Schon die erste Lage Stoff am Körper kann den Tag verschönern – oder versauen. Das Innsbrucker Label BON+BERG produziert daher nachhaltige Damenunterwäsche aus Micro-Modal.
Wer in der Unterwäscheabteilung eines Modediskonters schon einmal nach einem passenden BH gesucht hat, dürfte das Gefühl der Ernüchterung kennen: Kneifende Stützdrähte und plumpe Polsterung machen wenig Hoffnung auf Tragekomfort. „Der BH hast sich seit seiner Erfindung kaum verändert“, erzählt Siobhán Dunphy, Gründerin von BON+BERG, die selbst lange Zeit eine Hassliebe zu Damenunterwäsche hegte. „Nichts passte wirklich“ – in ihrem Fall bezog sich diese Erfahrung sowohl auf die Wäsche als auch deren Produktion. Die konventionelle Modebranche mit dem Prinzip Fast Fashion gilt als notorische Klimasünderin, was Dunphy, die sich intensiv mit Umweltthemen beschäftigt, erst zum Schreiben und dann zum Handeln bewegte.
DEN BERGEN NACH
Dass die angestrebte Veränderung die Form von Lingerie annehmen sollte, kommt im Hinblick auf den Werdegang der Gründerin etwas überraschend. Die in Kanada geborene Irin studierte nämlich Medizintechnik und arbeitete im Bereich der Stammzellforschung. Allein im Labor zu stehen, erfüllte sie jedoch nicht. Sie begann, als Freelancerin über die Wissenschaft zu schreiben und bereiste die Welt. „Ich merkte irgendwann, dass mein Platz in den Bergen ist“, so die passionierte Snowboarderin. Innsbruck mit seiner berühmten Kombination aus Stadt und Bergen lockte sie vor drei Jahren nach Tirol: „Es dreht sich nicht alles nur um Sport und Tourismus, die Stadt hat Kultur.“ Der Inspiration durch die Berge (und Dunphys Spitznamen) verdankt das Unternehmen seinen Namen.
HOLZWÄSCHE
Die Achtung der Natur, die die Entwicklung von BON+BERG erst ins Rollen gebracht hat, schließt auch den menschlichen Körper mit ein. Damenunterwäsche hat häufig das Ziel, eine neue, idealisierte Form zu schaffen. „Wir möchten die natürliche Form des Körpers feiern, zeigen, wie weibliche Körper tatsächlich aussehen“, so Dunphy. Also keine Bügel und Polster, nur die richtige Fertigungstechnik und Micro-Modal. Der Stoff, fürs Erste ganz in Schwarz gehalten, wird aus Buchenzellulose hergestellt und ist von der österreichischen Firma Lenzing zertifiziert. Dunphy war ein solches Zertifikat wichtig, denn so würden kontrolliert europäische Bäume verarbeitet, während chinesische Konkurrenzprodukte zur Entwaldung beitrügen.
Die Auswahl ist derzeit noch recht begrenzt, es gibt nur zwei BH- und drei Höschenmodelle, die ausschließlich über den Webshop (www.bonandberg.com) gekauft werden können. Neben dem Weg in einzelne Boutiquen sind künftig aber auch neue Farben, Materialien und Kombinationen aus Natürlichkeit und Reiz geplant. Die Materialfrage ist keine einfache, so die Gründerin. Biobaumwolle mache nur einen geringen Prozentsatz an der Weltproduktion aus und habe leider einen hohen Wasserverbrauch. Recyclingmaterialien hätten eher ein Imageproblem, nicht jede Frau möchte sie als etwas so Intimes wie Unterwäsche tragen.
ODYSSEE
Bis zur aktuellen Kollektion, die im Februar startete, war es ein langer Weg. Dunphy hatte keine Vorerfahrung und musste sich ein Stück weit auf das Knowhow ihrer Kooperationspartner verlassen, sobald sie diese gefunden hatte. Zulieferer zu identifizieren, die ihre eigenen Lieferketten und Produktionsbedingungen transparent machten, erwies sich als Herausforderung. Hinzu kam, dass viele Firmen das Interesse verloren, sobald klar war, dass es sich bei BON+BERG um ein kleines, sehr junges Start-up handelt. Erst über die Plattform „Sourcing Playground“ stieß Dunphy auf eine Fabrik in der türkischen Küstenstadt Izmir, die sich als geeignet erwies. Eine Besichtigung der Anlage steht coronabedingt noch aus, doch die Arbeitsbedingungen werden regelmäßig von SMETA überprüft. Der Stoffproduzent wiederum erfüllt die ISO-Standards für Umweltmanagement, Arbeitsbedingungen und Qualitätssicherung. Das Micro-Modal selbst unterliegt dem Ökotex-Standard, bei Verpackung achtete man auf kompostierbare Varianten.
GEMEINSAME VERANTWORTUNG
Bei Ökolabels dreht sich viel um Verifizierung und Zertifikate. BON+BERG wird gerade Teil der Initiative „1% for the Planet“, künftig will Dunphy um Zertifizierung bei Peta, Fairtrade und BCorp ansuchen. Auf Investoren hat die Gründerin bislang verzichtet, es müsse der Ethosübereinstimmen: „Es gibt Wege, Geld zu verdienen, ohne über andere und den Planeten hinwegzugehen.“ Andere Unternehmen mit umweltbewussten Bestrebungen sieht sie weniger als Konkurrenz und mehr als gewünschte Norm, Umweltschutz sei etwas, das alle anstreben sollten. Das umstrittene Greenwashing, mit dem sich Unternehmen mit gezielten Kampagnen unter ein grünes Licht zu stellen versuchen, sieht Dunphy nicht zwingend negativ. Immerhin würden auch solche Aktionen das nötige Bewusstsein schaffen, um eine Veränderung in der Branche zu bewirken.