Nach kräftigem Konjunkturwachstum im ersten Halbjahr 2022 befindet sich die Österreichische Volkswirtschaft mittlerweile im Abschwung. Auf das verarbeitende Gewerbe kommt sogar eine Rezession zu.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO und das Institut für höhere Studien IHS präsentierten am Freitag auf einer Pressekonferenz in Wien ihre Konjunkturprognosen für das kommende Jahr. Dank eines starken ersten Halbjahres 2022 darf sich die Österreichische Wirtschaft über ein saftiges Wachstum des realen BIPs von voraussichtlich 4,8 Prozent freuen. Das prognostiziert das WIFO. Ein sich erholender Tourismussektor und die, allen Unkenrufen zum Trotz, boomende Industrie heizten die Wirtschaft kräftig an. Auf die Phase der Hochkonjunktur folgt jedoch ein Rückgang der Wirtschaftsleistung. Hohe Inflation und Energiepreise setzen dem starken Aufholprozess nach der Coronakrise ein jähes Ende. Laut dem IHS sinkt das BIP im dritten Quartal 2022 um 0,5 Prozent. Dieser Trend wird sich im Winter weiter fortsetzen.
Erste Stagflation seit 50 Jahren
Mit weiterhin hoher Inflation und einem von WIFO und IHS prognostizierten Wirtschaftswachstum von 0,2 beziehungsweise 0,3 Prozent im nächsten Jahr, bei einem deutlichen Rückgang im ersten Halbjahr 2023, steuert Österreich zum ersten Mal seit den 1970er Jahren auf eine Stagflation zu. Zum einen hemmt die Abschwächung der Weltkonjunktur die heimischen Exporte, was sich negativ auf Industrie und Investitionen auswirkt. Zum anderen sorgen stark gestiegenen Preise von Energie und Rohstoffen für erhöhte Kosten der Unternehmen. Vor allem die Industrie wird unter den stark gestiegenen Preisen leiden und in eine Rezession rutschen, so das WIFO. „Die im Vergleich zu den USA um das zehnfache höheren Gaspreise dämpfen auch die mittelfristigen Prognosen“, erklärt Christian Glocker vom WIFO, „Die werden auch erstmal auf dem aktuellen Niveau bleiben.“
Vorsicht vor Gasnationalismus
Die Gasversorgung für den Winter sei aber gesichert. Selbst wenn die Gaslieferungen aus Russland komplett zum Erliegen kämen, da diese sowieso nur noch ein Achtel der Ursprünglichen Menge betragen. Die Österreichischen Gasspeicher seien laut WIFO zu 85 Prozent gefüllt. Engpässe werden wenn dann im nächsten Jahr erwartet. Sollte dieser Fall tatsächlich eintreten, würde dies die Industrierezession allerdings deutlich verschärfen. Klaus Neusser vom IHS warnt jedoch vor Gasnationalismus: „Das sorgt für Lieferkettenprobleme die eine enorme Schädigung des Binnenmarktes zur Folge hätten.“ Das schade auch der heimischen Wirtschaft. Auch eine Übersubvention der Industrie sieht er kritisch: „Selbst ein europäischer Gaspreisdeckel könnte dazu führen, dass Gas in andere Regionen der Welt zu einem höheren Preis verkauft wird.“
Maßnahmen reichen nicht
Die Inflation bleibt laut WIFO und IHS ebenfalls weiterhin hoch. Bis zum Jahresende könnte diese aufgrund von Marktstimulationen wie dem Klimabonus und der kommenden Lohnsteigerungen sogar noch weiter steigen. Im kommenden Jahr werde sich die Abschwächung der konjunkturellen Dynamik langsam bemerkbar machen und die Teuerungsrate auf 6,6 Prozent senken. Was jedoch immer noch mehr als dreimal so hoch ist wie das anvisierte Ziel der EZB. Deren Maßnahmen der Inflationsbekämpfung seien zu gering angesetzt. Wenn man die letzte Stagflation in den 70er Jahren zugrunde lege, müssten die Zinsen zweistellig sein. So werde die Inflation ein Thema bleiben.
Investitionen sind die Lösung
WIFO und IHS sind sich einig, dass nur langfristige Investitionen den Weg aus der Krise ebnen. Vor allem müsse die Energiewende vorangetrieben werden, um sich von Gasimporten unabhängig zu machen. „Der Ausstoß an Treibhausgasemissionen ist 2022 zwar um 2,2 Prozent gesunken, das liegt jedoch weit vom anvisierten Ziel von Netto Null bis 2050 entfernt“, sagte Gabriel Felbermayr vom WIFO. „Dafür bräuchte man mindesten fünf Prozent.“ Fotovoltaik müsse laut Neusser mit großangelegten Maßnahmen gefördert werden. Den Weg in die richtige Richtung würden kleine und mittelständische Unternehmen zeigen, die schon jetzt in Energieautonomie investieren.