Sozial und ökologisch zu wirtschaften ist nicht nur Start-ups vorbehalten. Dazu braucht es auch innovative Köpfe und bestehende Unternehmen, sind Jana Ganzmann und Alexander Auer vom Impact Hub Tirol überzeugt. Was sich seit der Gründung des Impact Hubs vor einem halben Jahr getan hat, erzählen die beiden im Interview.
Ihr habt 2019 mit SETup eine ähnliche Organisation gegründet. Was hat euch dazu bewogen, zweieinhalb Jahre später dem globalen Impact-Hub-Netzwerk beizutreten?
JANA GANZMANN: Wir haben gemerkt, dass wir das Konzept von Community mehr brauchen, sodass Leute dauerhaft ein Netzwerk finden, in dem sie sich gegenseitig unterstützen. Außerdem können wir als Teil vom globalen Netzwerk auf 15 Jahre Erfahrung zurückzugreifen, Programme gemeinsam mit Hubs in anderen Städten machen und die Communitys miteinander verknüpfen.
ALEXANDER AUER: Impact Hub war das passende Netzwerk, weil es das Globale verbindet, wir aber eine Organisationsstruktur haben, in der wir als lokaler Hub sehr eigenständig sind. Die Themen Nachhaltigkeit und Impact müssen überall auf der Welt regional abgehandelt werden. Aber der Klimawandel ist kein lokales Tiroler Phänomen. Wir können zum Beispiel in der Landwirtschaft von Know-how aus Schottland profitieren, weil wir eine ähnlich strukturierte Landwirtschaft haben.
Was versteht ihr unter Impact?
AUER: Grundsätzlich verstehen wir darunter alle Auswirkungen, die unternehmerisches Handeln hat. Das können direkte oder indirekte, gute oder schlechte Auswirkungen sein. Wenn wir sagen: „Impact schaffen“, dann meinen wir gute Auswirkungen. Wenn wir Impactanalysen in Unternehmen machen, dann nehmen wir natürlich die schlechten mit.
Als Vision steht auf eurer Homepage: „Tirol wird zum internationalen Hotspot für soziale und ökologische Innovation – für eine lebenswerte Region, jetzt und in der Zukunft.“ Wie wollt ihr das schaffen?
GANZMANN: Indem wir verstärkt auf Innovation und Kollaboration setzen. Wir bringen die Menschen zusammen, die schon aktiv sind, egal, ob Vorzeigeunternehmen, Impact-Start-ups oder Menschen, die gesellschaftlich aktiv sind. Der Impact Hub ist das größte globale Netzwerk für Impact und Entrepreneurship. Wir haben weltweit die größte Expertise, was dieses Thema angeht. In Form von Innovationsprogrammen mit lokalen Partnern sollen neue Lösungen und Kollaborationen entstehen.
AUER: Für uns ist Tirol der perfekte Ort, um sich als Hotspot für soziale und ökologische Innovation zu positionieren, weil man hier noch das vor Ort hat, was schützenswert ist. Unsere Schwesternhubs sind teilweise in riesigen Metropolen, da ist es schwieriger. In Tirol sieht man die Auswirkungen direkt. Und wir entwickeln nicht nur Projekte in Tirol für Tirol, sondern auch aus Tirol hinaus.
Könnt ihr ein Beispiel für ein solches Projekt nennen?
AUER: Letztes Jahr haben wir ein Programm zum Thema soziale Innovation für Kinder und Jugendliche gemeinsam mit dem SOS Kinderdorf gemacht – das war das Social Innovation Lab. Mit anerkannten österreichischen Expert:innen, aus Daten von Rat auf Draht und aus SOS-Kinderdorf-Fokusgruppen haben wir die fünf größten Challenges für Kinder und Jugendliche herausgesucht. Dann haben wir einen Prozess vorgeschlagen, 60 Leute eingeladen, die gerne Lösungen entwickeln und sich selbstständig machen möchten. Drei Projekte betreuen wir jetzt noch. Dabei entstanden sozialunternehmerische Konzepte wie der „Naschgarten“, ein Verein, der Kindern in Wien praktische Kompetenzen rund um die Ernährung vermittelt, oder „Rümi“, ein Pop-up-Spielplatz für einen verbesserten Lebensraum für Kinder.
Wer sind eure Zielgruppen?
AUER: Unsere Herangehensweise ist eine holistische. Wir arbeiten nicht nur mit Start-ups – das war der bewusste Schritt von SETup zu Impact Hub. Wir wollen auch mit bestehenden Unternehmen arbeiten. Deswegen machen wir viel Unternehmensberatung. Unsere Community ist auch für Einzelpersonen zugänglich. Wenn wir die Ökologie und das Soziale in unser Wirtschaftssystem integrieren wollen, kann ich nicht sagen, ich gründe ein paar neue Start-ups und dann ändert sich alles. Sondern es müssen sich bestehende Strukturen und Institutionen ändern. Wenn Journalist:innen nicht über das Thema Bescheid wissen, dann können sie nicht darüber berichten. Wenn Politiker:innen nichts damit anfangen können, können sie nicht die Rahmenbedingungen setzen. Wenn Banken und Fonds nicht wissen, wie man mit finanziellen Mitteln sozialen und ökologischen Impact schafft, dann geht das nicht.
Was kann man sich unter der Unternehmensberatung vorstellen?
