Moderater Aufschwung kommt 2024
Moderater Aufschwung kommt 2024
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Hohe Inflation, die Zinswende der EZB (Europäische Zentralbank) und eine schwache globale Konjunktur fordern ihren Tribut, beim BIP-Wachstum schafft Österreich Raiffeisen Research zufolge heuer nur eine Stagnation. Das leichte Wachstum ist auf 2024 verschoben. „Es könnte dann bei 0,6 % liegen“, sagt Raiffeisen-Chefökonom Mag. Gunter Deuber bei den heutigen „Wirtschaftsprognosen 2024“ der Raiffeisen-Landesbank Tirol AG für ihre Firmenkunden in Innsbruck. Beim marathonhaften Abstieg vom Inflationsgipfel soll Österreich im nächsten Jahr 3,8 % erreichen. Von baldigen Zinssenkungen sei nicht auszugehen. Den Anleihemarkt habe die schnelle geldpolitische Straffung der EZB hoch attraktiv gemacht.
An den Beginn seiner Wirtschaftsprognosen stellte Mag. Gunter Deuber, der Leiter des Bereichs Volkswirtschaft und Finanzanalyse der Raiffeisenbank International AG (Raiffeisen Research) den Status Quo. Die hohe Inflation, die geldpolitische Straffung der EZB im Sauseschritt und Bundesbankmanier sowie die globale Konjunkturschwäche mit Industrierezession in Deutschland lasten auf der heimischen Wirtschaft. Eine tiefe oder schlagartige Wirtschaftskrise ortet Deuber dabei nicht, aber die Stagflationsrezession – also die stagnierende bis leicht rückläufige reale Wirtschaftsleistung bei gleichzeitig hoher Inflation – gehe damit in die Verlängerung. “Nach einer sehr soliden Performance der Wirtschaft in den Jahren 2021 und im ersten Halbjahr 2022“, wie Gunter Deuber betont. Mit der Schwachstelle Konsum, die den Einzelhandel stark belastet, sinkenden Wohnbauinvestitionen sowie der Industrie im Rückwärtsgang – hier schlagen schwache Neuaufträge auf die Produktion durch – erwarte Raiffeisen Research heuer nur mehr und im besten Falle eine schwarze Null beim Wirtschaftswachstum in Österreich.
2024: Moderates BIP-Wachstum von 0,6 % durch stabileren Konsum und Nettoexporte
„Der moderate Aufschwung verschiebt sich damit ins Jahr 2024, dann könnte die Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent zulegen“, sagt Gunter Deuber im weiteren Ausblick. Mit dieser Prognose liege Österreich erstmals seit langer Zeit unter dem Durchschnittswachstum im Euroraum von 0,8 %. Allerdings werde der kumulative reale BIP-Zuwachs in Österreich für den Zeitraum 2021 bis 2025 bei rund 10 % liegen; was in etwa dem Zuwachs in der Eurozone und auch jenem der USA entsprechen und deutlich über dem für Deutschland prognostizierten Wert von rund 5 % liegen würde. Sei es heuer insbesondere der private Konsum, der sich schwach entwickelt, sollten im kommenden Jahr vor allem die Investitionen zur gesamtwirtschaftlichen Schwäche beitragen. Der private Konsum sollte sich im Jahr 2024 angesichts von Reallohnzuwächsen, die nun im Wirtschaftskreislauf ankommen, stabilisieren. Auch wird das Wirtschaftswachstum von den Nettoexporten getrieben, aber in Summe liege eine wenig dynamische Wirtschaftsentwicklung bzw. ein „sehr blutleerer“ Wirtschaftsaufschwung vor uns, wie es Gunter Deuber formuliert.
Tirol: Solide Nächtigungszahlen, aber Inflation frisst Tourismuseinahmen auf
Der auch für Tirol wichtige Tourismus habe sich, etwa bezogen auf die Nächtigungszahlen, deutlich erholt. Nach den Pandemiejahren 2020 und 2021 war er im Jahr 2022 wieder ein klarer Unterstützungsfaktor der Konjunktur. Bei den Nächtigungen hat man heuer Vor-Coronakrisen-Niveaus überschritten. Allerdings liegt im Tourismus die reale Wertschöpfung weiterhin unter dem Niveau des Jahres 2019. Hier frisst die Teuerung die Wertsteigerungsgewinne auf. Tirol hat im Vorjahr durch Aufholeffekte mit einem BIP-Wachstum von 7,2 % zu den wachstumsstärksten Bundesländern gehört, auch heuer könnte die Wirtschaft in Tirol noch etwas stärker zulegen als im Bundesschnitt. Angesichts der realen Stagnation im Tourismussektor sowie der Industrierezession in Deutschland und Wachstumsschwäche in Italien seien die Vorzeichen für das eher handelsoffene Tirol für 2024 nicht blendend. Umso mehr käme es darauf an, preisliche Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Für den Tourismus sei das die größere Herausforderung als für die Industrie. Diese könne sehr hohe Lohnsteigerungen besser über Produktivitätssteigerungen ausgleichen. Umso wichtiger sei es im Dienstleistungssektor, dass der Lohndruck nicht zu hoch werde.
