Wie oft wird ein Minister eigentlich angerufen – und wie häufig um einen Gefallen gebeten? Wir haben Norbert Totschnig zum Interview getroffen und jene Fragen gestellt, die man einem Bundesminister schon immer stellen wollte.
Herr Totschnig, wenn ich 10 Jahre alt wäre: Wie würden Sie mir die Herausforderungen erklären, vor denen die Landwirtschaft in Tirol und Österreich gerade steht?
Norbert Totschnig: Die Landwirtschaft spielt in unserem Land – genauso wie in vielen anderen – eine wesentliche Rolle, weil sie uns mit Lebensmitteln versorgt, die wir täglich brauchen: zum Beispiel mit Milch, Fleisch, Gemüse oder Eiern. Eine große Aufgabe besteht darin, dafür zu sorgen, dass alle Menschen genug zu essen haben.
Ein weiteres zentrales Thema ist das sich verändernde Klima. Es regnet nicht mehr so regelmäßig, oft bleibt der Regen wochenlang aus, und Unwetter wie Stürme oder heftige Regenfälle werden immer häufiger. Die Bäuerinnen und Bauern müssen lernen, damit umzugehen und ihre Produktion an die neuen Bedingungen anzupassen.
Außerdem müssen wir sicherstellen, dass wir im internationalen Vergleich konkurrenzfähig bleiben. Dafür sind eine stabile Struktur und eine gute Vermarktung notwendig, damit auch die kleineren Höfe in Tirol und Österreich eine faire Chance haben.
Sie sind selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen. Mussten Sie dort auch selbst anpacken? Was hat Ihnen besonders Spaß gemacht?
Ich bin in einer großen Bauernfamilie in Tristach bei Lienz aufgewachsen. Bei uns war es ganz normal, dass alle mit anpacken – ob auf dem Acker, im Stall oder oben auf der Alm. Jeder hatte seine Aufgaben, und dieses Miteinander hat mich früh geprägt. Schon als Kind habe ich verstanden, wie wichtig Zusammenhalt und tatkräftiges Zupacken sind – darauf bin ich bis heute stolz. Wenn ich eine Aufgabe sehe, gehe ich sie sofort an und helfe, wo immer ich kann.
Gleichzeitig habe ich in dieser Zeit auch gelernt, im Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten zu arbeiten, damit ein Betrieb langfristig erfolgreich bleibt.
Welche Hilfe hätten Sie sich damals von der Politik gewünscht?
Damals war ich noch ein Kind und wollte vor allem, dass die Arbeit schnell erledigt wird. Aber mit der Zeit habe ich auch gemerkt: Je besser die Land- und Agrartechnik wurde, desto effizienter konnten wir unsere Felder bewirtschaften.
Deshalb ist es wichtig, dass die Agrarpolitik gute Rahmenbedingungen schafft. Es geht nicht nur um steuerliche Aspekte, sondern auch darum, dass man seine Produkte sinnvoll verarbeiten und vermarkten kann – und dass zusätzliche Leistungen auch angemessen vergütet werden.
Gerade in Bergregionen ist das ein großes Thema. Hier wird viel für den Umwelt- und Klimaschutz geleistet, und es stellt eine beträchtliche Mehrarbeit dar, die entsprechend honoriert werden muss. Andernfalls wird die Umsetzung dieser Maßnahmen auf Dauer nicht möglich sein.
Jetzt aber sind Sie Minister: Ob WhatsApp-Nachrichten, SMS oder Anruf… Wie oft klingelt Ihr Handy im Schnitt pro Tag?
Puh, das ist gar nicht so leicht zu sagen, weil ich natürlich nicht mitzähle. Eines steht aber fest: Ich habe in meinem Berufsleben gelernt, serviceorientiert zu arbeiten. Wenn jemand schreibt oder anruft, dann antworte ich – so oft und schnell es eben geht. Dieser Gedanke von Erreichbarkeit und Verlässlichkeit zieht sich bis heute durch meine Arbeit.
Wenn es kein Budget-Limit geben würde, was wäre Ihre erste Handlung?
