Klimawandel und Energiekrise stellen Wintersportregionen vor Herausforderungen. Beschneiung wird zwar immer nötiger, wird zugleich aber auch immer kostenintensiver. Ein Team an der FH Kufstein Tirol arbeitet deswegen daran, Energiesparpotenziale sichtbar zu machen.
Künstliche Beschneiung ist in vielen Wintersportgebieten mittlerweile unerlässlich, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. „Und in Anbetracht des Klimawandels wird das wohl noch deutlich zunehmen“, ist Sophia Brockschmidt überzeugt. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule Kufstein Tirol leitet ein von der Wirtschaftsförderung des Landes Tirol finanziertes Projekt, mit dem der für technischen Schnee nötige Energie- und Ressourcen-Aufwand optimiert werden soll. „Wir sind überzeugt davon, dass es hier noch große Einsparpotenziale gibt“, erklärt sie. „Aber um herauszufinden, wo Ressourcen geschont werden können, fehlen bislang lokale und aktuelle Daten.“
Praxis-Bezug
Um diese Lücke zu schließen, sollen Skipisten „smart“ werden. Dazu entwickelt Brockschmidt gemeinsam mit ihrem Team seit vergangenem Herbst zwei Prototypen, die als Grundlage für die Errichtung engmaschigerer Messnetze dienen sollen, die in Echtzeit Daten liefern. Dazu holten sich die EntwicklerInnen Unterstützung an Bord: Gitti Weber von Steinbach Alpin, die viel Erfahrung im Bereich der Präparierung von Weltcup-Skirennpisten mitbringt, stand ihnen beratend zur Seite. „Das hat uns Einblicke gegeben, auf welche Informationen es wirklich ankommt und wo wir ansetzen müssen“, meint Brockschmidt.
Schicht um Schicht
Um Entscheidungen über Beschneiungsmaßnahmen zu treffen, ist es in erster Linie wichtig, die Temperatur genau zu kennen – und zwar nicht nur die der Umgebungsluft. „Die Beschaffenheit der Schneedecke hängt auch von den darin herrschenden Temperaturen ab“, erklärt Brockschmidt. „Die können aber von Schicht zu Schicht variieren.“ In den meisten Wintersportgebieten wird das aber bislang nicht erfasst – und selbst wenn, dann nur in stichprobenartigen Messungen. Abhilfe soll eine Mess-Sonde schaffen: Ein Stab, der mit 16 Sensoren versehen ist und an einer für die ForscherInnen relevanten Stelle in den Schnee gesteckt wird und dann im Abstand von 5 Zentimetern die Temperatur in Echtzeit misst.
Mobil und autonom
Zweites System im Bunde ist eine Wetterstation. „Solche Anlagen sind zwar bei vielen Liftstationen und Schneekanonen bereits im Einsatz“, sagt Brockschmidt. „Wir haben aber festgestellt, dass oft nur unzureichend Daten erfasst werden – und vor allem bei weitem nicht immer dort, wo es wichtig wäre.“ Die autonome Station erfasst verschiedenste Messgrößen, von Temperatur über Sonneneinstrahlung, Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit bis hin zu Niederschlagsmengen. Gerade Letzteres war dabei eine besondere Herausforderung. Denn während die Messung von Regen mit am Markt erhältlichen Sensoren umsetzbar ist, mussten die EntwicklerInnen bei Schnee in die Trickkiste greifen. „Wir haben dazu Heizstreifen im Auffanggefäß angebracht, die ab einer Temperatur, bei der wir mit Schnee rechnen, den Niederschlag erwärmen und schmelzen – aber nicht so viel, dass die Daten durch Verdunstung verfälscht werden“, erklärt sie.
Angepasst
Und auch sonst mussten die EntwicklerInnen in die Trickkiste greifen – wobei sie sie dabei bereits Vorwissen mitgebracht haben. „Das ist nicht das erste Projekt, in dem wir an der FH Kufstein sogenannte Internet of Things – kurz IoT – Technologie für den alpinen Raum entwickeln“, meint Brockschmidt. Mit dem Wissen, aus dem mittlerweile auch die Alpine-IoT AG als Spin-Off hervorgegangen ist, hatte das Team also schon einen Vorsprung. Probleme zu lösen gab und gibt es noch immer einige. Die Sensorik muss vor Nässe und Kälte geschützt werden. Dabei helfen unter anderem selbst-entwickelte, 3D-gedruckte Gehäuse. Zur Datenübertragung kommt LoRa, ein energiesparender Langstrecken-Funkstandard, zum Einsatz. Und zumindest vorerst wird die Hardware noch durch Batterien mit Strom versorgt. „Wenn die Sensoren über Monate im Einsatz sind, muss natürlich jedes Bisschen Strom gespart werden“, erklärt Brockschmidt. Längerfristig wären deswegen auch Solar-Paneele eine Option. „Allerdings müssen wir da wieder aufpassen, dass sie keinen Licht- oder Windschatten werfen, die die Messungen verfälschen könnten.“
Die entwickelte Wetterstation erfasst verschiedene Messgrößen, von Temperatur über Sonneneinstrahlung, Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit bis hin zu Niederschlagsmengen.
Gefragtes Werkzeug
Parallel zur Hardware entwickelt Brockschmidts Team ein digitales Dashboard. In der Anwendung sollen die Daten zusammengefasst und übersichtliche präsentiert werden. „Die Entscheidung wann wo und wie beschneit wird, können und wollen wir Pistenbetreibern nicht abnehmen“, meint sie. „Aber mit einem gut ausgebauten Messnetz wären wir in der Lage, ihnen eine fundierte Grundlage dafür zu bieten.“
Dass es Nachfrage nach einem solchen „Komplettpaket“ aus Sensoren und Software gibt und geben wird, steht für die EntwicklerInnen außer Frage – und das nicht nur in Tirol „Der Klimawandel betrifft Wintersportregionen in der ganzen Welt“, weiß Brockschmidt. Energie- und Ressourcenschonung seien bereits jetzt nicht nur relevante Kostenfaktoren, sondern rücke auch immer weiter ins Bewusstsein der Konsumenten. „Einsparpotenziale zu entdecken und zu nutzen ist also nicht nur ein wirtschaftlicher Imperativ, sondern auch ein wichtiger Aspekt, um sich am Markt zu behaupten. Die richtigen Werkzeuge dafür zu haben, kann also zum Wettbewerbsvorteil werden.“
Sophia Brockschmidt ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FH Kufstein Tirol im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen, Smart Products & Solutions / Smart Products & AI-driven Development. Seit Herbst 2024 leitet sie das Forschungsprojekt „Intelligente Skipiste“.