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Reinhard Klier im Interview

Gipfel der Qualität

„Die Rahmenbedingungen sind natürlich gerade jetzt ein wenig turbulenter. Aber das ist in unserer Branche nicht ganz ungewöhnlich.“ Reinhard Klier
Reinhard Klier im Interview

Gipfel der Qualität

„Die Rahmenbedingungen sind natürlich gerade jetzt ein wenig turbulenter. Aber das ist in unserer Branche nicht ganz ungewöhnlich.“ Reinhard Klier

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Einst jüngster Seilbahnchef Tirols, repräsentiert Reinhard Klier seit Oktober als Fachgruppenobmann Tirols Seilbahner.

Im Interview erzählt der Geschäftsführer des Stubaier Gletschers, wie sich die Branche entwickelt hat, welchen Herausforderungen sich die neue Generation gegenübersieht und wo die Reise hingeht.

Sie haben dieses Jahr Franz Hörl als Obmann der Fachgruppe der Seilbahnen Tirols befolgt. War das ein schweres Erbe?

Reinhard Klier: Schwer war das Erbe nicht, nein. Die Branche ist in Tirol sehr klein strukturiert. Es gibt keine Konzerne, die Skigebiete betreiben. Wir sind 150 Mitgliedsbetriebe und damit eine noch überschaubare Gruppe, die sich regelmäßig austauscht. Der Spirit in der Branche ist ein sehr zuversichtlicher, alle sind sehr naturverbunden und bodenständig. Von dieser Seite her ist es auf jeden Fall sehr positiv. Und das ist auch der Grund, warum ich das mache.

Die Rahmenbedingungen sind natürlich gerade jetzt ein wenig turbulenter. Aber das ist in unserer Branche nicht ganz ungewöhnlich, dass wir im Gebirge mit widrigen Bedingungen umgehen und dabei einen kühlen Kopf bewahren müssen.

Der Wintertourismus war in Tirol in den vergangenen Jahrzehnten von Superlativen geprägt. War oder ist das eine Sackgasse?

Eine Sackgasse würde ich das nicht nennen. Aber die Pioniergeneration hatte sicher viel Selbstbewusstsein, nachdem sie so viel geschaffen hatten. Und das kann man auch nicht genug anerkennen. Bei ihnen ging es um die Erschließung der hinteren Talschaften. Das war vor allem eine technische Herausforderung, die man ihnen nicht hoch genug anrechnen kann. Dafür sind mit jeder neuen Seilbahn neue Gäste gekommen. Das war kaufmännisch eine unmittelbare Bestätigung.

So einfach funktioniert das heute nicht mehr und auch das Geschäft an sich ist komplexer geworden. Die Verwaltungsherausforderungen werden größer und auch das Finden von Kompromissen mit anderen Stakeholdern wird immer wichtiger. Aber aus diesem Selbstbewusstsein heraus sind die Leistungen vielleicht auch sehr stark nach außen präsentiert worden – bis in eine Zeit, wo das nicht mehr so ganz das gute Argument war.

Investitions- oder Nächtigungsrekorde sind in der Kommunikation heute nicht mehr so gefragt. Aber es gibt auch viele Fehlannahmen: Wenn man sich die Zahl der Anlagen ansieht, war in den 1990ern das Maximum erreicht. Seither ist sie rückläufig. Die Förderleistung hat zwar zugenommen, aber weil wir alte Anlagen ersetzt haben und teilweise zwei Lifte einem Sessellift gewichen sind.

In der öffentlichen Wahrnehmung bekommt man immer wieder das Gefühl, dass Skigebiete ohne Rücksicht auf Verluste investieren. Das hat, wenn man sich die statistische Entwicklung der Anlagen anschaut, nicht stattgefunden. Das Streben nach Superlativen ist nicht nachhaltig, nicht mehr so gefragt und nicht mehr im Interesse der Branche. Wir streben zwar – natürlich – nach qualitativen Superlativen, nicht aber nach quantitativen.