Inflation: Marathon hat gerade erst begonnen
Gemessen an der Gesamtrate der Inflation, also inklusive der Energie- und Agrarpreise, sollten die hartnäckigen Teuerungsraten in Österreich zurückgehen. Nach einer Inflationsrate im Bereich von 7 bis 8 % heuer (vgl. Eurozone: 5,6 %) erscheinen im Jahr 2024 Teuerungsraten von 3 bis 4 % (vgl. Eurozone: 2,9 %) in Reichweite. Allerdings sieht Gunter Deuber eine zunehmend verhärtete Inflations-Dynamik bei der Kerninflation. Ein Abstieg vom diesjährigen Inflationsgipfel sollte lange dauern, die Kerninflation sollte 2024 weiterhin bei knapp 5 % liegen. Der Weg zur Normalisierung der Inflation gleiche einem Marathonlauf: Die ersten Kilometer sind die leichtesten – die Normalisierung der Energiepreise hätte seit Jahresbeginn mit einem Ausgangswert von 11,6 % im Jänner einen „anstrengungslosen“ Inflationsrückgang (Basiseffekte) bewirkt –, die letzten hingegen die schwersten. Und das nicht zuletzt wegen steigender Löhne, von den Deuber erwartet, dass sie vor allem bei arbeitsintensiven Dienstleistungen ihren Weg in die Endverbraucherpreise finden werden.
Zinsen: Kein schneller Abstieg vom Zinsgipel
Raiffeisen Research geht davon aus, dass die EZB ihren Zinserhöhungszyklus abgeschlossen hat, gestützt durch die Einschätzung der EZB, dass das derzeitige Niveau "einen wesentlichen Beitrag zur rechtzeitigen Rückkehr zum Inflationsziel" leisten wird. Die EZB hat gemäß Gunter Deuber aber kaum Spielraum für Zinssenkungen in den kommenden 12 Monaten nach den erfolgten Zinserhöhungen auf 4,5 %, das zweite Halbjahr 2024 sei dafür das wahrscheinlichere Zeitfenster als das erste Halbjahr. Für eine längere Zeit könne es nur um eine Feinjustierung der Geldpolitik gehen. Maximal sollte die EZB die Geldpolitik etwas weniger restriktiv gestalten. Bei einer Verfehlung des Inflationsziels von 2 % bis 2025 rechnet Deuber mit einem Leitzins im restriktiven Bereich deutlich über 2 % bis 2025.
Konsolidierung am Immobilienmarkt
Am heimischen Immobilienmarkt sieht Raiffeisen Research eine lange Phase der Konsolidierung mit einem moderaten durchschnittlichen Preisrückgang von insgesamt 10 % bis zum Jahr 2025. Bis dahin könnte sich diese Phase der „geordneten Deflationierung des Immobilienmarktes“ hinziehen. Stagnierende oder fallende Immobilienpreise, bei sich stabilisierenden oder leicht sinkenden Zinsen sowie steigenden Einkommen, bedeutet: „Die Leistbarkeit von Immobilien sollte sich etwas verbessern. Allerdings sollte die Leistbarkeit von Wohnraum weiterhin ein wirtschaftspolitisches Thema sein“, so Deuber. Denn es sei vorerst „nur“ eine Rückkehr der Immobilienpreise auf Niveaus von vor der Zinswende zu erwarten.
Festverzinsliche Veranlagungen sind zurück
An den Finanzmärkten hat die Stagflationsrezession zur Rückkehr des Zinses geführt. Österreichische Staatsanleihen werfen wieder Renditen im Bereich von 3 bis 3,5 % ab, Anleihen von privaten Schuldnern weisen noch höhere Verzinsungen auf. „Mittelfristig ist in festverzinslichen Veranlagungen eine reale Rendite, also eine Verzinsung über der Inflation möglich“, führt Deuber aus. Österreichische Haushalte würden in Summe wieder Anleihen kaufen, der Anteil am veranlagten Vermögen ist von Tiefpunkten um 2 % wieder in Richtung 3 % angestiegen. Langfristig standen hier Werte von 8 % (2008) bis 13 % in den 1990er-Jahren.
Aktienmärkte hoffen auf Zinswende im Jahr 2024
An den internationalen Aktienmärkten erwartet Raiffeisen Research ins Jahr 2024 gehend eine moderat konstruktive Entwicklung. Wetten auf erste Leitzinssenkungen in den USA und Europa, welche ab dem 2. bzw. 3. Quartal möglich sein dürften, sollten den Börsen Unterstützung bieten. Gleichzeitig haben viele an der Börse gelistete und bonitätsstarke (Groß-)Unternehmen, trotz Stagflationsrezession und Zinserhöhungen, solide Gewinne verbuchen können. Überersparnisse haben geholfen, die Margen zu sichern. Jetzt sollten wieder Reallohnsteigerungen bei den Konsumenten ankommen, die Unternehmensgewinne dürften weiterhin solide zulegen. Kurz- und mittelfristig sind aus Bewertungssicht die europäischen Börsen attraktiv, langfristig sollte vor allem der US-Markt von seiner starken Präsenz in den Bereichen Big-Tech und AI (Artifizielle Intelligenz) profitieren.