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Mensch und Maschine perfekt kombiniert

Robert Weidner leitet die Professur für Fertigungstechnik am Institut für Mechatronik der Universität Innsbruck und ist geschäftsführender Gesellschafter der exoIQ GmbH.

Mensch und Maschine perfekt kombiniert

Robert Weidner leitet die Professur für Fertigungstechnik am Institut für Mechatronik der Universität Innsbruck und ist geschäftsführender Gesellschafter der exoIQ GmbH.

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Exoskelette bewegen sich irgendwo zwischen Science-Fiction und Realität. Die „Muskelkraftverstärker zum Anziehen“ werden am Körper getragen und verstärken mithilfe von Elektromotoren, Pneumatik oder Federn die Muskelkraft von TrägerInnen – beziehungsweise stellen sie verlorene Fähigkeiten wieder her. Was diese Technologie bereits kann und was sie noch können wird erklärt Robert Weidner, Professor für Fertigungstechnik an der Universität Innsbruck, im Rahmen eines von der Standortagentur Tirol veranstalteten Symposiums.

Wie sinnvoll ist es, ein „Werkzeug“ im weitesten Sinne anzuziehen?

Generell müssen wir uns das Kernproblem in der Arbeitswelt Top-down ansehen. Als Grundlage eines gesunden und sicheren Arbeitens gilt es Gefährdungen auszuschließen. Bestehen solche, sind in erster Linie Schutzmaßnahmen vorzusehen. Es geht also nicht darum, Menschen über ihre natürliche Belastbarkeit hinaus einsetzbar zu machen, sondern sie im Rahmen ihrer Tätigkeiten zu entlasten. Somit kann man auch an die Automatisierung von Aufgaben immer als Ziel denken, um die physische Belastung der MitarbeiterInnen zu reduzieren. In zahlreichen gegenwärtigen und zukünftigen Wertschöpfungsketten ist jedoch der Mensch unter anderem aufgrund seiner hohen Flexibilität und guten Lernfähigkeit erforderlich. Hier können also anziehbare Unterstützungssysteme wie Exoskelette einen Mehrwert darstellen, um bei der Ausführung von physisch beanspruchenden Tätigkeiten zu unterstützen.

Es geht also um die Kombination der Fähigkeiten des Menschen mit denen einer Maschine?

Genau. Exoskelette kombinieren die Fähigkeiten des Menschen mit denen technischer Systeme. Der Mensch ist lernfähig, flexibel, anpassungsfähig und hat sehr gut ausgeprägte sensomotorische Fähigkeiten. Die Technik bringt zum Beispiel Ausdauer und Wiederholgenauigkeit mit. Exoskelette geben uns die einmalige Chance, beides zeitgleich und gemeinsam ortsflexibel – das heißt in diesem Fall am Körper getragen – zu nutzen.

Auf diese Weise können wir unter anderem MitarbeiterInnen in der Produktion, Logistik oder Handwerk unterstützen – auch präventiv. Genauso kann es aber auch um die Kompensation von Funktionseinbußen oder das typische Human Enhancement, Erweiterung der menschlichen Fähigkeiten, gehen. Freilich könnte in gewissen Bereichen auch über eine Automatisierung nachgedacht werden, der bspw. auch eine große Varianz an Arbeitsinhalten als auch die Akzeptanz gegenübersteht. Dabei gilt es zum Beispiel zu überlegen, ob eine zu pflegende Person überhaupt von einer Maschine gehoben werden will. Je nach Anwendung sind auch die soziale Interaktion von Relevanz oder die Hemmschwelle der Technik zu vertrauen Herausforderungen.

Werden Exoskelette in Österreich schon über die Testphase hinaus kommerziell eingesetzt?

Im Bereich der Therapie gibt es das schon zum Beispiel als Unterstützung für querschnittsgelähmte oder bewegungseingeschränkte Personen. Nicht en masse, nicht in jeder Einrichtung, aber es gibt Therapiezentren mit ausgebildeten ExpertInnen, die Exoskelette zum Einsatz bringen. Die andere Bereiche sind die Produktion, die Logistik und das Handwerk. Dort kenne ich einige Unternehmen, die verschiedene Exoskelette testen beziehungsweise sich intensiv mit dieser Thematik beschäftigen – unter anderem auch im Rahmen von Projekten mit uns, wie dem durch die FFG geförderten Innovationscamp exoATwork, das sich mit dem Thema Exoskelette für manuelle Arbeitsplätze befasst.