Also baut die Branche auf Innovation? Hat Tirol hier Potenzial?

Bei der Qualität der Infrastruktur sind wir weltweit Spitzenreiter. Es gibt wenige Regionen mit so modernen Anlagen – was übrigens kein Widerspruch zur Nachhaltigkeit ist. Moderne Infrastruktur ist energieeffizienter.  Bei Seilbahnen und Liftanlagen reden wir von einer Effizienzsteigerung von 20 Prozent, bei der Beschneiung sogar von 50 in den letzten 20 Jahren. Da gehen Nachhaltigkeit und Innovation Hand in Hand.

Allerdings lässt sich unser Grundprodukt, Menschen auf den Berg zu bringen, schwer innovieren. In Teilbereichen, wie der Nachhaltigkeit, die es ohne Innovationen nicht geben kann, oder der Automatisierung, gibt es auf jeden Fall noch Potenzial. Gerade Letzteres kommt auch MitarbeiterInnen zugute, die ihre Energien dann auf wichtige und sinnvolle Aufgaben konzentrieren können. Das andere große Thema ist die Digitalisierung, die an keiner Branche vorübergehen wird.

Gibt es noch andere Möglichkeiten für die Branche, sich weiterzuentwickeln?

Für viele Seilbahnunternehmen ist die Personalentwicklung ein wichtiges Thema. Die Herausforderung ist, dass wir einerseits technische MitarbeiterInnen brauchen, andererseits auch welche mit einer hohen Dienstleistungsorientierung.

Das bringt auch mit sich, dass wir zum Beispiel den Standard der Mitarbeiterunterkünfte enorm gesteigert haben. Hochwertige Unterkünfte sind inzwischen nicht nur ein Argument, um MitarbeiterInnen zu gewinnen – ohne sie geht es heute gar nicht mehr. Und da müssen wir alle Register ziehen. Denn auch wenn wir ein schönes Betätigungsfeld bieten, werden wir, so wie alle Branchen, aktuell nicht gerade von motivierten MitarbeiterInnen überrannt.

Die Mitarbeitersituation bleibt also angespannt?

Die Lage hat sich ein wenig gebessert. Wir sehen schon, dass wir mit attraktiven Unterkünften, Freizeitangebot, der Kombination von Arbeit im Gebirge und mit Menschen und Technik ein Umfeld bieten können, das Interesse weckt. Allerdings wäre es angesichts der demografischen Entwicklung blauäugig zu glauben, dass der Arbeitskräftemangel sich von alleine lösen wird. Das wird eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte.

Im Tourismus wird das ja nicht zuletzt durch die nicht immer ganz optimale Tourismusgesinnung in der Tiroler Bevölkerung verschärft…

Das ist ein Thema, mit dem wir uns aktuell intensiv auseinandersetzen. Wir als Branche sind klein strukturiert, regional stark verankert und machen uns seit Jahren Gedanken über Nachhaltigkeit in allen Aspekten – sozial wie ökologisch und ökonomisch. Aber irgendwie bringen wir das nicht so richtig rüber. Und da gibt es Schwierigkeiten auf drei Ebenen.

Ganz vorne steht die Attraktivität als Arbeitgeber. Das ist ein regionales Thema. Da ist schon einiges gelungen und das funktioniert vielerorts auch gut. Je näher man am Inntal ist, desto schwieriger wird es, weil dort die Auswahl an Jobs breiter ist. Je weiter man in die Täler sieht, umso präsenter ist die Relevanz des Tourismus als Arbeitgeber.

Auf Ebene von Tirol ist es mehr ein Imageproblem. Da stellen sich dann Fragen wie: „Will ich, dass so viele Gäste in mein Land kommen und mir meine Freizeitinfrastrukturen streitig machen?“ Das spielt, glaube ich, besonders in Innsbruck eine Rolle. Wobei das eine müßige Frage ist, denn ohne Gäste würde es weder Infrastruktur noch Sportmöglichkeiten geben. Aber wer sich ein wenig intensiver mit dem Problem befasst, hat meiner Erfahrung nach auch meistens ein Verständnis dafür, dass es Kompromisse braucht.

