In den vergangenen Jahren häuften sich Berichte über eingefrorene PayPal-Konten, undurchsichtige Gebühren und unklare Käuferschutzfälle. Besonders in Europa, wo viele Zahlungsdienstleister außerhalb der USA dominieren, wächst das Bedürfnis nach einer souveränen, bankengetragenen Alternative.
Wero, der neue Payment-Dienst der „European Payments Initiative“ (EPI), soll genau diese Rolle einnehmen. Doch bislang ist er noch kaum nutzbar – und ob er wirklich ein verlässlicher Ersatz für PayPal werden kann, hängt von mehreren Hürden ab.
Warum ist PayPal für viele Nutzer:innen ein Risiko?
PayPal genießt zwar hohe Bekanntheit und weitgehende Verbreitung, doch der Dienst ist mehrfach kritisiert worden:
- Kontosperrungen und Rückbuchungen
Immer wieder berichten Nutzer:innen, dass PayPal Konten „vorsorglich“ sperrt oder Einzahlungen einfriert – etwa zur Betrugsprävention oder bei Unstimmigkeiten. Solche Maßnahmen können für Privatpersonen und insbesondere für kleine Online-Händler existenzbedrohend sein. - Hohe Gebühren im Geschäftsverkehr
Für Händler liegen die Gebühren im EU-Raum oft bei rund 2,99 % + fixe Gebühr pro Transaktion (Stand 2025) – ein beträchtlicher Kostenfaktor insbesondere bei kleinen Margen. - Undurchsichtiger Käuferschutz
Der Käuferschutz von PayPal wird in Verbraucherforen und Beratungsstellen häufig als problematisch kritisiert – Ansprüche werden abgelehnt, Ablehnungen kaum erklärt, und Rückabwicklungen dauern oft lange. - Abhängigkeit von amerikanischen Systemen
PayPal und viele andere große Zahlungsdienstleister haben ihren Sitz in den USA. Damit fließen Daten über Nutzer:innen oft in US‑Infrastrukturen – ein Risiko für digitale Souveränität in Europa.
Diese Schwächen haben viele in Europa nach Alternativen suchen lassen – und in Wero steckt die Hoffnung auf ein europäisch kontrolliertes Gegenstück.
Was ist Wero – und worin liegt das Potenzial?
Wero („we + euro“; auch als Anspielung auf „vero“ = wahr) ist ein gemeinschaftliches Projekt europäischer Banken, getragen von der European Payments Initiative (EPI).
Kernfunktionen, wie sie aktuell verfügbar sind:
- Geld senden und empfangen direkt von Konto zu Konto, in unter 10 Sekunden (Echtzeitüberweisung)
- Nutzung über Mobiltelefon / Banking-App – statt IBAN genügt oft Handynummer oder E-Mail-Adresse
- Derzeit in Deutschland, Frankreich und Belgien im Einsatz; weitere Länder wie Luxemburg und die Niederlande sind für 2026 geplant
- Geplante Erweiterungen: Bezahlung in Onlineshops (ab Herbst 2025 zunächst in Deutschland) und später im stationären Handel (ab 2026)
- Verbraucher- und Händlerschutz werden als integrale Bestandteile angekündigt (Dispute-Mechanismen, Rückabwicklungen)
- Kostenvorteile: Die „Disagio“-Gebühr, die Händler zahlen, soll geringer sein als bei PayPal – einzelne Banken berichten z. B. von 0,65 % ohne fixe Beträge
In Deutschland etwa hat die Sparkasse in ihrer App bereits Wero-Funktionen integriert, und die Volks- und Raiffeisenbanken werben mit „Geld in unter 10 Sekunden ohne Drittanbieter“.
Wero will damit nicht nur Konkurrenz zu PayPal darstellen, sondern auch zu etablierten lokalen Lösungen wie Giropay, Paylib, iDEAL etc.
Wichtige Limitierungen & Herausforderungen (Stand heute)
So verheißungsvoll der Ansatz von Wero auch klingt – der Dienst steht vor bedeutenden Hürden.
- Begrenzte Verfügbarkeit / Bankteilnahme
Du kannst Wero nur nutzen, wenn deine Bank den Dienst anbietet — und derzeit ist das in vielen Ländern (auch in Österreich) noch nicht der Fall. - Begrenzte Funktionen aktuell
- Bislang ist Wero vor allem für „Person-zu-Person“-Zahlungen gedacht, nicht aber für Online-Shops oder Händler. Der Ausbau zu vollständigen E-Commerce‑Zahlungen ist erst ab Herbst 2025 vorgesehen — und sogar dort zunächst in Deutschland.
Der stationäre Zahlungsmodus (z. B. via NFC) wird erst 2026 erwartet. - Netzwerkeffekt & Akzeptanz
Ein Zahlungsdienst lebt von der Breite seiner Akzeptanz – sowohl bei Nutzer:innen als auch Händlern. Bislang ist Wero noch wenig bekannt: In Umfragen erinnerte sich laut Verivox (Stand August 2025) nur ein kleiner Teil der Befragten daran, jemals von Wero gehört zu haben. - Zeitlicher Rollout & Konkurrenzdruck
Der Wettbewerb ist stark – etablierte Anbieter wie Apple Pay, Google Pay, Stripe oder klassische Kartenlösungen bleiben mächtig. Wero muss schnell mit Mehrwert und Zuverlässigkeit überzeugen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. - Regulatorische & technische Integration
Die Harmonisierung von Zahlungslösungen über nationale Grenzen hinweg ist technisch komplex und regulatorisch sensibel (Datenschutz, Zahlungsdiensterichtlinien etc.).
Lohnt sich Wero – und was bedeutet das für Österreich / DACH?
Für Nutzer:innen in Deutschland ist Wero bereits interessant – insbesondere wenn ihre Bank mitmacht. Für Österreich oder Tirol gilt allerdings: bislang gibt es (Stand Oktober 2025) keine verlässliche Indikation, dass Wero hier schon angeboten wird.
Das bedeutet:
- Wenn du in Österreich ein Girokonto bei einer Bank hast, wird Wero wahrscheinlich vorerst nicht nutzbar sein.
- Solange Wero nicht breit in der DACH-Region eingeführt ist, bleibt PayPal (trotz seiner Makel) oder andere Alternativen (Wise, Revolut, Stripe) relevant.
Doch gerade aus der Perspektive eines überzeugt europäischen Zahlungsdienstes ist Wero ein spannendes Projekt. Wenn mehr Banken beitreten und Händler den Dienst integrieren, kann Wero zu einer echten Alternative werden — besonders für Nutzer:innen, die Wert legen auf digitale Souveränität und geringere Gebühren im europäischen Kontext.
Fazit & Ausblick
Ja: PayPal bietet Komfort und Verbreitung – doch man kann ihm nicht blind vertrauen. Sperrungen, Gebührenfallen und Abhängigkeit von US-Infrastrukturen sind reale Schwachstellen. Wero dagegen zielt auf eine europäische Lösung mit niedrigeren Kosten, Echtzeitüberweisungen und Bankensteuerung. Doch aktuell ist Wero nur in Teilen Europas nutzbar und auf einfache Zahlungsszenarien beschränkt.
Für den Leser in Mitteleuropa heißt das: Wero ist eine Vision, kein voll nutzbarer Ersatz – zumindest noch nicht. Der Erfolg wird davon abhängen, wie schnell und breit die Integration in Banken und Onlinehändler gelingt. Sobald Wero in Österreich oder DACH-Region ankommt und Online-/Point-of-Sale-Zahlungen möglich sind, lohnt es sich, umzusteigen.