Ich glaube fest daran, dass wir von Exoskeletten in den kommenden Jahren noch deutlich mehr sehen und auch viel mehr wahrnehmen werden – wie bei allen neuen Technologien, wo sich einerseits erst einmal Erwartung und Realität sich treffen müssen sowie andererseits eine gewisse Reife und Preispunkt getroffen werden muss. Aktuell geht der Hype von passiven Systemen, also Exoskeletten, die mit Federn und ähnlichen Mechanismen funktionieren, zurück. Dafür steigt der um aktive Systeme, die Pneumatik oder Elektromotoren nutzen.

Woran scheitert der flächendeckende Einsatz aktuell?

Ich weiß nicht, ob der flächendeckende Einsatz wirklich scheitert. Ich kenne sehr viele erfolgreiche Einsätze. Wichtig ist immer, dass das Exoskelett zum jeweiligen Use Case passt, was nicht immer der Fall ist. Klar sein muss aber auch, dass die Entwicklung neuer Technologien auch immer Zeit braucht. Das war in der Vergangenheit auch bei anderen Technologien so. Exoskelette sind komplex, da sie zeitlich und räumlich an NutzerInnen und deren Bewegung gekoppelt sind. Bei Exoskeletten sehen wir, dass immer mehr Systeme verfügbar sind und auch Systeme mit immer größerem Leistungsumfang und besserer Qualität – insbesondere bei der zielgerichteten Unterstützung und bei der Anpassbarkeit an NutzerInnen. Eine eierlegende Wollmilchsau gibt es aber nicht. Es müssen Aufgaben analysiert werden und dann das Exoskelett im Hinblick auf die Art der zu unterstützenden Bewegung, die Unterstützungscharakteristik wie die Kraft und mehr. Vielleicht sind die Exoskelette aber auch noch zu teuer für den breiten Einsatz.

Ist die Energieversorgung noch ein Thema?

Die benötigte Energie hängt von ganz vielen Faktoren wie der Art des Antriebs, wie viel Kraft erzeugt und benötigt wird sowie der Größe des Energiespeichers bei aktiven Systemen ab. Ich sehe den Flaschenhals nicht bei den der Laufzeit. Es gibt mittlerweile Akkus mit sehr viel Leistung. Und die sind bei vielen Modellen gleich wie bei einem Akkuschrauber wechselbar. Da kommt man je nach System mit zwei Akkus gut über einen Tag und kann auch immer einen Akku laden, während man den anderen benutzt.

Wie steht es um das Verhältnis zwischen Exoskeletten und der Automatisierung? Ist das eine ein Zwischenschritt am Weg zum anderen? Werden das koexistierende Bereiche sein?

Ich sehe zwischen Exoskeletten und Automatisierung eine Koexistenz, wobei es schlussendlich auch von vielen Faktoren abhängt. Es sind komplementäre Ansätze und adressieren unterschiedliche Aspekte der Arbeitserleichterung und Effizienzsteigerung. Der Mensch nimmt gegenwärtig – und ich denke auch in Zukunft – eine bedeutende Rolle in Wertschöpfungsketten ein. Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass die Automatisierung in vielen Branchen vorangetrieben wird und gut funktioniert. Es gibt aber auch andere Bereiche, bei denen man auf die menschliche Arbeitskraft angewiesen ist oder wo sogar wieder eine Deautomatisierung geschieht. Ein Bedarf nach Unterstützung der Belegschaft – auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung – ist somit unvermeidbar und erforderlich. Exoskelette können dann ein Ansatz zur physischen Unterstützung sein. Ich bin mir auch sicher, dass wir in Zukunft noch viel mehr entsprechender Systeme im realen Einsatz sehen werden und es auch immer normaler für „Jedermann“ wird entsprechende Unterstützung zu nutzen.

Zur Person:

Robert Weidner hat Maschinenbau an der Technischen Universität Hamburg studiert und leitet die Professur für Fertigungstechnik am Institut für Mechatronik der Universität Innsbruck. Zudem ist er geschäftsführender Gesellschafter der exoIQ GmbH, die Teil der TTS-Gruppe (u.a. mit Tochterfirmen wie Festool GmbH, Shaper GmbH und Saw Stop GmbH) ist, sowie Gruppenleiter Robotik am Laboratorium Fertigungstechnik der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

20. Juni 2023 | AutorIn: Daniel Feichtner | Foto: Axel Springer

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