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Jasmin Güngör im Interview

So funktioniert die Start-up-Finanzierung

Jasmin Güngör im Interview

So funktioniert die Start-up-Finanzierung

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Start-ups sind Innovationstreiber und begehrte Investitionsobjekte. Doch wie läuft der Investitionsprozess in junge Unternehmen ab? Die erfahrene Investorin Jasmin Güngör gibt Einblicke.

Frau Güngör, ist die Investition in Start-ups für jedermann geeignet?

Jasmin Güngör: Für KleinanlegerInnen gibt’s in dem Markt kaum Zugang, und das ist ganz bewusst so reguliert, um sie zu schützen. Aber auch vermögende Personen sollten eine entsprechende Expertise aufweisen.

Wenn man Geld hat und direkt in Start-ups investieren möchte, liegen die Beträge pro Beteiligung oft bei mindestens 50.000 Euro, in manchen Fällen auch bei mehreren hunderttausend. Die meisten Business Angels streben ein diversifiziertes Portfolio an und investieren in 10 bis 20 Jungunternehmen. Daraus lässt sich leicht ausrechnen, welch ein Finanzstock dafür nötig ist.

Auch Fonds bieten unterschiedliche Beteiligungsmöglichkeiten, wobei die meisten Fonds im Bereich Risikokapital in Österreich nur an professionelle InvestorInnen beziehungsweise an Personen vertreiben, die mindestens 100.000 Euro investieren.

Welche Möglichkeiten bestehen, um in Start-ups zu investieren?

Es gibt zahlreiche Ansätze, wobei Eigenkapital oder ähnliche Finanzierungsinstrumente am weitesten verbreitet sind. Dabei übernehmen InvestorInnen typischerweise eine Gesellschafterrolle im Unternehmen. Zur Auswahl stehen verschiedene Optionen: eine direkte Investition, wie sie Business Angels tätigen, oder eine Beteiligung mittels eines spezialisierten Fonds wie unseren.

Alternativ kommen Modelle wie Crowdfunding infrage, die allerdings an Popularität verloren hat. Auch die Vergabe von Krediten ist möglich, widerspricht jedoch oft dem Ziel von Start-up-Investitionen, da GeldgeberInnen in der Regel am Wachstum des Unternehmens teilhaben möchten.

 

„Um die besten Chancen wahrzunehmen, ist es wichtig, sich über die eigenen Interessen im Klaren zu sein und eine Vorstellung davon zu entwickeln, welche Trends langfristig bedeutend sein können.“

Jasmin Güngör

 

Was zeichnet erfolgreiche Investor­Innen aus?

Neben einem soliden finanziellen Hintergrund ist umfassendes Marktverständnis unverzichtbar, um das Potenzial eines Start-ups realistisch bewerten zu können. Unternehmerisches Denken und fachliches Know-how sind ebenso entscheidend, damit InvestorInnen die Entwicklungen der Start-ups effektiv begleiten und bei Bedarf lenken können.

Darüber hinaus halte ich Lebenserfahrung und Menschenkenntnis für essenziell. Diese Fähigkeiten ermöglichen es, die vielversprechendsten Projekte zu identifizieren und eine fundierte Auswahl zu treffen.

Wie finden InvestorInnen attraktive Start-ups?

Dafür ist ein gut ausgebautes Netzwerk unverzichtbar – ebenso wie ein klares Bewusstsein für eigene Interessen und zukunftsweisende Vorstellungen. Wir sind beispielsweise davon überzeugt, dass Technologien wie Künstliche Intelligenz die Nachfrage nach Computerchips und Rechenleistung erheblich steigern werden. Außerdem sehen wir große Möglichkeiten in den Bereichen Kommunikation, Energie und Gesundheit.

Die Spezialisierung ermöglicht uns nicht nur ein tieferes Verständnis der Branchen, sondern bietet auch Zugang zu einem breiten Netzwerk aus PartnerInnen und ExpertInnen, die uns helfen, das Potenzial neuer Unternehmen rasch und fundiert einzuschätzen. Um die besten Chancen wahrzunehmen, ist es wichtig, sich über die eigenen Interessen im Klaren zu sein und eine Vorstellung davon zu entwickeln, welche Trends langfristig bedeutend sein können.

