Die sogenannte Generation Z – die Jahrgänge von 1997 bis 2012 – stellt mit neuen Wertvorstellungen das Gastgewerbe auf den Kopf.
Klassische Restaurantführer wie Guide Michelin oder Gault & Millau gelten unter GastronomInnen und KöchInnen als das Maß der Dinge und stehen für ausgezeichnete Küchenqualität. Die Generation Z hingegen orientiert sich vielmehr an Social-Media-Kanälen sowie Online-Bewertungen und rückt verstärkt Themen wie Nachhaltigkeit, Regionalität und Erschwinglichkeit ins kollektive Bewusstsein. Neuen kulinarischen Trends sowie Essens-Erlebnissen werden dabei mehr Bedeutung geschenkt als den traditionellen Richtlinien. Wir haben Thomas Reisenzahn von der Prodinger Tourismusberatung vier Fragen gestellt, ob sich das Gastgewerbe künftig neu erfinden muss.
Herr Reisenzahn, werden Restaurantbewertungen wie jene der Michelin-Sterne in Tirol künftig unbedeutender?
„Restaurantbewertungen sind ein zweischneidiges Schwert: In einer der am härtesten bewerteten Branchen kann eine einzelne Kritik an einem Tag das gesamte Geschäftsjahr eines Betriebs beeinflussen. Hauben, Gabeln oder Sterne seien dabei sowohl Segen als auch Belastung. Besonders der Guide Michelin steht in der Kritik – nicht zuletzt, weil er in Österreich großzügig finanziell von der öffentlichen Hand unterstützt wird. Für den Tourismus spielt Kulinarik zweifellos eine Rolle – jedoch nicht als ausschlaggebender Hauptgrund für eine Urlaubsentscheidung. In der Folge verlieren klassische Restaurantbewertungen zunehmend an Relevanz und Strahlkraft, was sich auch in Tirol bereits bemerkbar macht.“
Welche Kriterien sind für die Generation Z relevant?
„Die Gen Z bringt ein völlig neues Ernährungsverständnis mit sich – und das spiegelt sich auch im Tourismus wider. Über 70 Prozent der Tirol-Gäste stammen aus urbanen Räumen, wo sich kulinarische Gewohnheiten nochmals deutlich unterscheiden. Im Vordergrund steht eine gesundheitsbewusste, reflektierte Ernährung: pflanzenbasierte Speisen wie vegetarische, vegane oder flexitarische Varianten werden bevorzugt. Dazu kommen Trends wie Superfoods, Clean Eating und Functional Food. Der Umgang mit Zucker, Gluten, Zusatzstoffen und stark verarbeiteten Lebensmitteln wird kritisch hinterfragt. Biologische, regionale und saisonale Produkte gewinnen weiterhin massiv an Bedeutung. Zudem wird Ernährung bei der Gen Z zunehmend als Ausdruck von Selbstoptimierung und Identitätsbildung verstanden. Die klassische Dreiteilung des Tages in Mahlzeiten verliert an Bedeutung. Stattdessen wird in kleinen, snackartigen Portionen über den Tag verteilt gegessen – ein klarer Gegensatz zur traditionellen Halbpension in Hotels. Diese Entwicklung stellt die Branche vor Herausforderungen, denn die Gen Z – die bald rund 30 Prozent des Reisemarkts stellen wird – hat wenig Interesse an einem abendlichen Sechs-Gänge-Menü in Hotelrestaurants.“
Wie könnten Restaurantbewertungen also künftig ausschauen?
„Die Gen Z verlässt sich nicht mehr auf klassische Bewertungen – und schon gar nicht auf Rezensionen im herkömmlichen Sinne. Stattdessen orientiert sie sich an Social Media, an Werten, Bedürfnissen und der Frage, wie ein Lokal sie in ihrer Lebensrealität anspricht. Tiktok-Rezepte, Instagram-taugliche Gerichte, die visuelle Gestaltung eines Lokals und der direkte Lifestyle-Bezug zählen heute mehr als eine Auszeichnung im Restaurantführer. Traditionelle Bewertungen gelten vielfach als schwer nachvollziehbar und werden grundsätzlich kritisch hinterfragt. Siehe auch unseren Trendreport.“
Was bedeutet das für die heimischen Betriebe?
Die Frequenz von Restaurantbesuchen nimmt ab – ein Trend, der sich unmittelbar auf die wirtschaftliche Lage vieler Betriebe auswirkt. Das Auswärtsessen verliert an Selbstverständlichkeit, wird selektiver. Für Restaurants bedeutet das: Um für die Gen Z relevant zu werden, muss Kommunikation neu gedacht werden. Es reicht nicht mehr, ein Menü zu posten – man muss Content schaffen: Rezeptideen, Ernährungstipps, Lifestyle-Impulse. Nur so wird man auf Plattformen gefunden und bleibt im Gespräch der Zielgruppe. Wer als Restaurant erlebbar wird, wird auch besucht.