Schon 2010 hatte China gezeigt, wie es seinem Stellung als globaler Lieferant strategisch Nachdruck verleihen kann: Damals verhängte Beijing Exportbeschränkungen für Seltene Erden gegen Japan, nachdem ein politischer Zwischenfall eskalierte.
Damals war der Schritt als Warnsignal gedacht – und sorgte zugleich für große Empörung in den Industrienationen.
Doch was sich heute vollzieht, ist kein bloßer Rückgriff auf alte Taktiken. Im Oktober 2025 gab Chinas Handelsministerium bekannt, dass die Liste der kontrollierten Elemente erweitert wurde – von zunächst sieben auf zwölf seltene Erden –, und dass künftig nicht nur die Metalle selbst, sondern auch Technologien zur Verarbeitung, Recycling sowie magnetische Bauelemente einer Lizenzkontrolle unterliegen.
Dabei drängt Beijing die Kontrollmechanismen über nationale Grenzen: Auch ausländische Unternehmen, die chinesische Seltene Erden nutzen, sollen künftig staatliche Genehmigungen einholen müssen, wenn ihre Produkte exportiert werden.
Der Vorwand: nationale Sicherheit. Seltene Erden und verwandte Technologien gelten als „Dual-Use-Güter“ – sowohl in zivilen Anwendungen (E-Autos, Windkraft, Elektronik) als auch in militärischen Systemen (Radar, Raketen, Avionik).
Mehr als nur ein Schlagabtausch der Wirtschaft
Für Beobachter in Washington ist der neue Schritt kein Wunder: In den letzten Monaten hatten die USA bereits Sanktionen und Exportbeschränkungen gegenüber China ausgeweitet; Peking reagiert nun mit einem vorbeugenden Gegenschlag.
Doch anders als früher steht dieses Mal mehr auf dem Spiel: Die globalen Technologien sind stärker verflochten, und die Abhängigkeit der US-Verteidigungsindustrie von bestimmten seltenen Metallen ist akuter denn je.
Analyst:innen warnen, dass die Auswirkungen weit über die US-Chinesische Rivalität hinaus reichen. Die USA dürften nur sehr schwer kurzfristig alternative Versorgungsketten aufbauen – insbesondere für sogenannte „Heavy Rare Earths“ wie Dysprosium oder Terbium, deren Verarbeitung China bis heute dominiert.
Zwar treiben Länder wie Australien, Japan oder europäische Staaten Projekte voran, um ihre eigene Produktion und Aufbereitung zu stärken. Doch viele dieser Vorhaben befinden sich noch im Pilotstadium – und die Kapital- wie Zeitinvestitionen sind enorm.
Europa in der Zwickmühle
Während China seinen Griff auf Rohstoffe und Technologien verstärkt, bleibt Europa ein stiller Zuschauer – zumindest bislang. Auf diplomatischer Bühne wies Chinas Außenminister Wang Yi europäische Sorgen zurück und bezeichnete die neuen Regelungen als „normale Exportkontrolle für Dual-Use-Güter“; er versicherte zugleich, dass legitime Exporte nach rechtzeitiger Beantragung weiterhin möglich seien.
Doch Brüssel und Berlin äußerten sichtlich Besorgnis: Deutschlands Außenminister sprach von einer „vertrauenspolitischen Belastung“, und Vertreter Europas forderten von China, „verlässlich und transparent“ zu handeln.
Interessanterweise versucht Deutschland, sich diplomatisch zwischen die Fronten zu bewegen: Bundeskanzler Merz begrüßte in den vergangenen Monaten ein bilaterales Zwischenabkommen zwischen USA und China zur Lockerung der Exportbeschränkungen – mit der Hoffnung, dass ähnliche Schritte auch für Europa möglich werden.
Wer gewinnt, wer verliert – und wer zahlt?
Betrachtet man die Ausgangslage nüchtern, fällt ein Muster ins Auge: China hält das Monopol, die USA sind in Drillbohrung und Verarbeitung schwach, und Europa ist bis jetzt kaum vorbereitet. Ein aktuelles Forschungsprojekt zeigt, dass gerade im mittleren Segment der Wertschöpfung – also bei Komponenten und Inputprodukten – die Abhängigkeit am höchsten ist.
Die möglichen Folgen sind gravierend: Lieferengpässe, Preissprünge und Verzögerungen in Schlüsselindustrien (Autobau, Elektrotechnik, Verteidigung) drohen. Gleichzeitig könnten Staaten, die rasch unabhängige Lieferketten aufbauen, strategischen Vorsprung gewinnen.
Aber: Ein zu direkter Konfrontationskurs birgt auch Risiken für China selbst. Wenn Abnehmerländer – allen voran die USA oder die EU – massiv in eigene Kapazitäten investieren und Diversifikationsstrategien forcieren, könnte Beijings Hebelwirkung langfristig erodieren.
Fazit: kein harter Schlag – sondern ein komplexer Ansatz
Dieser neue Schritt Chinas ist mehr als ein diplomatischer Schachzug – er ist Teil einer langfristigen Strategie: Ressourcenhoheit, technologische Dominanz und geopolitischer Einfluss als untrennbare Größen. Der Unterschied zu früheren Exportbeschränkungen liegt nicht in der Idee, sondern in der systematischen Vielschichtigkeit: Metalle, Technologien, Verarbeitung – alles gerät unter staatliche Kontrolle.
Für die USA ist das eine Herausforderung, für Europa eine Warnung. Wer sich seiner Abhängigkeit bewusst wird, hat jetzt die Chance, alternative Lieferketten zu formen – bevor der nächste Konflikt um Seltene Erden beginnt.