2016 gründete Peter Graf sein Unternehmen North-West, das während der Corona-Pandemie durch die plötzlichen Auftragsrückgänge und Lieferengpässe in eine existenzbedrohende Krise geriet. Welche Erfahrungen er aus der turbulenten Zeit mitgenommen hat und wie es seiner Firma heute geht, erzählt er in seiner Keynote „Absturz in drei Akten – how to fail a company (fast)” beim Netzwerktreffen Creatives & Friends. Wir haben den Gründer vorab zum Gespräch getroffen.
Peter, du hast mit 21 Jahren gegründet – wie kam es dazu, und was war damals deine Vision?
Peter Graf: Zu dieser Zeit war ich in einer leitenden Position in einem internationalen Konzern – gute Perspektive, aber irgendwann ohne Erfüllung. Ich wollte etwas mit den Händen machen. Also begann ich im Keller meiner Eltern: zuerst Weihnachtsgeschenke für die Familie zu machen. Das kam so gut an, dass daraus die ersten Kundenaufträge entstanden. Meine Vision: Nachhaltigkeit mit regionaler Produktion verbinden – damals, als „nachhaltig“ noch kaum jemanden interessierte. Fast zehn Jahre später sind die Werte dieselben, nur die Dimension ist größer.
In deiner Keynote sprichst du vom „Absturz in drei Akten“ – kannst du kurz skizzieren, was diese drei Akte waren?
Corona hat mich – wie viele andere – hart und unerwartet getroffen. Viele mussten durch die Finger schauen. „Koste es, was es wolle“ kam bei mir nicht an, weil ich im Vorjahr alles in die erste eigene Werkstatt investiert hatte und die Förderungen nach Gewinn bemessen wurden. Das löste einen Dominoeffekt aus. Gefühlt stand alle paar Wochen alles wieder komplett auf dem Kopf. Zuerst die Firma, dann die Gesundheit und dann auch noch privat.
Du sprichst offen über die psychischen Belastungen beim Scheitern. Wie hast du diese Zeit persönlich erlebt?
Es war wie ein dunkles Loch. Irgendwann akzeptiert man, dass es einen Aufprall geben wird. Man zerbricht – und wächst wieder zusammen. Es gibt keine Anleitung und keine feste Reihenfolge. Die Akzeptanz war der erste Schritt. Danach ging es in sehr kleinen Schritten zurück in den Alltag. Das klingt jetzt vielleicht recht einfach, aber das hat Jahre gedauert – und das ist mittlerweile auch okay.
Warum ist es in unserer Gesellschaft – besonders in der Wirtschaft – noch ein Tabu, über mentale Krisen zu sprechen?
Über einen gebrochenen Arm spricht jede und jeder. Über mentale Gesundheit kaum jemand – es gilt oft als Schwäche. Ich sehe das anders: Wer darüber spricht, zeigt Stärke und Mut. Gleichzeitig wird das Thema in sozialen Medien häufig ausgeschlachtet. Das ärgert mich, weil sich manche dadurch nicht trauen, darüber zu sprechen. Man muss unterscheiden: Geht es um Reichweite – oder um echte Erfahrung? Die lautesten Stimmen sind nicht immer die, auf die man hören sollte. Die Frage „Wie geht es dir?“ und das obligatorische „Mir geht’s gut!“ müssten häufiger gebrochen und mal ehrlich geantwortet werden. Das fängt aber im privaten Umfeld schon an.
Heute läuft dein Unternehmen wieder erfolgreich. Wie ist dir das gelungen – was hat den Wendepunkt gebracht?
An meinem Tiefpunkt habe ich eine Wunsch- und Zielliste geschrieben – mit klaren Zielen für die nächsten Jahre. An dieser Liste arbeite ich jetzt, über fünf Jahre später, immer noch. Es sind nur noch ein bis zwei Punkte offen. Dann ist es Zeit für eine neue Liste.
Was war rückblickend das Wichtigste, das du daraus gelernt hast?
Nicht alles, was schiefgehen kann, muss schiefgehen. Wenn man sich wieder zusammenrauft, kann aus dem Zerbrochenen etwas entstehen, das schöner, größer und besser ist, als man es sich je erträumt hat und auch zuvor war.
Was würdest du anderen GründerInnen oder Führungskräften raten, die gerade mit ähnlichen Belastungen kämpfen?
Durchhalten. Hilfe suchen. Mit Familie und FreundInnen reden. Und wenn es nicht mehr geht, professionelle Hilfe holen. Die Überwindung, einmal hinzugehen, ist nur beim ersten Mal groß und dann merkt man für einen selbst, wo und wie es hilft.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zu Person:
Peter Graf gründete 2016 die Online-Handelsfirma North-West. Die Corona-Pandemie stellte ihn und sein Unternehmen vor existenzielle Herausforderungen. Heute führt er das Unternehmen wieder erfolgreich und spricht offen über mentale Gesundheit, Scheitern und Neuanfang. Gemeinsam mit dem Kreativland Tirol und der Standortagentur Tirol hat er den Stammtisch „Creatives & Friends“ ins Leben gerufen.
Zur Veranstaltung:
Am 6. November findet das monatliche Netzwerktreffen „Creatives & Friends“ statt. Es bietet die Möglichkeit, sich auszutauschen, neue Projekte zu diskutieren und das Netzwerk zu erweitern. Diesmal steht das Impulsgespräch „Absturz in drei Akten – How to Fail Your Company (Fast)“ von Peter Graf auf dem Programm.