In den letzten 112 Jahren hat sich die Pirlo Gruppe von einem lokalen Dosen-Produzenten zum österreichischen Marktführer in der Herstellung von Metall- und Plastikverpackungen entwickelt. Im Interview spricht Geschäftsführer Wolfgang Schauer über die Stärken des Unternehmens und welche Lehren er aus den Erfahrungen der letzten drei Monate zieht.
Was sind die Stärken der Pirlo Gruppe?
Wolfgang Schauer: Wir sind ein Nischenplayer, ein Spezialist in der Herstellung von Metall- und Kunststoffverpackungen und machen 95 Prozent unseres Umsatzes mit Verpackungen aus Metall und fünf Prozent mit Kunststoff. Die Pirlo Gruppe stellt Verpackungen her, die andere nicht herstellen wollen oder aus technischen Gründen nicht produzieren können. Das macht unser Spezialistentum aus. Wir exportieren weltweit in 40 Länder und verfügen über einzigartiges technisches Know-how.
Wie hat sich ihr beruflicher Alltag seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie verändert?
Mein täglicher Arbeitsalltag war geprägt von Krisenmanagement, transparenter Kommunikation und Präsenz im Unternehmen. Man musste sehr nah bei den Mitarbeitern sein. Das war sicher einer der entscheidenden Faktoren unseres Erfolgs. Man muss in einer Krise den Mitarbeitern erklären können, was man tut, und sie entsprechend führen. Sie müssen das Gefühl haben, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden, um ihre Gesundheit und ihre Arbeitsplätze zu schützen. Information und Kommunikation sind hierbei essentiell. Man muss sich als Führungskraft zeigen und kann sich in einer derart angespannten Lage, wo es ja um die persönliche Gesundheit und Sicherheit geht, nicht hinter dem Schreibtisch verstecken.
Auch die Kommunikation mit unseren Kunden war ganz wichtig, die ja auf uns als Lieferanten angewiesen sind. Wir haben unsere Kunden zu Beginn des bundesweiten Lockdowns täglich auf unserer Homepage über unsere Lieferfähigkeit informiert.
Ein weiterer wichtiger Aspekt war die ständige Absprache mit unseren Lieferanten. Wir kaufen zum Beispiel Druckfarben aus Norditalien zu. Aber auch hier hat die Lieferkette gehalten und der Güterverkehr funktioniert. So konnten wir die Produktion ohne Unterbrechungen aufrechterhalten.
Hat die gemeinsam gemeisterte Krise das Verhältnis zwischen der Geschäftsführung und Mitarbeitern verändert?
Es hat dazu beigetragen, dass wir alle enger zusammengerückt sind. Der Zusammenhalt ist größer als zuvor. Es hat sich eine „Wir schaffen das“-Mentalität entwickelt, die uns stärker gemacht hat. Von Seiten der Mitarbeiter gab es sehr viel Solidarität und Loyalität. Viele haben von sich aus gesagt, dass sie freiwillig Mehrstunden leisten, damit das Unternehmen gut durch die Krise kommt. So einen Lockdown hat es noch nie gegeben und es ist jedem bewusst geworden, wie wichtig ein stabiler und sicherer Arbeitgeber ist.
Wie bewerten Sie als Unternehmer das Krisenmanagement und die wirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen der Regierung?
Ich fand das Krisenmanagement sehr gut und das ist eine völlig parteifreie Bewertung. Die Kommunikation über die Medien, die zeitnahen Stellungnahmen der Mitglieder der Bundesregierung, das Präsenz zeigen. Man hat sich in Österreich gut geführt gefühlt und das hat man auch im Ausland wahrgenommen. Wir exportieren ja in viele unserer Nachbarländer und haben oft die Rückmeldung erhalten, dass unsere Kunden finden, dass die Krise in Österreich sehr gut gemanagt wurde. Das Krisenmanagement war aus meiner Sicht hervorragend.