Spielt die Klimathematik dabei auch eine Rolle?

Vor allem auf der großen Ebene. Das betrifft größtenteils Menschen aus Ostösterreich und Mittel- und Norddeutschland. Da kommt die Frage, ob es Skiurlaub überhaupt noch braucht. Das sind aber Leute, die weit weg von dem Thema sind und denen sowohl das Bewusstsein um die wirtschaftliche Notwendigkeit fehlt als auch um die Tatsache, dass der Urlaub bei uns im Hinblick auf die CO2-Bilanz eine schonende Reise ist. Den größten Klimaschaden richtet die Anreise an. Und die ist bei den Gästen, die bei uns aus der relativen Nähe kommen, eher kurz. Dazu kommt, dass wir unsere Seilbahnen und Liftanlagen mit Strom aus erneuerbaren Quellen betreiben und durch moderne Systeme generell sehr energieeffizient operieren. Das Optimum erreicht ist da aber natürlich noch nicht. Würde es uns gelingen, Gäste mehr zur Anreise mit dem Zug zu animieren und vor Ort durchgängige Elektromobilität zu bieten, könnten wir eine noch massiv CO2-reduziertere Urlaubsform anbieten.

Sie sind als Multiunternehmer auch im Sporthandel aktiv. Ist die Mitarbeitersituation dort ähnlich?

Auch da gibt es aktuell eine Entspannung und wir bekommen relativ viele Bewerbungen. Es ist eher die Frage, wie die Motivation ist. Wir sind immer froh, wenn wir motivierte MitarbeiterInnen finden. Aber wir haben in Tirol sicher auch den Vorteil, dass die Arbeit im Bergsportsegment und mit Sportartikeln bei vielen einen Nerv trifft. Da tun wir uns vielleicht ein bisschen leichter als andere.

Und wie steht es um die Inflation?

In welcher Branche ist die im Moment spürbarer? Im Sporthandel merken wir schon seit einem guten Jahr, dass die Teuerung der Kauflust einen ordentlichen Dämpfer verpasst hat. Dazu kommen die Nachwehen der Pandemieeffekte von vorgezogenen Käufen über Lieferengpässe und mehr, die sich bis heute noch auswirken. Durch den Wintereinbruch haben wir jetzt eine ein wenig positivere Tendenz und ich hoffe, dass die relativ hohen Gehaltsabschlüsse auch zu einer steigenden Kaufkraft führen und helfen werden, die Krisenstimmung zu überwinden.

Beim Reisen ist die Situation ähnlich komplex und auch da sind sicher noch versteckte Folgen von Covid feststellbar. Dazu kam die Schneeknappheit im vergangenen Winter, die uns Ergebnisse knapp fünf Prozent unter dem Vor-Covid-Niveau beschert hat – was nicht schlecht war, ein Rekord aber auch nicht. Aktuell ist die Schneelage fantastisch – und nicht nur bei uns, sondern auch in den Quellmärkten. Schnee in Berlin motiviert potenzielle Gäste. Das spricht für eine gute Wintersaison. Ich vermute, dass die Teuerung Effekte haben wird, zumindest bei Nebenausgaben oder Kurztrips. In Summe haben wir aber die Chancen, uns zu steigern und vielleicht schon an das Vor-Covid-Niveau heranzukommen.

Wintersport war in Tirol immer ein Erfolgsgarant und hat sich selbst nach Covid erstaunlich schnell erholt. Hat die Branche mit der Klimathematik eine Mauer erreicht?

Ich bin überzeugt, dass das nicht der Fall sein wird. Die Branche – und das kommunizieren wir auch zu wenig – überlegt sich permanent neue Angebote. Es gibt, glaube ich, keine Destination, die nicht massiv ihr Sommerangebot ausgebaut hätte. Mancherorts ist der Juli bereits ausgebucht. Und die Saison wird sich in den Juni und September ausdehnen. Damit hat Sommerfrische großes Potenzial.

