Produktiv und gesund
So gelingt die digitale Balance im Job
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So gelingt die digitale Balance im Job
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Haben digitale Medien auch am Arbeitsplatz einen schlechten Einfluss auf Körper und Psyche? Wir haben bei den Experten Sebastian Holzknecht, Thomas Falkner und Philippe Holzknecht nachgefragt.
Herr Falkner, Sie haben als Treffpunkt für unser Interview ein Café in der Innsbrucker Bogenmeile gewählt, während viele Menschen heute eher auf Online-Meetings setzen. Warum ist Ihnen Angesicht zu Angesicht so wichtig?
Thomas Falkner: Das hat mehrere Gründe. Zum einen birgt digitale Kommunikation häufig das Risiko von Missverständnissen: Eine E-Mail oder Chat-Nachricht kann schnell falsch interpretiert werden und Konflikte auslösen. Deshalb ist es entscheidend, auf persönliche Gespräche zu setzen, wann immer es möglich ist. Diese Art der Interaktion beugt nicht nur Missverständnissen vor, sondern stärkt auch das Teamgefühl und steigert die Effizienz, was insbesondere im Arbeitsalltag wichtig ist.
Denn regelmäßige Pausen fördern das Wohlbefinden und die Produktivität. Ideal ist es, etwa jede Stunde für fünf Minuten aufzustehen. Eine kurze Bewegungseinheit, ein Spaziergang an der frischen Luft oder ein Gespräch mit KollegInnen kann Wunder wirken – für den Kopf, die Haltung und die Augen, die durch die Bildschirmarbeit oft stark beansprucht werden. Wichtig dabei: In diesen Auszeiten sollte der Griff zum Smartphone vermieden werden. Stattdessen bieten solche Momente die Gelegenheit, bewusst abzuschalten und Energie zu tanken.
Herr Holzknecht, was bedeutet digitale Balance am Arbeitsplatz überhaupt?
Sebastian Holzknecht: Damit wird das gelungene Zusammenspiel zwischen virtuellen und analogen Tätigkeiten im beruflichen Alltag beschrieben. Dabei geht es nicht nur um den sinnvollen Umgang mit Arbeitsgeräten wie Computern oder Tablets, sondern auch um die Rolle privater Technologien wie Smartphones. Ziel ist es, beide Welten so zu verzahnen, dass sie Produktivität fördern, ohne den Menschen zu überfordern.
Herr Holzknecht, apropos Handy. Welche Gefahren birgt der Konsum?
Philippe Holzknecht: Es ist kein Geheimnis: Wir verbringen oft erschreckend viel Zeit am Smartphone – mit spürbaren Folgen. Körperlich leiden vor allem die Augen und die Muskulatur durch das ständige Starren auf den Bildschirm. Doch auch geistig bleibt das nicht ohne Konsequenzen: Konzentrationsstörungen nehmen zu, und gerade am Arbeitsplatz können kurze Blicke auf das Handy die Fokusphasen empfindlich stören. Das gilt insbesondere für Jugendliche, die sich leichter ablenken lassen und dadurch weniger produktiv arbeiten – ein Phänomen, das zahlreiche Studien belegen.
Die Problematik beginnt dabei oft schon morgens. Viele greifen direkt nach dem Aufwachen zum Handy, um Kalender, Nachrichten oder E-Mails zu checken. GehirnforscherInnen warnen, dass dieser frühe Stresskick das Nervensystem aktiviert und den Tag mit einem erhöhten Anspannungsniveau starten lässt. Das beeinträchtigt nicht nur den beruflichen Erfolg, sondern auch das persönliche Wohlbefinden.
Wie können ArbeitgeberInnen zur digitalen Balance beitragen?
Holzknecht: Natürlich ist bei der gesamten Nutzung von digitalen Medien viel Eigenverantwortung gefragt. Dennoch kann die Chefetage durch gezielte Maßnahmen helfen, den digitalen Stress zu reduzieren. Insbesondere die Unternehmenskultur spielt eine zentrale Rolle, um die digitale Balance aktiv zu fördern.
