Anlässlich des Weltspartags stellen sich viele die Frage, wie es um den eigenen Umgang mit Geld steht. Stefan Humer von der Österreichischen Nationalbank erklärt, wo er die größten Defizite sieht, welche Fähigkeiten wirklich wichtig sind und in welchem Alter man mit Finanzbildung anfangen sollte.
Welche grundlegenden finanziellen Fähigkeiten sollte jede Person beherrschen, um verantwortungsvoll mit Geld umgehen zu können?
Grundlegend ist ein Verständnis dafür, wie Geld das eigene Leben und gesellschaftliche Zusammenhänge prägt. Dazu gehört, Einnahmen und Ausgaben im Blick zu behalten, finanzielle Ziele zu setzen und Entscheidungen nicht nur kurzfristig, sondern auch im Hinblick auf langfristiges finanzielles Wohlbefinden zu treffen. Wichtig ist außerdem, Risiken zu erkennen – etwa bei Krediten, Versicherungen oder digitalen Finanzprodukten – und Angebote kritisch zu hinterfragen sowie zu wissen, wo man sich verlässlichen Rat und Unterstützung holen kann. Finanzielle Bildung bedeutet letztlich, souverän und mit gutem Gefühl mit Geld umzugehen und nachhaltige Entscheidungen zu treffen, die zu den eigenen Werten und Lebenszielen passen.
Wo sehen Sie die größten Defizite bei Erwachsenen, wenn es um Finanzbildung geht und welche Folgen kann das für das persönliche Leben haben?
Im internationalen Vergleich liegen die Österreicherinnen und Österreicher nicht schlecht. Viele Erwachsene verfügen über ein solides Grundwissen, wenden es im Alltag jedoch kaum an. Es fehlt oft an Motivation, Selbstvertrauen, langfristiger Orientierung oder an einem systematischen Überblick über die eigenen Finanzen. Zudem erschweren komplexe Produkte und eine teilweise überbordende Informationsflut den Transfer von Wissen in konkretes Handeln. Die Folge ist, dass finanzielle Entscheidungen häufig reaktiv und nicht vorausschauend getroffen werden – etwa beim Konsum auf Kredit, bei fehlender Absicherung oder unzureichender Vorsorge. Dadurch bleiben auch Chancen ungenützt, die gut entwickelte Kapitalmärkte insbesondere bei längerem Veranlagungshorizont bieten könnten.
Ab welchem Alter ist es sinnvoll, mit Finanzbildung zu starten, und warum?
Am besten so früh wie möglich – sobald Kinder beginnen, den Wert von Dingen zu vergleichen oder Taschengeld zu bekommen. Wenn Eltern schon von klein auf mit ihren Kindern über Geld sprechen, Entscheidungen erklären und Verantwortung im geschützten Rahmen teilen, legen sie das Fundament für finanzielle Selbstständigkeit. Bereits im Kindergartenalter lassen sich Grundprinzipien wie „nicht alles auf einmal ausgeben“ oder „für etwas sparen“ spielerisch vermitteln. Später geht es darum, Zusammenhänge zu verstehen – etwa wie Geld verdient wird, welche Funktionen Banken haben oder was Zinsen bedeuten. Finanzbildung ist ein lebenslanger Lernprozess, der an reale Erfahrungen anknüpfen sollte – vom ersten Taschengeld über den ersten Job bis zu größeren finanziellen Entscheidungen im Erwachsenenalter.
Welche konkreten Methoden eignen sich, um Kindern und Jugendlichen den Wert von Geld, Sparen und Budgetplanung näherzubringen?
Erfahrungsorientiertes Lernen wirkt am stärksten. Kinder und Jugendliche sollten selbst erleben, wie Geld und Entscheidungen zusammenhängen – durch Taschengeld, kleine Projekte, Simulationen oder digitale Lernspiele. Auch Rollenspiele oder Workshops, die Alltagssituationen nachstellen – etwa Einkaufen, Haushaltsplanung oder Investitionsentscheidungen – fördern Verständnis und Verantwortungsbewusstsein. Wichtig ist, dass der Unterricht lebensnah und dialogorientiert gestaltet wird. Jugendliche sollten Gelegenheit haben, über Konsum, Werbung oder digitale Finanztrends zu reflektieren – also über Themen, die sie unmittelbar betreffen. Auf unserer Website bieten wir eine breite Palette an analogen und digitalen Lernmaterialien für Zuhause und die Schule an – kostenlos, aber nicht umsonst.
Welche Rolle übernehmen Institutionen wie die Nationalbank, Schulen oder andere Organisationen bei der Förderung von Finanzkompetenz?
Finanzielle Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Schulen legen die Basis, indem sie neben den elementaren Grundfertigkeiten – Lesen und Rechnen – auch Wissen und Reflexionsfähigkeit vermitteln. Institutionen wie die Oesterreichische Nationalbank tragen dazu bei, ökonomische Zusammenhänge verständlich zu machen, Orientierung zu bieten und vertrauenswürdige Lernangebote bereitzustellen – etwa über Workshops, das gemeinsam mit dem Finanzministerium entwickelte Finanzbildungsportal finanznavi.gv.at oder Initiativen im Rahmen der Nationalen Finanzbildungsstrategie. Entscheidend ist, dass alle Akteure – von Ministerien über Bildungsinstitutionen bis hin zu zivilgesellschaftlichen Organisationen – zusammenarbeiten. Ziel ist ein inklusives Finanzbildungssystem, das Menschen befähigt, informierte, verantwortungsvolle und nachhaltige finanzielle Entscheidungen zu treffen.
Vielen Dank fürs Gespräch.
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Zur Person
Stefan Humer ist Gruppenleiter für Finanzbildung der Österreichischen Nationalbank und vertritt Österreich im „OECD International Network on Financial Education“ (INFE).