Was die Wintersaison betrifft, wird es natürlich zu Einschränkungen kommen. Aber es gibt Studien und Prognosen, die uns einen guten Planungshorizont bieten. Natürlich wird das Schneemangelrisiko etwas zunehmen, aber es wird vorerst nicht so dramatisch ausfallen, wie es teilweise dargestellt wird. Bei einer Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um 2 Grad spricht man davon, dass 13 Prozent der österreichischen Skigebiete inklusive Beschneiung ein erhöhtes Schneemangelrisiko haben werden. Von einer Mauer kann man also nicht sprechen – Herausforderungen wird es natürlich geben. Aber wir passen uns so oder so laufend an.

In welche Richtung geht es für das vielzitierte „Sportland Tirol“ in den kommenden Jahren und Jahrzehnten?

Ich glaube, dass sich der Sport und der Bergsport weiterentwickeln werden. Es wird immer wieder neue Sportarten geben, wie Downhillen und Klettern aktuell beweisen. Gerade in Tirol haben wir viele Regionen und Tourismusverbände, aber auch BergführerInnen, SkilehrerInnen und ProfessionalistInnen, die sich Gedanken machen, wie man neue Trends als Angebot gestalten kann.  In 40 Jahren wird es Sportarten geben, die wir uns noch gar nicht vorstellen können.

Die Herausforderung für uns wird es sein, beweglich zu bleiben, nicht nur beim Sport, sondern auch in unserer Mentalität. Das zeigt auch das Downhill-Beispiel: Wir müssen immer darüber nachdenken, wo eine Sportart Platz finden kann, welche Konflikte entstehen können und wie wir damit umgehen. Zugleich dürfen wir uns nicht zu sehr an das klammern, was wir schon haben, und müssen offen für Neues sein.

Kurz gefragt

  • Skifahren habe ich gelernt … mit drei Jahren.
  • Eine gute Piste macht aus … dass sie ein interessantes Relief mit Wellen und Kuppen hat.
  • Mein Traum-Opening-Event wäre … der Freeski-Weltcup, den wir dieses Jahr zum siebten Mal ausgerichtet haben.
  • Im Sommer … gehe ich, wenn es die Zeit zulässt, am liebsten Klettern.
  • Der Wintertourismus hat … in Tirol erst eine strukturelle Entwicklung der ländlichen Regionen ermöglicht.

Zur Person

Mit 31 Jahren übernahm Reinhard Klier 2011 die von seinem Vater, dem Wintersportpionier Heinrich Klier, Ende der 1960er gegründete Wintersport Tirol AG.

Seither ist er Geschäfts­führer eines der größten Gletscherskigebiete Österreichs. Zudem ist Reinhard Klier auch als Vorstand von Intersport Okay und bei dem Online-Sportartikelhändler SportOkay aktiv.

Der Stubaier Gletscher in Zahlen

  • MitarbeiterInnen: 300
  • Skigebiet: Gesamtfläche: 1.450 ha, davon 205 ha präparierte Skigebietsfläche
  • 108 Pistenkilometer
  • 26 Seilbahnen und Lift­anlagen mit einer Beförderungskapazität von 40.042 Personen pro Stunde

Davon:

  • 5 Gondeln und Kleinbahnen
  • 7 Sesselbahnen
  • 10 Schlepplifte
  • 4 Übungslifte und Zauberteppiche
  • 5 Restaurants
  • 5 Hütten

  • TopTirolStubaierGletscherFeature22

    „Auch wenn wir ein schönes Betätigungsfeld bieten, werden wir aktuell nicht gerade von motivierten MitarbeiterInnen überrannt.“ Reinhard Klier

  • TopTirolStubaierGletscherFeature14

    Reinhard Kliers Vater Heinrich begründete das Skigebiet am Stubaier Gletscher, das 1973 seinen Betrieb aufnahm.

13. Dezember 2023 | AutorIn: Daniel Feichtner | Foto: Gerhard Berger

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