Bereits kleine Änderungen können große Wirkung zeigen. So könnten klare Regeln für die Kommunikation etabliert werden: E-Mails sollten nur zu definierten Zeiten – etwa zwischen 8 und 18 Uhr – verschickt werden. Gleichzeitig können ArbeitgeberInnen deutlich machen, dass ständige Erreichbarkeit nicht erwartet wird. Solche Rahmenbedingungen geben den Beschäftigten die Freiheit, ihre Erholungsphasen besser zu schützen.
Um digitale Pausen im Arbeitsalltag zu unterstützen, könnten auch Ruhezonen eingerichtet werden – Bereiche, in denen Handys bewusst außen vor bleiben. Solche Rückzugsorte fördern nicht nur die Erholung, sondern auch die Konzentration und das Wohlbefinden.
Natürlich ist ein solcher Wandel nicht von heute auf morgen machbar. Es handelt sich um einen schrittweisen Prozess, der Engagement und Geduld erfordert. Wenn Unternehmen aber klar kommunizieren, dass ihnen das Wohl ihrer MitarbeiterInnen am Herzen liegt, ist das der erste wichtige Schritt in die richtige Richtung.
Wie bewusst ist ArbeitgeberInnen die Relevanz des Themas?
Falkner: Viele UnternehmerInnen haben erkannt, wie wichtig die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer MitarbeiterInnen sind. Doch die Herausforderung liegt oft in der Balance zwischen betrieblichen Bedürfnissen und der privaten Sphäre. Vorschriften wie eine „handyfreie Zone“ am Vormittag könnten zum Beispiel auf Widerstand stoßen – etwa von Beschäftigten, die private Verpflichtungen haben und erreichbar bleiben müssen.
Diese Thematik erfordert Feingefühl und Dialog. Eine starre Regelung ist oft nicht zielführend, denn MitarbeiterInnen haben unterschiedliche Lebensrealitäten. Stattdessen könnten ArbeitgeberInnen gemeinsam mit ihrem Team Lösungen erarbeiten.
Wie digital muss ein Unternehmen überhaupt sein?
Holzknecht: Die Antwort auf diese Frage hängt stark von der Branche und den spezifischen Anforderungen einer Firma ab. Es gibt keine allgemeingültige Formel, denn nicht jede digitale Innovation ist automatisch sinnvoll.
Zwei Punkte sind hierbei besonders wichtig: Erstens sollten digitale Maßnahmen immer auf den tatsächlichen Nutzen und die Akzeptanz innerhalb des Teams abgestimmt sein. Der aktuelle Hype um Künstliche Intelligenz zeigt, wie groß der Druck sein kann, neue Technologien schnell zu integrieren. Doch nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch praktikabel. Wenn Mitarbeitende den Mehrwert nicht erkennen oder mit den Tools nicht arbeiten können, bleibt der Nutzen begrenzt. Eine offene Diskussion und die Einbindung der Belegschaft in solche Entscheidungen können helfen, die bestmöglichen Lösungen zu finden.
Zweitens ist Digitalisierung kein Ziel, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Sie sollte schrittweise erfolgen, um Teams nicht zu überfordern – insbesondere ältere MitarbeiterInnen, die möglicherweise mehr Zeit brauchen, um sich an neue Systeme zu gewöhnen. Ein „Step-by-Step“-Ansatz ermöglicht es, Innovationen nachhaltig zu implementieren, ohne die Unternehmenskultur oder das Arbeitsklima zu belasten.
Vielen Dank für das Interview.
Zu den Personen:
Sebastian Holzknecht ist seit 2013 im Bereich Internetsicherheit tätig und verfügt über eine Ausbildung als Konfliktcoach und Mediator. Seine Leidenschaft für Internet, Kommunikations- und Mediendesign bringt er in mehreren Lehrtätigkeiten zum Ausdruck.
Thomas Falkner ist vielseitig aktiv: Als Trainer, Coach, Netzwerker, Unternehmer, Stimm(ungs)-Experte, Marketingspezialist und Sportler bringt er seine Kompetenzen in verschiedenen Rollen ein.
Philippe Holzknecht arbeitet seit 2010 mit Kindern und Jugendlichen in Wohngemeinschaften und widmet sich dabei intensiv ihrer Entwicklung und Unterstützung.
Gemeinsam haben sie die Workshops „Online Family“ ins Leben gerufen, in denen der bewusste und ausgewogene Umgang mit Technologie sowie aktuellen Entwicklungen auf interaktive Weise vermittelt wird.