In einer Zeit, in der Billiggroßhändler wie Temu und Co. den Markt regelrecht überfluten, kämpfen kleine Kunsthandwerksbetriebe ums Überleben. Doch die Branche hält zusammen. Ein Überblick über die aktuelle Situation in Tirol.
„Es ist eine Frage von Wertschätzung“, meint Bernadette Fritsch. Jahrelang war sie als Kunsthandwerkerin tätig und verkaufte auf Märkten ihre Produkte. Seit 2017 führt sie das ’s Fachl in Innsbruck an zwei Standorten. Nebenbei ist sie Stellvertreterin der Innung von heimischen kunsthandwerklichen Betrieben. Alles muss schneller und billiger sein. Diesen Eindruck verstärken Großhändler wie Temu, Shein oder Wish. Die Qualität wird auf diesen Plattformen in den meisten Fällen ignoriert. Hauptsache, der Umsatz passt. Eine Entwicklung, die laut Fritsch auch an den kleinen Kunsthandwerksbetrieben nicht spurlos vorbeigeht: „Es ist sehr viel Gleiches im Umlauf. Die Qualität nimmt ab, um dem Druck der Großhändler Stand halten zu können. Häufig wird billigeres Material eingekauft.“
Ein weiteres Problem sei die dreiste Kopie von Produkten. Nicht selten kommt es vor, dass Produkte, die von kleinen Unternehmen in Handarbeit gemacht wurden, plötzlich auf Seiten wie den oben genannten auftauchen. Ein Rechtsstreit mit den Giganten aus dem Osten? Aussichtslos. Fritsch appelliert an das Bewusstsein: „Es ist eine moralische Frage. Lieber sollte man bewusst einkaufen und nicht in Massen. Das ist eine gewisse Grundeinstellung.“ Insgesamt ist Fritsch aber positiv gestimmt. Seit der Zeit der Coronapandemie konnte das Gewerbe ein Plus von 20 Prozent mehr an Neugründungen verbuchen.

So regional wie möglich
Nina Urbanowicz-Spatzier führt ein kleines Unternehmen in Vomp. Die Schneiderin mit Leidenschaft für Kunsthandwerk lebt nach dem Motto: „Wer regional verkaufen möchte, sollte auch regional einkaufen.“ Oft wird sie auf Märkten, wo sie ihre Produkte verkauft, mit einer ganz bestimmten Frage konfrontiert: Wieso ist das so teuer? Die Antwort: „Qualität statt Quantität. Ich fahre maximal nach Italien, um Materialien zu kaufen. Ich versuche, die Herkunft meiner Produkte so transparent und so regional wie es nur geht zu halten.“ Sie fordert strengere Kontrollen beim Import von Waren und ein Verbot von penetrant wirkender Werbung von Billiggroßhändlern. Innerhalb der Branche wird das Thema Regionalität groß behandelt. Anfang nächsten Jahres ist ein Netzwerktreffen innerhalb der Innung geplant, bei dem ein Bewusstsein geschaffen werden soll.
Kleine Betriebe stecken momentan in einer echten Zwickmühle: Die steigende Inflation zwingt sie zu höheren Verkaufspreisen, während KundInnen oft zur billigen Konkurrenz wechseln. Braucht man wirklich immer möglichst viel und das möglichst schnell? Wie wichtig ist eine transparente und möglichst faire Herstellung von Waren? All diese Fragen sollte man sich stellen, bevor man das nächste Mal die Suchmaschine öffnet oder sich auf einen lokalen Markt begibt. Eine Frage von Wertschätzung.
