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„Die Baubranche ist krisensicher.“

Manfred Lechner, Sprecher der Tiroler Bauindustrie und Direktionsleiter der Strabag AG in Tirol

„Die Baubranche ist krisensicher.“

Manfred Lechner, Sprecher der Tiroler Bauindustrie und Direktionsleiter der Strabag AG in Tirol

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Trotz Corona ist die aktuelle Stimmung in Tirols Baubranche positiv. Sorgen bereiten der Herbst und das kommende Jahr. Was die Bauwirtschaft jetzt braucht und mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert ist, erzählt Manfred Lechner, Sprecher der Tiroler Bauindustrie und Direktionsleiter der Strabag AG in Tirol.

Nach einem kurzen Stillstand am Anfang des bundesweiten Lockdowns wurde auf den Baustellen in Österreich unter Auflagen weitergearbeitet. Wie ist die Tiroler Bauindustrie bisher durch die Covid-19-Pandemie gekommen?

Manfred Lechner: Mitte März wurde binnen weniger Tage mehr oder weniger der komplette Baubetrieb heruntergefahren. Die Beschäftigten in der Branche waren anfangs sehr verunsichert. Denn die Notbremsung passierte genau zu jenem Zeitpunkt, in dem es im Bau normalerweise nach dem Winter wieder losgeht. Nachdem eine Handlungsanleitung zum Umgang mit Covid-19 auf Baustellen vereinbart wurde, konnten wir jedoch weiterarbeiten. Wir haben den Vorteil, dass viele Bauarbeiten im Freien passieren. Hier ist die Übertragungsgefahr etwas geringer als in geschlossenen Räumen. Wir sind zumindest in der ersten Phase mit einem blauen Auge davongekommen – unter Mehraufwendungen, Mehrkosten, Bauzeitthemen. Wir konnten mit etlichen Bauherren bereits Vereinbarungen treffen, wie wir mit Verzögerungen umgehen – das beruhigt.

Was bedeutet die Umsetzung der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie für den Baustellenbetrieb? Entstehen Mehrkosten? Ändern sich die Ausführungszeiten?

Es entstehen Mehrkosten: Zum einen direkte Kosten durch die Umsetzung der Maßnahmen, wie durch die Anschaffung von Masken, Desinfektionsmitteln oder Helmen mit Gesichtsschutz sowie die Bereitstellung von Waschgelegenheiten und zusätzlichen Pausenräumen aufgrund der Abstandsregelung. Zum anderen ist auch der Transport der Bauarbeiter kostenintensiver – wir brauchen mehr Fahrzeuge, da auch dort die Abstandsregelungen gelten. Dieser Bauablauf wirkt sich schon auf die Ausführungszeit aus.

Wie lässt sich die aktuelle Stimmung in der Baubranche in Tirol beschreiben?

Bei der diesjährigen Bauvorschau, die die Wirtschaftskammer jedes Jahr durchführt, und bei der zu Jahresbeginn Auftraggeber und Auftragnehmer befragt werden, war die Stimmung unter den Betrieben im Baugewerbe und in der Bauindustrie durchaus positiv. Wir blickten optimistisch auf das heurige Jahr. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir allerdings noch nicht, dass die Covid-19-Pandemie auf uns zukommen würde. Dann kam plötzlich der Shutdown. Doch auch jetzt, trotz all der Herausforderungen durch die Corona-Krise, ist die Stimmung in der Branche verhalten positiv. Wir vertrauen darauf, dass wir weiterarbeiten können und dass die notwendigen Konjunkturpakete geschnürt werden.

Welche Folgen hat der Coronabedingte Ausnahmezustand und der damit verbundene wirtschaftliche Stillstand auf den heurigen Umsatz der Tiroler Bauindustrie?

Der Umsatz wird geringer ausfallen, es fehlen uns vier bis fünf Wochen. Ein Teil wird aufzuholen sein, aber nicht alles. Es gibt Unternehmen, die von einem Minus von fünf Prozent sprechen, andere wenige sagen, dass es mehr ist (siehe Factbox). Ich denke, dass das Umsatz-Minus insgesamt im einstelligen Bereich bleiben wird.

Welche Bauunternehmen sind Ihres Wissens besonders hart getroffen?

Welche kommen ohne größere Einbußen davon? Unternehmen, die viele Aufträge aus der Gastronomie haben, trifft es natürlich härter als jene, die viel im öffentlichen Sektor bauen. Die größeren Industrieunternehmen haben in der Regel einen höheren Anteil im öffentlichen Sektor, im Infrastrukturbereich. Um ein Beispiel zu nennen: Beim Bau des Brennerbasistunnels laufen die Aufträge wieder weiter. Es gibt zwar Verzögerungen, doch in diesem Bereich wirkt sich eine Krise, wie wir sie jetzt erleben, weniger aus. Ein Gewerbebetrieb, der viel in der Hotellerie tätig ist, etwa im Zillertal oder im Ötztal, ist direkter betroffen.

Touristiker sind in Tirol wichtige Auftraggeber für die Baubranche. Wie sehr werden Aufträge aus dem Tourismus fehlen?

Wir erleben, dass Projekte verschoben werden, die für heuer geplant waren. Aus der Seilbahnwirtschaft und im Tourismus wird es definitiv weniger Aufträge geben. Allerdings sind wir es in der Bauwirtschaft gewohnt, dass die Auftragslage nicht konstant ist, sondern dass es auf und ab geht. Wir können mit Konjunkturschwankungen umgehen. Derzeit habe ich das Vertrauen in die Wirtschaft, dass wir noch so viel Schwung haben, weiterproduzieren zu können.

Zur Unterstützung von Kommunen hat die Regierung ein ein Milliarden schweres Gemeindepaket angekündigt. Auch das Land unterstützt Gemeinden mit 70 Millionen Euro. Wie wichtig sind solche finanziellen Maßnahmen für die Bauwirtschaft?

Die finanzielle Stärkung der Gemeinden ist essenziell. Sie haben sehr viele Aufgaben zu bewältigen, darunter ist die Umsetzung vieler baulicher Maßnahmen, wie die Schaffung, Erweiterung und Modernisierung öffentlicher Infrastruktur und Einrichtungen – von Kindergärten bis zu Pflegeheimen. Für die Bauwirtschaft sind die Gemeinden wichtige Auftraggeber – allein in Tirol sind es 279, zwar in unterschiedlichsten Größen, aber in Summe sind sie alle sehr wichtig. Die Bauwirtschaft wiederum ist ein wichtiger Konjunktur- und Beschäftigungsmotor, deshalb ist diese Unterstützung durch Land und Bund unverzichtbar.

Nach dem Handel und der Gastronomie und Beherbergung verzeichnet das AMS Tirol die meisten Kurzarbeitsanträge aus dem Bau. Wie gut eignet sich aus Ihrer Sicht das Kurzarbeitsmodell für die Branche?

Das Modell wurde in kürzester Zeit auf die Beine gestellt, in einer Phase, in der niemand genau wusste, was auf das Land zukommen wird. Ich bin der Meinung, dass es ein gelungenes Modell für die Baubranche ist, um Beschäftigte halten zu können. Es ist flexibel und praktikabel. Nun bleibt zu hoffen, dass es nicht zu Missbräuchen des Modells kommt.

Welche Entwicklungen erwarten Sie für die Beschäftigtenzahlen in der Tiroler Bauwirtschaft?

In den nächsten Wochen und Monaten wird die Beschäftigung meiner Meinung nach zunehmen. Wir werden uns erholen. Die Baubranche ist auch jetzt auf der Suche nach geeigneten Fachkräften.

Sie sind Direktionsleiter der Strabag AG in Tirol. Wie sehr spürt die Strabag in Tirol die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und welche Maßnahmen wurden und werden gesetzt, um Umsatz-Einbrüche abzufedern?

Die Krise ist auch an uns nicht spurlos vorbeigegangen. Während der Quarantäne in Tirol waren unsere Mitarbeiter aus der Verwaltung im Home-Office. Die Bautätigkeit ist aber von Zuhause aus nicht möglich. Es ist uns aber gut gelungen, die Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen, wir kauften Desinfektionsmittel in rauen Mengen, statteten die Kleinbaustellen mit Wasser aus, wir schärften das Bewusstsein der Leute – das war sehr wichtig. Wir achteten darauf, die Infos bis auf die letzte Baustelle zu bringen. Wir wussten, wo die Reise hingeht, und konnten unseren Leuten die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes bieten. Bis jetzt sind wir gut durch die Krise gekommen.

Wie schätzen Sie wird dieses und das kommende Jahr für die Strabag weiterverlaufen?

Das heurige Jahr wird in Österreich sicher schwieriger werden, da wir Umsatzrückgänge haben. Die Zeit, in der wir nicht arbeiten konnten, wird definitiv fehlen. In Zahlen lässt sich das aber zum heutigen Zeitpunkt noch nicht ausdrücken. Derzeit arbeiten wir bestehende Aufträge ab, die aber zum großen Teil heuer fertig gestellt werden. Wir brauchen neue Aufträge. Was wichtig ist, sind Anreize für Auftraggeber aus dem privaten, öffentlichen und gewerblichen Sektor für Investitionen. Große Sorge bereiten uns die Behördenverfahren. Zwei Monate lang wurden keine Genehmigungen abgewickelt. Projekte müssen so rasch wie möglich baureif gemacht werden.

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch, damit die Auftragslage in der Bauwirtschaft in Zukunft nicht eintrübt?

Unsere Sorge gilt weniger den kommenden Monaten als dem Herbst und dem nächsten Jahr. Hier braucht es neben der raschen Aufarbeitung aller ausstehenden Behördenverfahren und der finanziellen Stärkung der Gemeinden Maßnahmen zur Stärkung der Investitionsbereitschaft. Da gibt es viele Möglichkeiten, wie Investitionsfreibeträge, eine verkürzte Abschreibung auf Abnutzung, AfA, oder steuerliche Begünstigungen für thermische Sanierungsmaßnahmen. Die Bauwirtschaft ist nicht nur ein Konjunkturindikator, sondern auch ein Konjunkturmotor. Wirtschaft ist Stimmung und Vertrauen. Eine Krise ist erst dann eine Krise, wenn der erste keine Investitionen mehr tätigt, dann wird sie real.

Abschließend: Wie krisensicher ist die Baubranche?

Die Baubranche ist sehr krisensicher. Natürlich kann es Flauten geben, die sind jedoch kurzzeitig. Durch ständig notwendige Investitionen, auch durch die öffentliche Hand, sind wir krisensicher. Auch wenn viel automatisiert wird, wird die Baubranche immer arbeitsintensiv bleiben. 

Zur Person

Manfred Lechner, geboren in Brixlegg, begann kurz vor Abschluss seines Studiums als Bauingenieur bei der Strabag AG. Als Bauleiter war er beispielsweise für den Bau der Kläranlagen Fritzens und Schwaz, der Innbrücke Hall-West und für die Erneuerung von Autobahnen in Tirol zuständig. Anschließend übernahm er die Leitung des Tiefbaus. Seit 2005 ist Lechner Direktionsleiter für Tirol/Vorarlberg. Seit 2012 ist er Sprecher der Bauindustrie in der Wirtschaftskammer Tirol.

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    Manfred Lechner, Sprecher der Tiroler Bauindustrie und Direktionsleiter der Strabag AG in Tirol

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    Zu Beginn des Lockdowns stellten viele Bauunternehmen den Betrieb ein, bis Ende März eine Handlungsanleitung für Baustellen präsentiert wurde.

29. Juni 2020 | AutorIn: Eva Schwienbacher | Foto: Franz Oss

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