Finanzthemen galten lange als staubig, trocken und langweilig. Mittlerweile hat sich das geändert: Die Digitalisierung macht sie zugänglicher und ruft auch immer mehr junge Menschen auf den Plan. Wir haben mit zwei Personen gesprochen, was sie zum Investieren antreibt und wo sich Risiken verbergen.
Mit Krypto von Südtirol nach Dubai

Der 28-jährige Südtiroler mit dem Pseudonym Seppmos tauchte 2017 als Student in die Kryptowelt ein. Seinen Bachelor der Wirtschaftswissenschaften machte er in Innsbruck, seinen Master in Innovation und Entrepreneurship in Padova. Vor einem Jahr heuerte Seppmos bei einem Krypto-Start-up in Dubai an.
„Ich habe mich von klein auf für Finanzen interessiert“, erklärt Seppmos. Auch der Berufsberater habe ihm zu einer Karriere in der Finanzbranche geraten. Dass InfluencerInnen auf Social Media Finanzthemen für viele attraktiver gemacht haben, steht für ihn außer Frage, aber eben nicht nur die: „Bei vielen Gleichaltrigen sehe ich eine finanzielle Hoffnungslosigkeit. Die Lebenshaltungskosten gehen durch die Decke.“
Wohnraum zu kaufen, sei fast nicht mehr möglich, mieten sehr teuer. Normale Gehälter würden oft nicht mehr ausreichen. „Viele werben auf Social Media damit, in zehn Tagen ihr Geld zu verfünffachen“, so Seppmos. „Ich kann nachvollziehen, dass das Leute anzieht, auch wenn es meist nach hinten losgeht.“ Als problematisch sieht er die Aussichtslosigkeit einer ganzen Generation: „Es ist alles gegen uns ausgerichtet, Wohlstand durch Arbeit ist schwer zu erreichen.“
Finanzielle Freiheit, langweiliger Index
„Am Beginn war ich durch mein Studium vor allem an Aktien und ETFs interessiert. Mit 18 oder 19 habe ich meine erste Aktie gekauft“, schildert Seppmos. Damals habe er ein bisschen Geld in weit gestreute ETFs investiert. „Während des Studiums habe ich oft von finanzieller Freiheit geträumt“, erinnert er sich zurück. Zufällig sei er dann auf Bitcoin gestoßen, „das hat mich fasziniert“. Seitdem investiert er dort, aufgrund der Risiken aber zudem auch in Aktien und Staatsanleihen. Was ihm seine zehnjährige Erfahrung gelehrt hat: nicht in viele kleine Aktien zu investieren. Das habe er anfangs getan, in der Hoffnung, schnelles Geld zu verdienen. Da sei ein breiter, „langweiliger“ Index wesentlich zielführender. Seppmos rät aber auch dazu, sich eine Sparte auszusuchen und in einen ETF zu investieren, der diese abdeckt: „Das Ziel hat man ja dann bereits ausgesucht, man hat weniger Kopfweh und profitiert vom Wachstum der ganzen Branche.“
Investments in Bekanntes
„Einer meiner größten Fehler war es, auf Leute zu hören, die laut im Internet schreien, und in Sachen zu investieren, von denen ich keine Ahnung hatte.“ Das gehe meistens schief, wie Seppmos heute weiß. Er rät dazu, in Unternehmen zu investieren, deren Produkte man selbst täglich benutzt. Das mache insofern Sinn, als dass man das Produkt verstehe. Seine erste Fahrt in einem Tesla sei ein bewegender Moment gewesen, der ihn überzeugt habe: „Ich habe daraufhin in Tesla investiert.“
„Extrem wichtig“ für all dies ist die finanzielle Bildung an Schulen und Universitäten als gute Grundlage, aber: „Selbst als Wirtschaftsstudent an der Uni habe ich wenig mit auf den Weg gegeben bekommen.“ Sein gesamtes Finanzwissen habe sich Seppmos selbst beigebracht, zu Beginn viele Bücher gelesen und sich im Internet Bildung in Form von Podcasts und Interviews angeeignet. „Mit Interesse kann man sich da wirklich vieles beibringen. Auch mit KollegInnen tauscht man sich aus. So lernt man mit der Zeit dazu.“
Prioritäten ausloten
„Ich glaube, das Interesse an Finanzen und das Interesse an schnellem Geld sind zwei verschiedene Sachen“, so Seppmos. Viele Apps wie Trade Republic würden einen einfachen Zugang zu finanziellen Instrumenten bieten: „Das hätte ich früher gerne gehabt.“ Der leichte Zugang verleite aber auch oft zum Zocken, dennoch sei es positiv, dass sich der Zugang zu Finanzprodukten bessere.
Für seine eigene Zukunft hat sich Seppmos ebenfalls schon Pläne zurechtgelegt: „Ich bin zufrieden mit der Arbeit, die ich mache. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.“ Das nächste Ziel ist nun die finanzielle Freiheit. Die soll durch den Aufbau eines Kapitalstocks gelingen, mit dem sich die Lebenshaltungskosten abdecken lassen. „In zehn Jahren habe ich wahrscheinlich andere Prioritäten, möchte vielleicht wieder nach Südtirol ziehen, meinen Fokus auf Familie, Berge und Natur legen.“
Konservative Strategie für langfristigen Erfolg
Daniel Schreier ist 38 Jahre alt, kommt aus Tirol und arbeitet nicht in der Finanzbranche. Er bezeichnet sich selbst als eher konservativen Anleger, genoss ebenfalls eine wirtschaftliche Grundbildung und kam erst während seiner beruflichen Laufbahn auch privat mit Finanzthemen in Kontakt.
