Sie versprechen finanzielle Freiheit, passives Einkommen und „den Weg zur ersten Million“ – oft in nur wenigen Monaten und völlig kostenlos.
Die Rede ist von einer wachsenden Szene an selbsternannten Vermögens- und Aktienspezialisten, die im Internet mit Gratis-Workshops, Webinaren und E-Books werben. Doch was auf den ersten Blick nach Aufklärung aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Verkaufsmaschine. Und als riskantes Spiel mit der Hoffnung vieler Menschen auf ein besseres Leben.
1. Kostenlos ist selten umsonst
„Melde dich jetzt kostenlos an!“ – so beginnen die meisten Funnels. Was folgt, ist selten echter Inhalt, sondern eine perfekt optimierte Dramaturgie: Der kostenlose Einstieg führt gezielt zum Upsell – sei es in Form eines „Mentorings“, einer exklusiven Community oder eines 5.000-Euro-Coachings. Persönliche E-Mails, künstliche Verknappung, knappe Deadlines – psychologische Mechaniken ersetzen fundierte Wissensvermittlung. Die Lehre ist klar: Der Gratis-Workshop ist kein Bildungsangebot, sondern ein Türöffner in ein Geschäftsmodell.
2. Inszenierung statt Qualifikation
Luxusautos, Strandvillen, Trading-Screenshots – viele Finanzcoaches bauen ihre Glaubwürdigkeit auf Lifestyle und vermeintlichen Reichtum. Dabei fehlen häufig jegliche formale Qualifikationen: keine Lizenzen, keine Ausbildung, keine regulatorische Aufsicht. Stattdessen berufen sie sich auf „eigene Erfahrungen“ oder „authentische Learnings“. Glaubwürdigkeit wird durch Selbstdarstellung ersetzt – und bleibt bei kritischer Betrachtung oft substanzlos.
3. Finanzbildung wird zur Verkaufsbühne
Statt komplexer Zusammenhänge wird vereinfacht, emotionalisiert und polarisierend argumentiert. Angst vor Inflation, Wut auf Banken, Misstrauen gegenüber dem Staat – diese Trigger setzen viele Anbieter gezielt ein. Die Lösung: ETFs, Kryptowährungen, Dividendenaktien – simpel verpackt und ohne kritische Einordnung. Der Anspruch auf echte finanzielle Bildung weicht der Dramaturgie eines Verkaufsvideos.
4. Rechtliche Grauzone mit hohem Risiko
Der Großteil dieser Anbieter agiert in einem bewusst unregulierten Raum. Sie deklarieren ihre Inhalte als „persönliche Meinung“ oder „keine Finanzberatung“. Rechtlich mag das absichern – inhaltlich bleibt es problematisch. Denn was nach objektivem Wissen klingt, ist oft persönliche Interpretation oder stark interessengeleitete Empfehlung. Der Schaden zeigt sich später – wenn Kund:innen in überteuerten Kursen landen oder falsche Anlageentscheidungen treffen.
5. Verantwortungslosigkeit wird belohnt
Plattformen wie YouTube, TikTok oder Instagram sind das perfekte Umfeld für Finanzcoaches: Reichweite lässt sich günstig einkaufen, Algorithmen fördern polarisierende Inhalte, Kontrolle findet kaum statt. Während lizenzierte Finanzberater:innen strenge Vorgaben erfüllen müssen, darf online jeder seine Investmenttipps bewerben – solange er sie nicht „Beratung“ nennt. Die Folge: Irreführende Inhalte erzielen Millionenreichweite, echte Aufklärung bleibt auf der Strecke.
6. Das Paradoxon der Freiheit
Der größte Widerspruch bleibt jedoch oft unausgesprochen: Wenn die Methoden dieser Coaches tatsächlich funktionieren – warum verkaufen sie dann noch Kurse? Wer durch Trading oder Dividenden längst reich und frei ist, müsste keine Webinare bewerben oder auf Instagram Produkte vermarkten. Viele leben nicht von ihren Investitionen, sondern von der Inszenierung ihres Erfolgs. Nicht finanzielle Unabhängigkeit ist ihr Geschäftsmodell, sondern deren Versprechen.
Fazit: Zwischen Aufklärung und Ausnutzung
Die Grenzen zwischen Bildungsangebot und Verkaufsshow verschwimmen. Nicht jeder Online-Finanzcoach ist ein Blender – aber die Szene wird dominiert von Marketing-Profis, nicht von geprüften Experten. Wer sich wirklich finanziell bilden will, braucht mehr als kostenlose Versprechen: nämlich Quellenkritik, regulatorische Orientierung und unabhängige Expertise. Finanzielle Freiheit beginnt nicht mit einem Webinar – sondern mit einem kritischen Blick auf das, was versprochen wird.