Als zweite Vizebürgermeisterin Innsbrucks leitet Elisabeth Mayr die Geschicke der Hauptstadt, vor allem in Bildungs-, Frauen- und Familien-Agenden. Im Interview spricht sie über ihren Wahlkampf, darüber, was sie bewegt und was sie der Stadt wünschen würde.
Die Innsbrucker BürgermeisterInnenwahl ist geschlagen. Welches persönliche Resümee ziehen Sie?
Elisabeth Mayr: Neben den brennenden Themen wie Wohnen, extreme Lebenshaltungskosten, Verkehrsberuhigung und Platzgestaltung haben die meisten Menschen betont, wie wichtig es ist, dass es ein Miteinander gibt – in der Politik und in der Bevölkerung. Es ist ein gutes Gefühl, dass wir durch die Wahlen und mit der neuen Koalition nun genau das leben können. Für uns als SPÖ ist es auch schön, dass wir als einzige etablierte Partei dazugewinnen konnten. Ein Plus von 50 Prozent und nach einem Vierteljahrhundert wieder einen Vizebürgermeister bzw. eine Vizebürgermeisterin zu stellen, das ist ein Erfolg, über den wir uns sehr freuen.
Sie plädierten in Ihrem Wahlkampf für mutiges Handeln. Wo mussten Sie in den vergangenen Monaten Mut beweisen?
Mut heißt für mich, die Komfortzone zu verlassen, klar zu benennen, was wir ändern wollen und wofür wir einstehen. Das haben wir im Wahlkampf getan. Für die Umsetzung braucht es aber immer ein Team, gemeinsame Ziele und wechselseitiges Vertrauen. Mut und Vertrauen haben in der letzten Periode gefehlt, jetzt sind sie Programm. Das ist gut so.
Sie kommen ursprünglich aus dem Bereich der Germanistik. Was hat Sie zu einer politischen Karriere bewogen?
Direkt vor Ort das Leben mitzugestalten und Politik im Allgemeinen haben mich schon im Volksschulalter begeistert. Ich habe Literaturwissenschaft studiert und in Texten spiegeln sich die vielfältigsten Auffassungen von Wirklichkeit. Sie stehen immer im Kontext – von Geschichte, Kultur, Politik, Religion, Philosophie oder Wissenschaft und ihren eigenen unterschiedlichen Interpretationen. Literatur bietet den zugleich umfassendsten und differenziertesten Blick auf das, was wir Menschsein nennen. Daraus kann man viel lernen.
In Ihrer Diplomarbeit haben Sie sich mit Erkenntnismomenten literarischer Figuren beschäftigt, die in Folge deren Sichtweise und Handeln grundlegend verändert haben. Können Sie auch aus Ihrem eigenen Leben von einem solchen Moment berichten?
Kierkegaard hat sinngemäß den schönen Satz gesagt: Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es aber vorwärts. Es kommt darauf an, nicht nur nachdenklich, kritisch oder gar zynisch zu sein, sondern aktiv zu gestalten. Das hat auch etwas Schöpferisches, aber es ist kein Werk, das wir allein am Schreibtisch schaffen können. Wir sind als Menschen soziale Wesen, die danach streben, ein gutes Leben zu haben, als Einzelne und als Gemeinschaft. Dazu braucht es Mut und Vertrauen. Rückblickend könnte ich sagen, dass mir dieser Knopf über der Lektüre von Kierkegaard aufgegangen ist.
Wenn Sie eine Sache in der Landeshauptstadt über Nacht ändern könnten, welche wäre das?
Dass niemand mehr existenzielle Sorgen haben muss – wie zahle ich die Miete oder den Einkauf am Monatsende – und dass alle die beste Bildung erhalten können. Bildung heißt, dass wir lernen, mit uns selbst und mit anderen gut umzugehen. Das ist der Schlüssel für ein gutes und gesundes Leben. Denn der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person:
Elisabeth Mayr ist zweite Vizebürgermeisterin der Stadt Innsbruck und zuständig für die Ressorts rund um Bildung, Frauen und Familie. Darüber hinaus hatte sie bereits mehrere Funktionen in der SPÖ-Landespartei inne. Vor ihrer politischen Karriere arbeitete die studierte Germanistin als Lehrerin und Verlagslektorin.