Die Erhöhung der Zinsen und die KIM-Verordnung setzten der Baubranche ordentlich zu. Der Fachkräftemangel und die hohen Energiepreise taten das Übrige. Aus einem regelrechten Stimmungshoch landete man in einem Tief.
1. KIM-Verordnung hat Träume zerstört, die Wirtschaft
ausgebremst und ein nicht existentes Problem gelöst.
Die Ausgangslage war fast einen Tick zu gut: Die Wirtschaft florierte, günstiges Geld war im Umlauf. Alte Gebäude mussten saniert und neue errichtet werden. Ziegel und Mörtel galten als sicheres Geschäft: Sowohl AnlegerInnen als auch private KäuferInnen konnten sich darauf verlassen, dass sich das Investment in eine Immobilie lohnen wird. Kredite gab es zu sehr günstigen Konditionen. Nicht nur Bauträger, auch das Baunebengewerbe, Banken, AnwältInnen, IngenieurInnen, ArchitektInnen, StatikerInnen, HausplanerInnen, ElektroplanerInnen, BauphysikerInnen und viele andere hatten alle Hände voll zu tun.
In dieses Treiben slidete die KIM-Verordnung mit einer Grätsche und veränderte quasi von einem Tag auf den anderen zwar vielleicht nicht alles, aber das meiste.
Einen Kredit bekam man fortan nur, wenn man nachgewiesenermaßen 20 Prozent des Kaufpreises an Eigenmitteln vorweisen konnte. Was aber viel schlimmer ins Gewicht fiel: Nur 40 Prozent des monatlichen Haushaltseinkommens durfte laut Verordnung für die Kredittilgung draufgehen. Was auf den ersten Blick vernünftig klingt, mutet bei genauerer Betrachtung zumindest weltfremd an: Für ein relativ gut verdienendes Paar, das netto monatlich 6.000 Euro heimbrachte, bedeutete das, dass es mit der Bank maximal eine Rate von 2.400 Euro vereinbaren durfte. Sonst musste die Bank den Kreditantrag ablehnen.
Die Folgen waren (und sind immer noch) schwerwiegend: Das Pärchen bekam seine Traumwohnung nicht, alle oben aufgezählten Beteiligten hatten weniger zu tun und die Finanzmarktaufsicht hatte ein Problem gelöst, das es eigentlich gar nicht gab.
Was macht die Bauwirtschaft in Tirol überhaupt aus?
Die Bauwirtschaft …
- … umfasst eine Wirtschaftsleistung von 1,8 Milliarden.
- … zahlt Einkommen ist Höhe von 641 Millionen Euro aus.
- … beschäftigt 13.422 Vollzeitäquivalente.
- … leistet 860 Millionen Euro an Steuern und Abgaben.
Quelle: GAW Wirtschaftsforschung
2. Eigentum wird verhindert,
obwohl es soziale Sicherheit liefert.
Wer einem gut verdienenden Paar kein Mitleid entgegenbringen kann oder will, der darf sich auf zahlungskräftige Konkurrenz auf dem Mietmarkt freuen. Denn dem Paar wird zwar nicht zugetraut, eine hohe Kreditrate zu bezahlen, eine ebenso hohe oder noch höhere Miete aber allemal. So schnellen die Mieten unverhältnismäßig in die Höhe.
Förderung von Eigentumskauf würde auch die Lage am Mietmarkt entspannen. Länder mit einer höheren Eigenheimquote zeichnen sich auch durch soziale Sicherheit aus.
Mietpreis in Tirol pro Quadratmeter
- 13,19 Euro im Mai 2022
- über 16 Euro im September 2024
- In Innsbruck sogar von 15 auf über 20 Euro.
3. Die Politik hat wenig bis gar nichts getan.
Leider ist Wohnen ein heißes Eisen für die Politik. Es ist wesentlich komplexer, als man meint. Irgendjemand fühlt sich immer vernachlässigt oder vergessen und Ergebnisse darf man oftmals erst in Jahren erwarten – wenn man mitunter gar nicht mehr im Sessel sitzt. Gerade in Tirol hat sich die Landespolitik damit begnügt, Studien in Auftrag zu geben und Appelle zu verlautbaren: „Die KIM-Verordnung muss weg!“
Die Möglichkeiten wären aber da gewesen, wie ein Blick über den Arlberg verrät: Das Ländle gewährt seinen BürgerInnen, die sich Wohnungseigentum anschaffen wollen, ein Darlehen mit einem Fixzins von 1,25 Prozent auf 35 Jahre. Bei erstmaligem Eigentumserwerb erhöht sich das Darlehen um 20.000 Euro, der Kinderzuschlag beträgt 15.000 Euro. In Vorarlberg gehen bedeutend mehr Wohnungen über die Ladentheke als in Tirol.
Transaktionen zwischen 4. Quartal 2023 und 3. Quartal 2024
- 410 in Vorarlberg bei 400.000 EinwohnerInnen
- 373 in Tirol bei 760.000 EinwohnerInnen
4. Höhere Zinsen waren notwendig,
aber in der Höhe nicht unvermeidbar.
Dass die Nullzinspolitik ein Ende finden musste, darin waren sich alle einig. ExpertInnen warnten, dass das günstige Geld zu einer Art „Überhitzung“ der Wirtschaft führen würde. Das konnte man auch daran erkennen, dass Bauunternehmen teilweise bei Projekten nicht mehr nachkamen – wegen Überbeschäftigung. Also gingen die Zinsen ab Ende 2022 hoch.
In Kombination mit der KIM-Verordnung machte die Abwendung von der Nullzinspolitik die Hürde für die Schaffung von Wohnraum noch viel höher. Denn die 40-Prozent-Regel machte es vielen nahezu unmöglich, eine geeignete Eigentumswohnung zu kaufen – und Familienplanung wurde sowieso zu einem Hochrisikogeschäft. Die monatliche Rate bei einer Familie, die 5.000 netto heimbringt, dürfte etwa 1.500 Euro betragen. Damit bekommt man einen Kredit von 270.000 Euro. Zusammen mit den Eigenmitteln bekommt man dafür gerade in Städten maximal eine Zweizimmerwohnung, mehr nicht. Überschreitet der Quadratmeterpreis eine gewisse Grenze oder verdienen die beiden zu viel, bekommen sie auch keine Wohnbauförderung: Doppelt Pech gehabt.

5. KIM-Verordnung fällt.
So wie früher wird es dadurch aber nicht.
Zwar fällt die Verordnung, doch kündigte die FMA an, die Richtlinien als Empfehlung aufrechtzuerhalten und den Banken weiterhin auf die Finger zu schauen. Die Banken geben sich bei Anfragen diplomatisch und versichern, sich nach wie vor an der Verordnung orientieren zu wollen. Daher bleibt die Unsicherheit – Bauträger kaufen aktuell jedenfalls keine neuen Grundstücke, um sie zu bebauen.
Kamen 2023 österreichweit noch 50.000 neue Wohnungen auf den Markt, waren es 2024 nur noch 40.000 und 2025 soll die Zahl auf 15.000 fallen: Die Mietpreise steigen weiter und gerade in Städten sprechen nach wie vor alle von drohender Wohnungsnot. Wie geht sich das aus?
6. Leerstand ist ein Strohmann.
Eine der Studien zum Thema Wohnen, die das Land erheben ließ, sollte unter anderem den Leerstand feststellen. Der Gedanke dahinter: Wenn genug Wohnungen leer stehen, muss man sie nur mobilisieren und hat unter Umständen gar keinen Wohnungsmangel, muss dementsprechend nicht bauen und sich eventuell auch nicht intensiv mit KIM-Verordnungen rumschlagen.
Als die Zahl von 77.000 Wohnungen dabei herauskam, waren alle überrascht – die Lösung schien gefunden. Ein genauerer Blick ernüchtert die Euphorie aber. Wie wurde die Zahl erhoben? Man schaute sich an, wie viele genehmigte Wohnungen es in Tirol gab, und verglich die Zahl mit den Meldungen im zentralen Melderegister. Dass dabei auch potenzielle oder in Betrieb genommene Büros, Arztpraxen, Physiotherapieräume, Studentenheime und sogar genehmigte, aber noch nicht realisierte Bauträgerprojekte mitaufgenommen wurden, schien kaum jemanden zu interessieren. Die Zahl ist jedenfalls, gelinde gesagt, ungenau und hilft aktuell vor allem niemandem bei der Lösung des Problems. Realistischere Schätzungen gehen von einem Leerstand von circa fünf Prozent aus. Etwa die Hälfte davon ist fluktuationsbedingt: Eine Partei zieht aus und eine andere ist gerade dabei einzuziehen, die Wohnung wird saniert, umgebaut etc.
7. Sozialer Wohnbau passiert
auf dem Rücken der Mittelschicht.
Gemeinden versuchen beim Wohnbau auch an die Schwächeren zu denken. Sie verpflichten Bauträger, einen gewissen Prozentsatz der zu errichtenden Wohnungen als Sozialwohnungen anzubieten. Das Problem: Der Quadratmeterpreis dieser Einheiten liegt unter dem Errichtungskostenpreis – für die Bauträger ist der Verkauf dieser Wohnungen also ein reines Verlustgeschäft. Es sei denn, sie geben die Kosten an die anderen WohnungskäuferInnen – also an die Mittelschicht – weiter.
Das erschwert deren Lage zusätzlich. Und nicht nur das: Werden weniger Wohnungen gekauft, gehen dem Staat viele Einnahmen flöten – zweimal Grunderwerbssteuer, zweimal Eintragungsgebühr, Umsatzsteuer und Sozialversicherungsabgaben und, und, und. 40 Prozent eines Wohnungskaufs fließen eigentlich ins Budget und kommen allen zugute. All dies fällt nun weg.