 

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Was sind dabei die größten Risiken?

Das richtige Timing ist bestimmt ein zentraler Aspekt – manchmal kann man alles richtig machen und eine gute Geschäftsidee unterstützen, aber der Markt ist schlichtweg noch nicht bereit dafür. Das ist ein Risiko, das sich oft nicht beeinflussen lässt. Weitere Herausforderungen entstehen durch mögliche Fehler in der Due Diligence, also der sorgfältigen Prüfung des Zielunternehmens, oder im Investmentprozess selbst. Wenn man etwa nicht genügend Mitspracherechte sichert oder Kontrollmöglichkeiten vernachlässigt, kann das später problematisch werden. Es ist daher unerlässlich, genau im Blick zu haben, wie das Kapital eingesetzt wird.

Grundsätzlich hat sich Risikokapital als Anlageform etabliert, und globale Daten zeigen, dass man in dem Bereich auch solide Renditen erwirtschaften und im Vergleich mit Aktien oder Immobilien mithalten kann. Allerdings muss InvestorInnen bewusst sein, dass Chancen auf hohe Renditen klarerweise mit einem beträchtlichen Risiko einhergehen – auch ein Totalverlust ist möglich.

Zudem sollte bedacht werden, welche Präferenzen man bei der Liquidität von Investments haben möchte. Anteile an Start-ups und Investment in Fonds sind in der Regel illiquide und hängen von Veräußerungsgewinnen ab.

 

„Das richtige Timing ist bestimmt ein zentraler Aspekt – manchmal kann man alles richtig machen und eine gute Geschäfts­idee unterstützen, aber der Markt ist schlichtweg noch nicht bereit dafür.“

Jasmin Güngör

 

Was ist bei der Zusammenarbeit mit Co-InvestorInnen wichtig?

Die Zusammenarbeit ist oft ein dynamischer Prozess, da man immer wieder mit neuen Co-InvestorInnen investiert. Dennoch haben sich bei vielen Deals bewährte Strukturen etabliert. In der Regel übernehmen ein oder zwei Lead-InvestorInnen die größten Anteile sowie die wichtigsten Aufgaben. Weitere kleinere InvestorInnen schließen sich oft an, wobei die Anzahl überschaubar bleiben sollte – idealerweise reichen zwei bis vier neue InvestorInnen in der Seed-Runde.

Die Qualität der Zusammenarbeit hängt jedoch stark davon ab, wie gut die Lead- und Co-InvestorInnen harmonieren – insbesondere, wie unkompliziert die Kommunikation ist, ob die Chemie stimmt und wie zügig Entscheidungen getroffen werden.

 

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Wie erkennen Sie Start-ups mit hohem Wachstumspotenzial?

Entscheidend für jede Partnerschaft ist ein gutes Bauchgefühl. Natürlich müssen zudem die Zahlen und Fakten überzeugen. Unser Ziel ist es schließlich, Talente zu erkennen, die nicht nur innovative Ideen haben, sondern auch die Fähigkeiten und das Durchhaltevermögen mitbringen, um ein Unternehmen groß zu machen.

Ein besonders wichtiger Faktor ist der sogenannte Track Record des GründerInnen-Teams: Was haben die Personen bisher erreicht? Haben sie vielleicht schon erfolgreich ein Unternehmen gegründet oder staatliche Förderungen erhalten? Besonders vielversprechend ist es, wenn ein Start-up bereits in einer frühen Phase Pre-Seed-InvestorInnen gewinnen konnte. Ein solches Investment stärkt das Vertrauen der InvestorInnen in späteren Runden, wie der Seed-Runde.

Letztlich muss einfach das Gesamtbild stimmen: Dazu zählen Markt- und Technologietrends, das Potenzial des Produkts, aber vor allem das GründerInnen-Team.

In welcher Phase wird meistens investiert?

Es gibt unterschiedliche Ansätze für den idealen Zeitpunkt. Viele Investor­Innen entwickeln ihre eigene Strategie, um den optimalen Einstiegspunkt zu bestimmen. Unser „Sweetspot“, wie man es auch nennt, liegt in der Seed-Runde. Zu diesem Zeitpunkt sind oft erste Ergebnisse sichtbar, die auf weiteres Wachstum hindeuten. Andere bevorzugen die spätere Serie-A-Runde, bei der die Unternehmen bereits Umsätze generieren, wodurch KundInnen und Marktdaten in die Analyse einfließen können.

