr einfach züchten. Bäckerhefe hat auch „Grasstatus“. Das bedeutet, sie ist für Menschen so unbedenklich, dass sie als Nahrungsmittel eingestuft wird. Sollten bei der Synthese Rückstände in Nanopartikeln zurückbleiben, wären sie also völlig unbedenklich.

Zur eigentlichen Biosynthese werden allerdings nicht die Organismen selbst genutzt, sondern ein sogenanntes „zellfreies Extrakt“. „Wir könnten die Hefezellen selbst die Nanopartikel erzeugen lassen“, meint sie. „Dann hätten wir aber erst wieder das Problem, wie wir die metallische Nanopartikel aus den Zellen herausbekommen und von anderen Stoffen reinigen.“ Deswegen wird die Hefe gezüchtet und dann zum Platzen gebracht. So entsteht eine Lösung, die Colleselli filtriert. „Die enthält dann zwar keine Zellen mehr, aber alle nötigen Stoffe für die Biosynthese. Anschließend wird Silbernitrat beigemischt und für optimale Bedingungen gesorgt, damit die Reaktion stattfindet“, erklärt sie.

Balance-Akt

Sowohl die Effizienz der Biosynthese als auch die Eigenschaften der Nanopartikel wie ihre Größe, Form und Struktur können durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Das beginnt schon mit der Temperatur, bei der das Extrakt erzeugt wird, und der Konzentration des Silbernitrats. Auch die Temperatur während der eigentlichen Synthese hat Einfluss, wobei Colleselli dort vor allem auf Effizienz achtet: „Den Ertrag marginal zu steigern wäre zwar möglich, wenn die Reaktion bei 40 anstatt 30 Grad geschieht“, erklärt sie. „Aber gesamtheitlich betrachtet lohnt es sich nicht, diese Extra-Energie hineinzustecken.“ Und auch Licht spielt eine Rolle: Zwar kann Hefe anders als Algen, mit denen Colleselli ebenso experimentiert, die Partikel auch im Dunkeln synthetisieren. Wird die Lösung aber mit Licht bestrahlt, verändert das die resultierenden Eigenschaften der Partikel ebenso.

Klinisch sauber

Aktuell erzeugt die Biotechnologin winzig kleine Silberkügelchen  - „so klein, dass wir selbst mit unserem Rasterelektronenmikroskop Probleme haben, ein scharfes Bild zu bekommen“, meint sie. Auf die nur wenig mehr als einen Nanometer großen Partikel hat es die Forscherin wegen ihrer antimikrobiellen Eigenschaften abgesehen. „Eingebettet in Membranen oder als Oberflächenbeschichtungen kann Silber mikrobielles Wachstum verringern.“ Dieses Metall ist dabei nur der erste Schritt. In Experimenten mit Algen konnten im Rahmen des Projekts bereits Nanopartikel aus Gold synthetisiert werden. Und auch Kupfer hat Colleselli im Visier.

  • 00011Innovation-Colleselli-MCI-Biosynthese-Nanopartikel-FC-Franz-Oss
    Im Bioreaktor entstehen Nanopartikel im zellfreien Hefextrakt.
  • Nanopartikel Metall filtriert
    Filtriert bilden die metallischen Nanopartikel eine hauchdünne Schicht am Filtermedium.
  • Algen Nanopartikel MCI
    Mittlerweile experimentiert Lucia Colleselli auch mit alpinen Algen zur Erzeugung von Nanopartikeln.

Licht und Algen

Außerdem verfolgt sie zwei weitere vielversprechende Ansätze: „Zum einen ist das Licht unterschiedlicher Wellenlänge“, meint sie. „Ursprünglich haben wir die Synthese bei weißem Licht unter verschiedenen Intensitäten ablaufen lassen.“ Mittlerweile arbeitet sie daran, herauszufinden, wie einfarbiges Licht mit klar definierten Wellenlängen sich auf die Reaktionen auswirkt. Zum anderen bekommt die Bäckerhefe Konkurrenz: Denn auch Algen und insbesondere Arten aus dem Alpenraum, die in großen Höhen leben, verfügen über sehr ausgeprägte Schutzmechanismen. Gerade im hochalpinen Bereich sind sie besonders vielen widrigen Faktoren wie hoher UV-Strahlung und niedrigen Temperaturen ausgesetzt. Das führt zur Entwicklung besonders ausgeklügelter Überlebensstrategien. Um potenzielle Kandidaten aufzuspüren, die über Mechanismen verfügen, um Metall-Ionen zu binden, arbeitet Colleselli mit der Universität Innsbruck zusammen: „Die Sammlung des Instituts für Botanik ist über Jahrzehnte gewachsen und riesen-groß“, weiß sie. „Ich bin mir sicher, dass sich dort die eine oder andere Spezies versteckt, die ganz besondere Fähigkeiten zu bieten hat.“

Skalierbarkeit

Noch ist all das noch Grundlagenforschung. Doch die Resultate sind bereits vielversprechend. Kein Wunder also, dass das Projekt aus einem Konsortium aus Industrie und Wissenschaft besteht. Neben dem MCI und der Universität Innsbruck, die den Projektlead innehat, sowie die Standortagentur Tirol beteiligen sich daran auch Swarovski Optik, das auf Beschichtungen spezialisierte Unternehmen PhysTech und Planlicht daran. Planlicht hat auch die Beleuchtung für den Bio-Reaktor entwickelt, in dem Colleselli die Nano-Partikel synthetisiert. „Praktische Anwendungsbereiche gibt es bereits jetzt viele“, sagt sie. „Und die Biosynthese ist sehr gut skalierbar – auch außerhalb des Labors.“

Lucia-Colleselli

Lucia Colleselli hat Lebensmittel- und Biotechnologie am Innsbrucker MCI studiert und forscht aktuell als Doktorandin zum Thema Biosynthese an der Universität Innsbruck. Am MCI ist sie seit zweieinhalb Jahren als Mitarbeiterin im K-Regioprojekt unter der Leitung von Harald Schöbel am Department Lebensmittel- und Biotechnologie tätig.

08. April 2024 | AutorIn: Daniel Feichtner | Foto: Franz Oss

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