Da ich einmal im Finanzministerium tätig war, wage ich es gar nicht erst, von so etwas zu träumen. Mein Ansatz – und ich denke, er passt gut zu meiner neuen Verantwortung – ist, ressourcenschonend, sparsam und nachhaltig zu wirtschaften. Das ist meiner Meinung nach der wichtigste Zugang, den wir heute brauchen. Angesichts knapper finanzieller Mittel und der wachsenden Sensibilität für die Natur, nicht unendlich verfügbarer Ressourcen und des Umgangs mit Wasser müssen wir sorgfältig mit dem umgehen, was wir haben. Ich glaube, dieser verantwortungsvolle Umgang ist jetzt besonders entscheidend.
Seien Sie ehrlich: Wurde Ihnen die Klimapolitik eher umgehängt? Wie glaubwürdig werden Sie einerseits vor KlimaschützerInnen, andererseits vor Bauern ihre politischen Agenden vertreten können und sehen Sie da womöglich auch Überschneidungen?
Die Umweltpolitik war neben der Agrarpolitik immer mein zweites Steckenpferd. Seit 2011 habe ich beide Themen im Parlament betreut, und in allen meinen bisherigen Positionen waren sie stets zentral. Deshalb ist Klimapolitik für mich nichts Neues, und ich freue mich sehr, jetzt auch offiziell diese Zuständigkeit zu übernehmen. Umweltschutz, Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft und Naturschutz – das sind alles Themen, mit denen ich mich schon lange intensiv beschäftige. Natürlich weiß ich auch, wie viel Verantwortung das mit sich bringt, besonders in Zeiten des Klimawandels. Viele der aktuellen Gesetze haben Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Standort, da müssen wir besonders gut abwägen, wie wir es richtig angehen.
Sie müssen sich mit vielen Dingen rumschlagen als Bundesminister. Welche Aufgabe oder Tätigkeitsbereich überrascht Sie immer noch?
Ich glaube, entscheidend in dieser Position ist: Überraschungen gehören irgendwann zur Routine. Man lernt, damit umzugehen – mit Erfahrung und einem klaren Blick nach vorn. Wenn wir über Zukunft sprechen, denken wir immer in verschiedenen Szenarien.
Natürlich gibt’s trotzdem Situationen, mit denen man nicht gerechnet hat. Aber genau dafür muss man gewappnet sein – sei es bei Krisen, Naturkatastrophen oder Seuchen. Gerade in Bereichen wie Wasserwirtschaft, Hochwasserschutz, Wildbach- und Lawinenverbau braucht es gute Vorbereitung. Auch das landwirtschaftliche Versicherungssystem muss so aufgestellt sein, dass man bei unvorhersehbaren Ereignissen nicht ins Schleudern kommt. Vorausschauendes Planen ist da das A und O.
Bitte geben Sie zu den folgenden vier Begriffe ein kurzes Statement ab:
Klimabonus: Aufgrund der wirtschaftlichen und budgetären Situation mussten wir sparen – deshalb wurde der Klimabonus abgeschafft, auch weil er in seiner bisherigen Form nicht treffsicher genug war.
CO2-Bepreisung: Die CO2-Bepreisung ist absolut wichtig und richtig – unterm Strich haben wir mit der Ökosozialen-Steuerreform sogar mehr entlastet, als die Abgabe kostet.
Renaturierungsgesetz: Das Renaturierungsgesetz ist ein riesiges Vorhaben, bei dem noch einiges unklar ist und das sowohl für die Bundesländer als auch für den Bund herausfordernd ist – wir wollen es so umsetzen, dass es für alle Beteiligten machbar und auch bezahlbar bleibt.
Mercosur-Abkommen: Die Bundesregierung ist klar positioniert und durch einen Beschluss des Nationalrates gebunden, einem Mercosur-Abkommen in der derzeitigen Form nicht zuzustimmen.
Wie häufig werden Sie um einen Gefallen gebeten?
Tatsächlich ziemlich oft. In so einer Position wird man eigentlich ständig um irgendwas gebeten – und das ist auch gut so. Wenn das nicht mehr der Fall wäre, würde man wahrscheinlich etwas falsch machen.
Die wichtigere Frage ist dann: Worum geht’s genau? Und dann wird ganz klar geprüft, was möglich ist und was nicht. Ich lege großen Wert darauf, sauber und transparent zu arbeiten – das ist für mich zentral.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Norbert Totschnig wuchs gemeinsam mit sechs Geschwistern auf dem Brunnerhof in Tristach auf. Nach der Fachschule für Maschinen- und Werkzeugbau in Lienz und der Matura an der HTBLV für Fertigungsautomatisierung in Bregenz schloss er das Studium der Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck ab. Seit 2022 leitet er das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft.