Sport hat die Kraft, soziale Strukturen zu verändern. Die Bewegung „Sport für Entwicklung“ hat sich zum Ziel gesetzt, diese zu nutzen. Wie das funktionieren kann, erforscht das PASS-Projekt unter der Leitung von Professor Louis Moustakas von der FH Kufstein Tirol.
Schon seit der Antike spielt Sport eine entscheidende Rolle in der Gesellschaft. Die Olympischen Spiele im alten Griechenland sind ein frühes Beispiel dafür, wie sportliche Veranstaltungen genutzt wurden, um Menschen zu vereinen, eine gemeinsame Identität zu stärken und politische Entwicklungen anzustoßen. Diese soziale Funktion ist heute aktueller denn je. Auch die Europäische Union hat das Potenzial erkannt und 2011 im „White Paper Sport“ festgehalten, dass Sport ein Instrument zur Förderung von Integration, Bildung und sozialer Gerechtigkeit sein kann.
Mehr als Veranstaltungen
Vor diesem Hintergrund entstand in den darauffolgenden Jahren die Bewegung „Sport und Entwicklung“ (engl.: Sport for Development, SFD). Während sie in Österreich noch in den Kinderschuhen steckt, hat sie in anderen europäischen Ländern bereits Fuß gefasst. Organisationen, die sich dieser Bewegung verschrieben haben, nutzen den Sport, um Menschen unterschiedlicher Herkunft und sozialer Schichten zusammenzubringen, soziale Beziehungen zu fördern und wichtige Lebenskompetenzen zu vermitteln. Doch trotz vieler Erfolge stoßen diese Initiativen oft an Grenzen: Fehlende politische Unterstützung und rechtliche Rahmenbedingungen schmälern die Wirkungskraft vieler Projekte.
Professor Louis Moustakas, Leiter des europäischen PASS-Projekts (Policy Advocacy for sport and society) an der FH Kufstein Tirol, weiß um den Kern des Problems. „Die Maßnahmen im Bereich Sport und Entwicklung sind oft stark auf individuelle Erfolge ausgerichtet“, erklärt er. „Was fehlt, ist ein systematischer Ansatz, der den Sport als wirkungsvollen gesellschaftlichen Akteur etabliert.“ Enge Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträgern und gezielte Lobbyarbeit seien nötig, um die positiven Effekte sportlicher Initiativen nachhaltig zu stärken.
Klein gegen Goliath
Als Beispiel für den fehlenden systemischen Ansatz beschreibt Moustakas ein evaluiertes SFD-Projekt: „Nach Abschluss eines Projekts zur Stärkung der Berufsfähigkeit hatten die Teilnehmenden zwar die notwendigen Fähigkeiten erworben, um in den Berufsalltag einzusteigen, erhielten aber keine Arbeitserlaubnis vom Amt. Die unveränderten rechtlichen Rahmenbedingungen machten die Bemühungen der Organisation zunichte.“ Parallel laufende Gespräche mit EntscheidungsträgerInnen oder auch Gerichtsverfahren, die durch ihr mediales Echo auf soziale Ungleichheiten aufmerksam machen, könnten dem Abhilfe schaffen, weiß Moustakas. Viele der Organisationen seien jedoch sehr klein und hätten weder den Zugang noch das Wissen, um auf dieser Ebene aktiv zu werden. Um diese Lücke zu schließen, wurde das PASS-Projekt ins Leben gerufen.
Europaweite Zusammenarbeit
Gemeinsam mit rund 20 ForscherInnen unter anderem von der Deutschen Sporthochschule Köln, der Munster Technological University in Irland sowie verschiedenen internationalen Sportsozialorganisationen startete das PASS-Projekt im Jänner 2024 mit einer europaweiten Evaluation. Ziel der noch laufenden Erhebung ist es, den Status quo der politischen Interessenvertretung im SFD-Sektor zu erfassen und bestehende Lücken und Bedarfe zu identifizieren.
„Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wird dann eine Online-Lernplattform entwickelt, die Organisationen im SFD-Sektor mit Materialien, Richtlinien und Werkzeugen unterstützt, um sich politisch zu engagieren und die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit zu verbessern“, beschreibt Moustakas. Ein übergeordnetes Ziel des PASS-Projekts ist es auch, das allgemeine Bewusstsein für die Notwendigkeit eines politischen Ansatzes im SFD-Bereich zu schärfen. „Wir wollen dazu beitragen, die Idee zu verbreiten, dass ein politischer Ansatz einen großen Unterschied machen kann.“
Dr. Louis Moustakas ist seit Anfang 2024 Professor für Sportmanagement und Sportsoziologie an der FH Kufstein Tirol und leitet seither das dreijährige europäische Forschungsprojekt PASS (Policy Advocacy for sport and society).