Bezüglich der Hilfspakete kann ich wenig sagen. Wir mussten für unsere Werke in Kufstein und Söll keine Staatshilfen in Anspruch nehmen, da wir durchgehend produzieren konnten. Was wir aber wissen, ist, dass die Kurzarbeit sehr gut und unkompliziert administriert wurde. Das innerhalb einer Krisensituation der ein oder andere Fehler gemacht wird, liegt in der Natur der Sache. Man muss erst einmal selbst an vorderster Front stehen und solche Entscheidungen treffen. Ich glaube trotzdem, dass die Krise in Österreich sehr gut bewältigt wurde.
Sie beliefern die chemisch-technische Industrie, Nischen der Nahrungs- und Genussmittelindustrie und auch Betriebe der Kosmetik- und Pharmaindustrie mit Verpackungsmaterialien. Rechnen Sie damit, dass es zu einem Rückgang der Nachfrage in diesen Bereichen kommen wird, wenn sich die wirtschaftlichen Folgen der Krise manifestieren?
Dass die Krise völlig spurlos an uns vorübergehen wird, glauben wir auch nicht. Natürlich sind auch Branchen betroffen, die wir beliefern. Es ist vom derzeitigen Standpunkt aus wahnsinnig schwierig, die weiteren Entwicklungen abzuschätzen. Wir haben verschiedene Kunden in derselben Branche, die sich unterschiedlich entwickeln. Bei dem einen spürt man mehr, bei dem anderen weniger. Deshalb kann man keine generelle Vorhersage für die ganze Branche treffen. Was wir heute schon sagen können, ist, dass Unternehmen, die die Gastronomie und Hotellerie beliefern, stärker betroffen sein werden. Es wird hier sehr individuelle Entwicklungen je nach Marktposition geben.
Die Auswirkungen der Krise werden erst in den nächsten Monaten spürbar. Die Frage wird sein, wie stark die Rezession sein wird und wie wir schnell wieder aus ihr herauskommen. Heute kann noch keiner wirklich sagen, wie sich die Situation entwickeln wird. Wir tun auf alle Fälle unser Bestes, unsere Kunden zu beliefern, und sollte die Nachfrage sinken, werden wir es auch nicht verhindern können.
Welche Lehren lassen sich aus den Geschehnissen der letzten Monaten ziehen?
Die wichtigste Lehre ist sicher, dass die eigenen Mitarbeiter das A und O des Erfolgs eines Unternehmens sind. Wir waren in den Anfangstagen nervös, wie unsere Teams auf die Ausgangsbeschränkungen und das veränderte Arbeiten aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen reagieren werden. Doch bereits am ersten Arbeitstag, dem 16. März, sind alle erschienen und haben motiviert angepackt. Das hat uns sehr stolz gemacht. Wir sind ein sehr soziales Unternehmen, mit einer Vielzahl an Programmen für unsere Mitarbeiter. Jetzt zeigt sich, dass es gut war, dass wir uns für unsere Mitarbeiter eingesetzt haben. Diesen Weg wollen wir auch in Zukunft weitergehen. Die Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass in schwierigen Zeiten alle zusammenhalten und an einem Strang ziehen.
Die zweite wichtige Erkenntnis war, dass der innereuropäische Güterverkehr auch einer so unvorhersehbaren Belastungsprobe wie der Covid-19-Pandemie standhält. Das hat im Endeffekt wirklich gut funktioniert. Das war eine sehr interessante Erfahrung.
Wie wird sich die Verpackungsmittelbranche in den nächsten Jahren verändern?
Ich glaube, dass Nachhaltigkeit das bestimmende Thema der nächsten Jahre bleiben wird. Hier sind wir mit unserem Hauptwerkstoff Weißblech sehr gut aufgestellt. Unsere Dosen sind zu 100 Prozent recycelbar. Sie können mit einem Magneten entnommen und wieder dem Hochofen zugeführt werden. Auch wenn man heute eine neue Weißblechdose kauft, ist dort schon ein Teil recyceltes Material enthalten. Hier gibt es einen sehr nachhaltigen Werkstoff-Kreislauf. Die Dose als Verpackungsmaterial war in den letzten Jahren nicht so sexy, wir haben sie aber wieder sexy und nachhaltig gemacht. Wir merken, dass viele unserer Kunden vom Plastik weg wollen. Die großen Gewinner dieses neuen Bewusstseins werden Materialien wie Metall, Glas und Karton sein.