In der Pre-Seed-Phase, wenn das Unternehmen noch in den Anfängen steckt, ist der Risikofaktor natürlich höher. Wer hier investiert, muss großes Vertrauen in die Gründerpersönlichkeiten und deren Vision haben. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass das Wachstumspotenzial am höchsten ist und man von Anfang an Einfluss auf die Entwicklung nehmen kann.

 

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Was sind für Sie Warnsignale bei einem Start-up?

Ein absolutes No-Go für mich sind GründerInnen, die nicht zuhören können. Wenn schon in den frühen Gesprächen klar wird, dass sie wenig offen für Feedback sind, deutet das darauf hin, dass die Zusammenarbeit auch später schwierig sein könnte.

Ein weiterer kritischer Punkt ist das Commitment der GründerInnen. Besonders in der Seed-Phase ist es wichtig, dass sie sich voll und ganz auf ihr Start-up konzentrieren. Wenn sie nebenbei noch anderen Aktivitäten nachgehen, fehlt oft die nötige Fokussierung, um das Unternehmen wirklich voranzubringen.

 

„Es reicht nicht aus, sich passiv zurückzulehnen, ohne einen echten Mehrwert zu bieten.“

Jasmin Güngör

 

Worauf sollte man bei der Geschäftsbeziehung mit GründerInnen achten?

Grundsätzlich sollte die Beziehung stets professionell bleiben. Falls enge Freundschaften im Spiel sind, müssen sie transparent offengelegt werden.

Auf unternehmerischer Ebene ist es wichtig, das GründerInnen-Team aktiv zu unterstützen, etwa durch die Vernetzung mit anderen InvestorInnen und potenziellen KundInnen. Dabei gibt’s unterschiedliche Formen des Engagements: Lead-InvestorInnen sind häufig intensiver involviert, richten Boards ein und üben eine gewisse Kontrolle über das Unternehmen aus.

Business Angels hingegen haben oft weniger Einflussmöglichkeiten, sollten aber dennoch Interesse zeigen und die Entwicklung des Unternehmens aktiv fördern. Es reicht nicht aus, sich passiv zurückzulehnen, ohne einen echten Mehrwert zu bieten.

Wie geht’s weiter, wenn es zu einem Investment kommt?

Sobald das Investment unterzeichnet wurde, erfolgt die Kapitalüberweisung. In Österreich wird man darauf offiziell als Gesellschafter im Firmenbuch eingetragen. Ab diesem Moment ist man MiteigentümerIn des Unternehmens und übernimmt die damit verbundenen Rechte und Pflichten. Wie in jeder Gesellschaft finden regelmäßige Gesellschafter-Meetings statt, in denen aktuelle Reportings, Kennzahlen und die Einhaltung des Businessplans besprochen werden. Sollte der Plan nicht wie vorgesehen umgesetzt werden, analysiert man gemeinsam die Ursachen und überlegt, welche Anpassungen notwendig sind.

Oftmals benötigen Start-ups auch einen Pivot, also eine strategische Neuausrichtung. Das passiert häufig, wenn eine zunächst vielversprechende Idee am Markt noch nicht den erhofften Erfolg erzielt.

Was war das überraschendste Start-up, das Sie je gesehen haben?

Ein besonders ungewöhnliches Start-up in unserem Portfolio ist Black Semiconductor. Das Unternehmen hat eine erstaunlich hohe Förderung aus dem IPCEI-Programm (Important Projects of Common European Interest) erhalten – einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 235 Millionen Euro, um ihre innovative Chip-Technologie im Zuge eines siebenjährigen Projekts in Aachen zu entwickeln.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Jasmin-Gngor10fcGerhard-Berger

Zur Person:

Jasmin Güngör studierte Internationale Wirtschaftswissenschaften und Europäische Ethnologie. Sie ist Mitgründerin und gemeinsam mit Klaus Grössinger in der Geschäftsführung des Venture Capital Fonds Onsight Ventures mit Sitz in Innsbruck.

11. Dezember 2024 | AutorIn: Anna Füreder | Foto: Gerhard Berger

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