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Anton Rieder im Interview

Ein gesamtgesellschaftliches Problem

„Die Politik hält natürlich die Fäden in der Hand. Aber verursacht hat sie nicht alles.“ Anton Rieder, Innungsmeister der Landesinnung Bau Tirol
Anton Rieder im Interview

Ein gesamtgesellschaftliches Problem

„Die Politik hält natürlich die Fäden in der Hand. Aber verursacht hat sie nicht alles.“ Anton Rieder, Innungsmeister der Landesinnung Bau Tirol

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Die Krise hat auch die Baubranche eingeholt. Insbesondere im Wohnungsbau herrscht Flaute – und das wird vorerst so bleiben, ist Anton Rieder überzeugt. Woran das liegt und was helfen würde, erklärt der Innungsmeister der Landesinnung Bau im Interview.

Wie viele Wohnungen werden in Tirol aktuell gebaut?

Anton Rieder: Zwischen 2010 und 2020 haben wir hierzulande teilweise bis zu 7.000 Wohnungen pro Jahr errichtet. Für die aktuelle Dekade sieht das ein wenig anders aus. Da kommen wir auf eine prognostizierte Größenordnung von ungefähr 4.500 bis 4.800 Einheiten jährlich.

Ist dieser doch sehr deutliche Rückgang erklärbar?

In erster Linie ist das dem demografischen Wandel zuzuschreiben. Tirol wächst zwar noch, aber nicht mehr ganz so schnell. Aber es gibt natürlich auch noch andere Faktoren, wie die Finanzierung, die momentan schwierig ist. Mit dem Erlass der KIM-Verordnung und dem Zinsanstieg ist der Wohnbau deutlich eingebrochen.

Gibt es für TirolerInnen überhaupt noch Möglichkeiten, Eigentum zu finanzieren?

Aktuell aus meiner Sicht nur, wenn zu einem guten Einkommen ein Erbe dazukommt. Besitzlose junge TirolerInnen tun sich gerade unglaublich hart, Eigentum zu finanzieren – selbst wenn sie gut verdienen.

Wer kauft dann überhaupt Wohnungen in Tirol?

Das ist es ja: Niemand. Oder nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Etwa fünf bis zehn Prozent können sich das momentan leisten. Und für die bauen wir. Anlegerwohnungen sind gerade auch kaum Thema, weil sich die Renditen nicht mehr ausgehen.

Ist eine Erholung in Sicht?

Ich persönlich gehe davon aus, dass die Trendwende erst im Jahr 2025 kommen wird. Dann wird die KIM-Verordnung evaluiert, und ich denke, dass es zu einer Veränderung kommt. Es wird auch signalisiert, dass es irgendwann, frühestens Ende 2024, zu einer Zinswende kommen wird. Die hohen Baukosten werden voraussichtlich bleiben, aber zumindest auf stabilem Niveau. Außerdem werden die Einkommen nachziehen.

Wie ausschlaggebend ist diese Flaute für den Gesamterfolg der Tiroler Baubranche?

Da muss man differenzieren. Unternehmen in der Branche sind unterschiedlich aufgestellt und in unterschiedlichen Feldern tätig. Zum einen gibt es die Großen. Die können zum Teil auf Tiefbau ausweichen, der durchaus noch gut läuft. Kleine Betriebe mit 10 bis 30 MitarbeiterInnen können sich auf die Sanierung fokussieren. Das hilft jeweils zu kompensieren. Am schwierigsten ist es für mittelgroße Unternehmen wie uns. Wir hängen zu 60 Prozent am Wohnbau. Das hat uns im vergangenen Jahr ein Minus von 15 bis 20 Prozent gegenüber 2022 beschert. Und wir können nicht nur um des Bauens willen bauen, wenn es keinen Bedarf gibt. Das ist ein klares Signal, dass sich die Branche transformieren muss. Wir müssen digitaler werden. Wir müssen nachhaltiger werden. Wir müssen eine Kreislaufwirtschaft forcieren. Wir brauchen gute MitarbeiterInnen. All das kostet Geld. Und wenn wir das nicht verdienen, können wir uns nicht transformieren.

Also wird es noch Nachwehen geben?

Strukturell sicher. Man wird es nicht gleich merken, denn das geht schleichend schon seit 20 Jahren so dahin. Aber irgendwann in 20 oder 30 Jahren gibt es nur noch drei große Konzerne. Deswegen müssen wir jetzt die Weichen stellen, dass es auch in Zukunft noch Mittelständler gibt.

Was muss sich ändern, damit Wohnbau wieder leistbar wird?

Es wird wohl nichts daran vorbeiführen, auch ein wenig in die Substanz des Wohnbaus einzugreifen. Ich glaube, wir müssen von unseren Ansprüchen, Anforderungen und den Hunderten Vorschriften, die alles teurer machen, wieder etwas wegkommen. Da wäre es wichtig, eine ernsthafte Diskussion zu führen, was wir im Wohnbau brauchen, und eventuell zwei Kategorien des Wohnbaus zu schaffen. Wie bei der Bahn, da gibt es auch erste und zweite Klasse. In Deutschland gibt es da bereits Pläne.

Das heißt, die Politik ist am Zug?

Ich will fairerweise nicht nur mit dem Finger auf die Politik zeigen. Am Ende ist es ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die Politik hält natürlich die Fäden in der Hand. Aber verursacht hat sie nicht alles. Gerade Normen sind auch oft industriell bedingt. Es muss zuallererst ein gesellschaftlicher Konsens entstehen, wie Wohnbau neu ausschauen soll und worauf man verzichten kann. Die Aufgabe der Politik ist es, die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen zu schaffen.

Was für eine Anpassung würden Sie sich wünschen?

Die Wohnbauförderung hat keine Zweckbindung. Deswegen konnte die Vorgänger-Landesregierung rund 300 Millionen Euro davon anderweitig verwenden. Ich bin der Meinung, dass dieses Geld wieder zurück in den Wohnbau gehört. Mein Vorschlag wäre: Ein Drittel davon soll in den gemeinnützigen Wohnbau investiert werden, ein Drittel in den geförderten Eigentumswohnbau und das letzte Drittel in die Sanierung über einen Zeitraum von drei oder fünf Jahren. Wenn man das in die Hand nimmt, dann schaffen wir Wohnraum, der leistbar ist für die Tirolerinnen und Tiroler.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Anton Rieder ist Innungsmeister der Landesinnung Bau Tirol sowie Vizepräsident der Wirtschaftskammer Tirol. Privatwirtschaftlich leitet er seit 2001 das Tiroler Bauunternehmen Riederbau als Geschäftsführer in zweiter Generation.

20. März 2024 | AutorIn: David Wintner | Foto: Christoph Ascher

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