Die Pirlo Gruppe engagiert sich für soziale und kulturelle Projekte in der Region Kufstein. Werden Sie auch in Zukunft an diesem Weg festhalten?
Ja, absolut. Wir können schwer mit unseren Produkten werben. Wenn jemand eine unserer Dosen im Supermarkt kauft, weiß er nicht, dass sie von Pirlo hergestellt wurde. Wir sind der Verpackungsmittelhersteller und können kein Logo auf unseren Dosen abdrucken. Wie wirbt man dann für sein Unternehmen in der Region? Wir haben uns deshalb dazu entschieden, als Sponsor von attraktiven Veranstaltungen und Projekten aufzutreten, um den Menschen in Kufstein Pirlo positiv in Erinnerung zu rufen und uns als attraktiver Arbeitgeber in der Region zu präsentieren. Wir unterstützen zum Beispiel das Basketballteam der Stadt Kufstein, die Kufstein Towers. Sie sind ein junges Team, in einem aufstrebenden Sport und wollen in die zweite Bundesliga aufsteigen. Das ist eine Geschichte, die gut zu Pirlo passt. Aus diesem Grund sponsern wir auch Kufstein Unlimited, das größte Pop- und Rockfestival in der Region.
Seit 2013 veröffentlicht Pirlo jedes Jahr einen CSR-Bericht. Warum ist Ihnen das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen ein Anliegen
Muss die Wirtschaft in Zukunft mehr Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt übernehmen? Unternehmen müssen sich in Zukunft mit solchen Themen auseinandersetzen. Wenn man heute ein Bewerbungsgespräch führt, haben die Bewerber extremes Interesse an Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Recycling. Dieses Bewusstsein hat es vor zehn Jahren nicht gegeben. Deshalb müssen sich Unternehmen mit ihrer Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt auseinandersetzen.
Auch bei Pirlo ist uns das ein wichtiges Anliegen. Wir arbeiten schon seit langem daran immer „sauberer“ und „grüner“ zu produzieren und setzen auch in Zukunft Schritte, um Emissionen einzusparen und in der Energieversorgung nachhaltiger und unabhängiger zu werden. Damit punktet man natürlich auch bei Mitarbeitern und Bewerbern.
Was zeichnet Ihrer Meinung nach den Wirtschaftsstandort Bezirk Kufstein aus?
Wir sind innerhalb Tirols sicher einer der wirtschaftlich dynamischsten Bezirke, auch wenn der Wirtschaftsraum meiner Meinung nach schon etwas überhitzt ist. Es ist mittlerweile sehr schwer, neue Fachkräfte am regionalen Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Wir haben sehr potente und tolle Unternehmen in der Region, die stark in den Wirtschaftsstandort investieren. Auch wir haben vor zwei Jahren sehr viel in den Aufbau der Produktion in Söll investiert, neue Maschinen gekauft und den Personalstand erhöht. Der Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmen ist groß und deshalb muss man sich auch als attraktiver Arbeitgeber präsentieren.
Ein weiteres wichtiges Merkmal ist die Nähe zu Deutschland und zum Wirtschaftsgroßraum München. Auch das Ausbildungsniveau ist sehr hoch. Wir haben die Fachhochschule und eine internationale Schule in Kufstein und viele gute Universitäten in unserem Umfeld. Der Bezirk Kufstein ist eine prosperierende Region mit einem spannenden und breiten Angebot, auch was die Freizeitgestaltung betrifft.
Zur Person
Wolfgang Schauer ist seit Februar 2017 Geschäftsführer der Pirlo Gruppe. Von 1997 bis 2005 war der gebürtige Oberösterreicher Vorstand der Unterland Flexible Packaging AG und wechselte dann für elf Jahre in die Finanzbranche, wo er als Vorstandsvorsitzender der Volksbank Kufstein-Kitzbühel und als Vorstand der Volksbank Wien tätig war.
Die Pirlo Gruppe in Zahlen
- 150 Millionen gefertigte Dosen im Jahr
- 27 Millionen gefertigte Tuben im Jahr
- 40 Exportländer
- 450 Mitarbeiter
- 5 Standorte: 4 in Österreich, 1 in Polen