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Astrophysik

Von den Kleinsten lernen

Die Magellanschen Wolken sind zwei von rund 60 Zwerggalaxien in relativer Nähe zur Milchstraße.
Astrophysik

Von den Kleinsten lernen

Die Magellanschen Wolken sind zwei von rund 60 Zwerggalaxien in relativer Nähe zur Milchstraße.

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Zwerggalaxien zählen zu den häufigsten Strukturen im Universum. Sie sind klein, licht-arm und oft beinahe durchsichtig. Das macht es schwer, sie zu entdecken. Doch der Aufwand lohnt sich. Denn sie verraten Astrophysikerin Francine Marleau von der Universität Innsbruck viel über die Vergangenheit und ein wenig über die Zukunft des Universums.

Im kosmologischen Maßstab tragen Zwerggalaxien ihren Namen zurecht. Mit maximal 10.000 Lichtjahren beträgt ihr Durchmesser höchstens ein Zehntel dessen unserer Milchstraße, die selbst zu den kleineren Galaxien zählt. Weil Materie in den kleinen Giganten so dünn gesät ist, sind sie außerdem nicht nur oft nahezu durchsichtig, sondern auch sehr licht-arm. Sie strahlen gerade mal mit einem Hundertstel bis zu einem Zehntausendstel der Intensität unserer Heimatgalaxie. „Zugleich ist das Universum voll von ihnen“, erklärt Francine Marleau, Professorin am Institut für Astro- und Teilchenphysik, die unter anderem mit ihrer Forschungsgruppe an der EUCLID-Mission der Europäischen Raumfahrtagentur ESA beteiligt ist. „Alleine um die Milchstraße finden wir zumindest 60 von ihnen.“ Zwerggalaxien sind einer ihrer Forschungsschwerpunkte – und das nicht ohne Grund. „Sie sind nicht nur sehr alt und beheimaten einige der ältesten Sterne des Universums. Nach unserem aktuellen Verständnis sind sie auch grundlegende Bausteine, aus denen sich große Galaxien gebildet haben und noch immer bilden.“

Anziehend

Verantwortlich dafür ist ein Schneeball-Effekt: Kollidieren zwei Zwerggalaxien, kombiniert sich ihre Masse – und damit auch ihre Anziehungskraft. So können sie weitere ihrer kleinen Nachbarn an sich binden und Stück für Stück größere Galaxien formieren, bis hin zu Super-Clustern mit Durchmessern von bis zu drei Milliarden Lichtjahren. Dadurch bieten die Zwerge nicht nur ein Fenster in die Vergangenheit des Weltalls: „Sie helfen uns auch, die Mechanismen zu verstehen, wie sich Materie im Universum verhält, wie sie sich bewegt und interagiert“, meint die Astrophysikerin. „Daraus können wir lernen, wie sich Strukturen gebildet haben – und berechnen, wie sie sich weiter bilden werden. Wir können mit diesem Wissen also auch ein klein wenig in die Zukunft schauen.“

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Düstere Zwerge

Und es gibt noch eine weitere Eigenschaft der kleinen Galaxien, die sie für die Astrophysik besonders interessant macht: In ihnen ist der Anteil dunkler Materie, die noch immer kaum verstanden ist, besonders hoch. Beobachten die AstrophysikerInnen die sichtbaren Sterne von Zwerggalaxien, wenn sie verschmelzen oder von größeren Nachbarn geschluckt werden, können sie daraus schließen, wie sich die nicht sichtbare Materie verhält. „Die Sterne sind gewissermaßen Leuchtfeuer inmitten der Materie, die wir nicht sehen können“, veranschaulicht Marleau. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind besonders interessant, weil dunkle Materie ein wichtiger Faktor in der sogenannten Störungstheorie ist. Sie beschreibt unter anderem, wie sich Materie in den Anfängen des Universums kurz nach dem Urknall verhalten und sich zu Strukturen formiert hat, die heute Sterne, Systeme und Galaxien bilden.

Viele Nadeln im Heuhaufen

Zwerggalaxien aufzuspüren ist eine Herausforderung. „Weil sie so klein sind und so schwach strahlen, können wir sie nur in unserer relativ nahen Umgebung von etwa 500 Millionen Lichtjahren beobachten“, erklärt Marleau. Doch weil sie so zahlreich sind, gibt es dennoch viel zu entdecken. Grundsätzlich gehen die AstrophysikerInnen dabei wie bei den meisten anderen Gebilden im Weltall vor: Sie suchen auf Teleskopaufnahmen nach Strukturen, die ganz bestimmte Eigenschaften mitbringen. „Dabei achten wir vor allem auf das Licht“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Zwerggalaxien leuchten sehr schwach in sehr spezifischen Farben und sehr gleichmäßig, während große Galaxien zum Zentrum hin heller werden.“ Verräterisch sind außerdem sogenannte Kugelsternhaufen – kugelförmige Ansammlungen von Sternen, die sich häufig im Umfeld von Zwerggalaxien finden. „Die helfen uns dabei, sogar ‚dunkle Zwerggalaxien‘ aufzuspüren, die fast gar nicht strahlen und nahezu nur aus dunkler Materie bestehen“, meint Marleau. „Wenn wir eine auffällige Ansammlung von Kugelsternhaufen entdecken, können wir daraus oft schließen, dass sich zwischen ihnen eine dunkle Galaxie versteckt.“

Maschinelle Unterstützung

Dank moderner Instrumente stehen heute mehr Daten zur Verfügung denn je. Alleine in der EUCLID-Mission werden aktuell hochauflösende Aufnahmen von rund einem Drittel des gesamten Nachthimmels erstellt. „Dabei haben wir es mit vielen Terabyte an Daten zu tun“, sagt sie. „Diese alle zu sichten wäre nahezu unmöglich.“ Deswegen bauen die WissenschaftlerInnen auch auf maschinelles Lernen. Mit den für Zwerggalaxien typischen Merkmalen gefüttert macht sich erst eine künstliche Intelligenz auf die Suche nach potenziellen Kandidaten und leistet so Vorarbeit, bevor ihre menschlichen KollegInnen die Aufnahmen analysieren. Diese Methode wird im Rahmen von EUCLID gerade erprobt und entwickelt. „Dazu benutzen wir die Daten von bereits analysierten Zwerggalaxien, um die KI zu trainieren“, erzählt Marleau, die aktuell an der ersten Auswertung der Mission arbeitet. Und der nächste Meilenstein steht schon knapp bevor: „Die ersten Ergebnisse des Euclid Quick Data Release 1 (Q1) werden wir schon diesen März nach knapp zwei Jahren Laufzeit präsentieren können.“

Marleau-Francine

Francine Marleau ist Astrophysikerin am Institut für Astro- und Teilchenphysik an der Universität Innsbruck. Die gebürtige Kanadierin ist Spezialistin für astronomische Instrumente und hat bereits an mehreren Raummissionen, darunter auch die aktuelle EUCLID-Mission der ESA mitgearbeitet.

11. März 2025 | AutorIn: Daniel Feichtner | Foto: Shutterstock

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