GANZMANN: Bei uns macht die Unternehmensberatung vor allem Martin Hörtnagl. Er hat einen systemischen Coaching-Zugang. Es geht darum, herauszufinden, wo das Unternehmen steht und wo es hin will. Ob das ist, dass man sich klimaneutral entwickelt, oder ob man inklusive Arbeitsmodelle schafft. Das sind zwei verschiedene Wege, die man natürlich gleichzeitig gehen kann. Oder, wo man sich entscheiden kann. Weil wir auch verstehen, dass man nicht alles auf einmal machen kann und dass es ein Transformationsprozess ist, dem man Zeit geben muss.
Wie wird das Angebot angenommen?
AUER: Gerade in der ersten Phase der Selbsteinschätzung wird es sehr gut angenommen – da sind wir überrascht. In die späteren Phasen müssen wir uns erst hineinentwickeln. Für uns würde das zu Ende gedacht so aussehen, dass Unternehmen mit ihrer Kernkompetenz gemeinsam mit einer NGO oder einem Social-Start-up neue Innovation, ein neues Produkt, eine neue Dienstleistung schaffen.
GANZMANN: Man sieht, dass der Bedarf auf jeden Fall da ist und dass Tiroler Unternehmen sich in diese Richtung entwickeln wollen. Viele kommen aus dem Familienunternehmertum. Da ist es sehr präsent, dass man wertebasiert arbeitet. Klar sind die Social-Startup-Wörter immer ein bisschen abgehoben. Aber im Endeffekt geht es um wertorientiertes und zukunftsfähiges Wirtschaften.
Welche Branchen kommen zu euch?
GANZMANN: Tourismus, kleinere Hotels, aber auch die Baubranche – das ist ganz unterschiedlich. Wir sind gar nicht branchenspezialisiert.
Wo gibt es in Tirol noch Aufholbedarf?
AUER: In Tirol passiert viel. Es gibt Berater:innen, die gute Arbeit machen. Das ist nichts, das Impact Hub neu nach Tirol gebracht hat. Zwar passiert viel, aber uns passiert es zu langsam. Damit es mich als Unternehmen in zehn Jahren noch gibt, muss ich mir in dieser Zeit sowieso etwas zur Nachhaltigkeit überlegen. Die Frage ist nur, wieso mache ich es nicht jetzt schon.
Inwiefern zahlt eine solche Transformation sich aus wirtschaftlicher Sicht aus?
GANZMANN: Unternehmen wie Hollu, die super aufgestellt sind, was die Sustainable Development Goals betrifft, haben kein Problem, Personal zu finden. Für die Lücke, an dem, was wir an Aufholbedarf haben, ist ein riesiger Markt da. Viele Probleme, die wir als Gesellschaft zu lösen haben, sind durch unternehmerisches Potenzial bewältigbar – und dementsprechend langfristig rentiert es sich.
Laut einer Grafik auf eurer Website sollten sich konventionelle in zukunftsfitte Unternehmen verwandeln. Sind konventionelle Unternehmen nicht zukunftsfit?
AUER: Nein, ich glaube, wenn man nicht Nachhaltigkeit und Impact in sein Geschäftsmodell integriert, schafft man es nicht. Man wird es auch nicht schaffen, wenn soziales und ökologisches Engagement nur durch den Budgetüberschuss finanziert wird und ich die 100.000 Euro, die am Schluss übrigbleiben, spende. Ich muss ökologische Nachhaltigkeit mitskalieren. Je größer das Unternehmen, desto mehr muss ich für die Nachhaltigkeit tun. Es gibt kaum Menschen, die – wenn es sich wirtschaftlich abbilden lässt – nicht zur nachhaltigen Alternative greifen.
Was fehlt euch vonseiten der Politik?
AUER: Bei der Politik fehlen grundsätzlich die Fürsprecher. Soziale Innovation ist im Sozialministerium integriert, das eine schwere Aufgabe mit dem Gesundheitsministerium hat. Die Frage ist, wer ist in Österreich der Kopf, der wirklich Social Entrepreneurship vorantreibt. Es gibt nicht eine Partei, wo ich sagen könnte, die haben ein Interesse an Social Entrepreneurship. Und dann braucht die Politik auch Mut. Die Unternehmen sind schon viel weiter, die Start-ups sowieso. Die Politik setzt zu wenige Leitplanken, mit denen ich als Unternehmen planen kann. Wenn ich weiß, ich habe ab dem Jahr kein Dieselprivileg mehr, dann kann ich mir etwas überlegen. Auch für Investoren könnte man klare Anreize schaffen.
Wohin wollt ihr den Impact Hub entwickeln?
GANZMANN: Bei uns geht’s in nächster Zeit stark darum, eine Gemeinschaft von Leuten aufzubauen, die in Tirol etwas bewegen wollen, und bestehende Bereiche auszubauen. Das sind Beratungen, Programme und Räumlichkeiten anzubieten für Leute, die entweder neu gründen, einen Transformationsprozess durchlaufen oder Innovation anstoßen wollen.
Über den Impact Hub Tirol
Der Impact Hub Tirol ist Teil des globalen Impact-Hub-Netzwerks mit Sitz in Wien. Das Zentrum richtet sich an bereits bestehende Unternehmen, an Start-ups, aber auch an Einzelpersonen, die soziale und ökologische Innovation vorantreiben wollen. Ziel ist es vor allem, die Akteure zu vernetzen. Der Impact Hub hat seinen Sitz in der Kulturbackstube Bäckerei in Innsbruck.