„Ich hatte ein bisschen Vorbildung durch die HAK“, erklärt Schreier, der sich dann aber lange Zeit nicht tiefergreifend mit Finanzen auseinandergesetzt habe, weil schlichtweg das Einkommen fehlte. „Während des Studiums war mir das auch nicht wichtig.“ Das habe sich geändert, als er angefangen habe zu arbeiten: „Da war mehr Kapital da und ich habe durch einen Freund 2020 angefangen, mich mit Geldanlage zu beschäftigen.“
Er startete mit Aktien und der risikoreicheren Krypto. Dafür habe er sich eine strukturierte und langfristig ausgelegte Herangehensweise zurechtgelegt – er bezeichnet sich selbst als konservativen Anleger, der nur mit einem gewissen Teil riskanter investiert. Sein Wissen eignete er sich im Internet und mittels Anlageliteratur an. Schreiers Beweggrund: „Ich bin ein Mensch, der an eine staatliche Pension glaubt, die wird aber nicht so satt bleiben.“
Gefahr durch Gamification
Der mittlerweile einfache Zugang zu Finanzwissen und Tools hat laut Daniel Schreier die Wahrnehmung vieler auf Finanzthemen im Allgemeinen verändert: „Dieses Wissen war damals elitäres Wissen. Das hat sich in die Breite entwickelt und ist viel demokratisierter geworden.“ Gerade durch benutzerfreundliche Anwendungen wie etwa Flatex oder Trade Republic könne man vieles selbst umsetzen, was es für AnfängerInnen aber auch gefährlich mache, Stichwort: „Gamification“.
Schreier selbst habe am Anfang auch kurz mit dem Gedanken gespielt zu traden, habe dann aber schnell die Finger davon gelassen. Was er jungen Menschen, die sich gerade mit Finanzthemen auseinandersetzen, aber auf jeden Fall raten würde, ist Geduld: „Man muss Geduld haben und man muss sich ganz klare Grenzen setzen.“ Beim Traden müsse man diszipliniert sein, sich Wissen aufbauen und „nicht einfach einen Dreitageskurs machen und dann meinen, dass man alles weiß“.
Klüger als der Markt
Sich von seinen Emotionen leiten zu lassen, ist in der Finanzwelt fehl am Platz und trotzdem nicht ausgeschlossen: „Ein Fehler ist es, zu meinen, dass man gescheiter ist als der Markt. Ich habe auch schon auf die deutsche Rezession gesetzt, der DAX ist aber gestiegen, den Verlust habe ich mir eingestehen müssen.“
Das, was am Markt passiere, sei nicht das, was volkswirtschaftliche Daten hergeben würden. Was die grundlegende finanzielle Bildung angeht, sieht Schreier „überall Verbesserungspotenzial“. In der HAK habe er den Grundstoff beigebracht bekommen – „eine der wenigen Schulen, die das anbieten“. Für ihn hat finanzielle Grundbildung mit Selbstständigkeit und Emanzipation zu tun: „Finanzbildung sollte jeder haben, das kann auch schon spielerisch in der Volksschule beginnen.“ Die 50-30-20-Regel (50 Prozent für Fixkosten, 30 Prozent für Freizeit, 20 Prozent sparen) gehöre zum Beispiel zum Grundwissen.
Mit Sicherheitsgurt in die Pension
Für die Zukunft sieht Daniel Schreier noch einige Herausforderungen, die es zu bewältigen gibt: „Das Problem sind die Narrative, die bei jungen Leuten mitschwingen. Ich bin schon älter gewesen, als ich angefangen habe.“ Gefährlich schätzt er die sogenannten Selfmade-InfluencerInnen auf Social Media ein, die scheinbar schnell Geld machen und multiplizieren: „Da ist extrem viel Risiko dabei. Das kann man machen, wenn man jung ist – aber nur mit Wissen und Sicherheitsgurt.“ Für junge Leute werde es aber immer attraktiver werden, weil sich viele selbst etwas aufbauen wollen: „Man muss sein eigenes Geld anlegen und kann sich nicht auf die staatliche Finanzierung und die Banken verlassen.“
Schreier selbst legt 70 Prozent seiner Investments langfristig an, auf zehn Jahre oder sogar mit Blick in Richtung Pension. „Dabei werden sie hoffentlich gut mit fünf bis acht Prozent verzinst.“ Zudem werde er auch Geld im Kryptobereich belassen und versuchen, es dort zu vermehren. Der Rest sei passiv und breit und auf Technologien ausgerichtet. Jetzt gibt es nur noch eines zu tun: „Ich hoffe auf gute Renditen.“
Zahlen, Daten, Fakten
- 2009 wurde mit Bitcoin die erste Kryptowährung von einer oder mehreren Personen unter dem Pseudonym „Satoshi Nakamoto“ eingeführt.
- Mehr als eine Billion US-Dollar Marktkapitalisierung hatte der gesamte Kryptowährungsmarkt im Jahr 2023.
- Tausende Kryptowährungen existieren mittlerweile, wobei täglich neue hinzukommen.
- Täglich werden Milliarden Dollar in Kryptowährungen gehandelt.
- 21 Millionen Coins ist die maximale Versorgung von Bitcoin.
- Geschätzte 100 Terrawattstunden pro Jahr betrug der Energieverbrauch von Bitcoin-Mining im Jahr 2023.
- Ein Volumen von über 20 Milliarden US-Dollar erreichte der Markt für NFTs im Jahr 2023.
- Schätzungsweises 300 Millionen Menschen weltweit besitzen Kryptowährungen.