Eingabehilfen öffnen

Skip to main content
Rankings - top.tirol - Wirtschaftsnachrichten aus Tirol
Rankings
Unternehmensverzeichnis - top.tirol - Wirtschaftsnachrichten aus Tirol
Unternehmen
Newsletter - top.tirol - Wirtschaftsnachrichten aus Tirol
Newsletter
top.tirol talk

Noch nicht am Ziel

top.tirol talk

Noch nicht am Ziel

Artikel teilen

David Narr, Fachkräftekoordinator der Wirtschaftskammer Tirol, sprach im top.tirol talk mit Günther Schimatzek über seine Zeit als Lehrling, die Wichtigkeit von Lehrberufen für die Gesellschaft sowie die Zukunft der dualen Ausbildung in Österreich.

 

 

Wenn sich der eine oder andere fragt: „Wie kommt ein Prokurist dazu, über das Thema Lehre zu reden? Weiß der, wie sich Lehre anfühlt?“, dann gebe ich die Frage jetzt weiter: Wissen Sie, wie sich Lehre anfühlt?

David Narr: Ja, absolut. Ich bin selbst gelernter Installateur. Ich habe bis 2011 meinen Beruf ausgeübt und mich dann aufgrund gesundheitlicher Probleme leider verändern müssen. Ich wäre heute noch von Herzen gerne Installateur. Aber es hat mich dann in eine andere Richtung getrieben – und jetzt kann ich das Beste aus beiden Welten verbinden.

 

Welche Fähigkeiten haben Sie als Lehrling erworben, die Ihnen heute noch helfen?

Ich bin 2011 direkt von der Baustelle ins Büro gewechselt. Was mir dabei enorm geholfen hat, waren Durchhaltevermögen, lösungsorientiertes Handeln und logisches Denken – also echte Schlüsselqualifikationen. Wenn früher ein Rohrbruch war, konnte ich auch nicht sagen: „Meine Dienstzeit ist aber jetzt zu Ende.“ Man musste dranbleiben. Diese Mentalität ist geblieben.

 

Sie kämpfen seit Jahren für mehr gesellschaftliche Anerkennung der Lehre.
Hat sich da etwas verändert?

In den letzten zehn Jahren hat sich viel zum Positiven entwickelt. Die Berufslehre – wie ich sie lieber nenne – ist wieder stärker in der Mitte der Gesellschaft angekommen, auch in den Familien. Aber es ist ein weiter Weg, wird sind noch nicht am Ziel. Lange Zeit galt die Matura als der einzig „richtige“ Weg. Das sitzt tief. Jetzt brauchen wir wahrscheinlich ebenso viele Jahre, um gegenzusteuern. Wichtig ist, dass die Menschen wieder erkennen, wie hochqualitativ die Ausbildung in Tiroler Lehrbetrieben ist und wie zentral Fachkräfte für unser tägliches Leben sind.

 

Oft hört man, dass die Lehre nur aus Handlangerdiensten besteht.
Ist das heute noch Realität?

Diese Vorstellung stammt aus der Vergangenheit. In Tirol ist Ausbildung zur Chefsache geworden. Ich kenne kaum einen Betrieb, in dem sich die Geschäftsführung nicht aktiv einbringt. Natürlich hat die Wirtschaft früher auch Fehler gemacht, etwa bei der Besetzung von Führungspositionen – oft wurde nur auf schulische Abschlüsse geschaut. Das hat sich verändert. Die UnternehmerInnen haben erkannt, wie wichtig gut ausgebildete Fachkräfte sind – für den Betrieb wie für den Standort Tirol.

 

Wie gut ist unser System der dualen Ausbildung im internationalen Vergleich?

Sehr gut! Die niedrige Jugendarbeitslosigkeit spricht für sich. Unser System bringt junge Menschen nicht nur in Beschäftigung, sondern vermittelt ihnen auch wichtige Kompetenzen – vor allem die Verbindung von Theorie und Praxis. Das macht die Ausbildung in Österreich so stark.

 

Und trotzdem bleiben viele Lehrstellen unbesetzt. Woran liegt das?

Es fehlt oft an Schlüsselqualifikationen, aber auch am Bewusstsein. Nicht jeder ist für eine Lehre gemacht – und das ist auch gut so. Aber viele drängen ohne klares Ziel in weiterführende Schulen. Dabei würden ihre Talente perfekt in die duale Ausbildung passen. Ich glaube, hier sind vor allem die Eltern gefragt: Sie sollten sich wieder mehr mit den Stärken ihrer Kinder beschäftigen. Eine bessere Berufsorientierung und ein Fokus auf spezielle Schulmodelle – wie etwa Gesamtschulen – könnten helfen.

 

Was droht, wenn wir das Problem des Fachkräftemangels nicht lösen?

Unser Wirtschaftsraum könnte ernsthaft gefährdet sein. Es geht um weit mehr als nur Jobs: Wenn keine Fachkräfte mehr da sind, funktionieren auch ganz alltägliche Dinge nicht mehr: Vom warmen Wasser, über die Heizung im Winter, bis hin zu fehlenden Installateuren für neue Energielösungen. Das betrifft uns alle – aber vielen ist diese Abhängigkeit noch nicht wirklich bewusst.

 

Lehrberufe sind heute oft gut bezahlt.
Was fehlt noch, um diese noch attraktiver zu machen?

Wir müssen die Praxis und die Theorie endlich auf Augenhöhe bringen. Solange der akademische Weg als überlegen gilt, wird es schwer bleiben. Dabei zeigt die Realität längst etwas anderes: FacharbeiterInnen haben exzellente Karrierechancen. Studien belegen, dass genau diese Qualifikationen gefragt sind – bei Unternehmen jeder Branche.

 

 

24. April 2025 | AutorIn: top.tirol Redaktion | Foto: Franz Oss

top.tirol Newsletter

Wir informieren Sie kostenlos und wöchentlich über Tirols Wirtschaftsgeschehen