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Jürgen Huber im Interview

Stecken wir in einer Wirtschaftskrise?

Jürgen Huber ist Professor für Finanzwirtschaft am Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck.
Jürgen Huber im Interview

Stecken wir in einer Wirtschaftskrise?

Jürgen Huber ist Professor für Finanzwirtschaft am Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck.

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Während Präsident Trump damit beschäftigt ist, nach Lust und Laune die globale Wirtschaft aus der Bahn zu werfen und Jagd auf unseren Wohlstand zu machen, breitet sich vermehrt Unsicherheit aus. Jürgen Huber vom Institut für Banken und Finanzen an der Universität Innsbruck ordnet für uns die aktuellen Entwicklungen am Finanzmarkt ein.

 

Was spielt sich da gerade an der Börse ab?

Jürgen Huber: An der Börse werden Zukunftserwartungen gehandelt. Die Börsenkurse gehen nach oben, wenn die Menschen optimistisch sind. Wenn die Wirtschaft wächst, geht es den Leuten besser. Wenn sie aber genau das nicht glauben, gehen die Börsenkurse nach unten. Herr Trump hat gerade ordentlich Sand ins Getriebe der Weltwirtschaft geworfen – und damit die Unsicherheit erhöht und die Wachstumserwartungen gesenkt. Denn was InvestorInnen am meisten verunsichert, sind Risiko und Unberechenbarkeit. Und Trump ist personifizierte Unberechenbarkeit. Genau deshalb gab es jetzt einen Kursrutsch von rund 15 Prozent.

 

Ist Panik angebracht oder können wir noch gelassen auf die Geschehnisse blicken?

Panik wäre jetzt fehl am Platz, denn der Schaden ist ja sozusagen schon passiert. Trump hat es tatsächlich geschafft, die ganze Welt um 20.000 Milliarden US-Dollar ärmer zu machen, aber auf keinen Fall sollte man jetzt in Panik geraten und die eigenen Aktien verkaufen. Bisher sind nur die Erwartungen der Zukunft etwas eingetrübt. Sehr wahrscheinlich erholt sich der Markt wieder und die Kurse werden wieder steigen.

 

Wie schätzen Sie die Entwicklung in den kommenden Tagen ein?

Das ist ganz schwer zu sagen, denn Herr Trump ist wie gesagt gelebte Unsicherheit – niemand weiß, was ihm als nächstes einfällt. Er kann wieder darauf verfallen, dass er Grönland erobern oder den Iran bombardieren will. Oder am Ende doch wieder alle Zölle abschaffen wird. Es ist daher schwer zu sagen, wie sich die Zukunft entwickeln wird.

 

Was würden Sie dem privaten Kleinanleger hierzulande jetzt raten?

Erst mal die Ruhe zu bewahren. Man könnte es auch positiv formulieren und sagen: Dieselben Aktien, die ich vor einer Woche noch teuer hätte kaufen müssen, kriege ich jetzt um 15 Prozent billiger. Das heißt, eher ist es vielleicht sogar ein guter Einstiegszeitpunkt, wenn man überlegt, ob man ohnehin Aktien kaufen sollte.

 

Gibt es aktuell eine „sichere“ Anlageform?

Sicher ist natürlich das Sparbuch. Da bleibt mir mein Kapital erhalten, nur bekomme ich da sehr geringe Zinsen, meistens sogar noch weniger als die Inflationsrate, die aktuell bei drei Prozent liegt. Somit verliere ich bei dieser Variante etwas an Kaufkraft. Auch Anleihen sind „sicher“. Aber es ist auf den Kapitalmärkten immer so: Hohe Rendite ohne Risiko gibt es nicht. Man muss also schon ein gewisses Risiko bereit sein einzugehen, um entsprechend Rendite zu erhalten. Schnell reich, ohne Risiko, gibt es nie. Schnell reich gibt es allerdings ohnehin kaum.

 

Welche Konsequenzen hätte es für Tirol, wenn sich der Markt in den nächsten Tagen nicht erholt?

Da muss man unterscheiden: Das eine ist der Rückgang an Aktienmärkten, der Tiroler InvestorInnen betrifft. Gut Zehntausende Tiroler sind in irgendeiner Form am Aktienmarkt involviert, halten ETFs, Fonds, oder Einzelaktien – die haben Geld verloren. Wenn sich der Markt wieder erholt, dann haben sie weniger Kaufkraft als vorher – das ist aber normalerweise nicht das Ende der Welt.

Eine andere Baustelle ist jedoch die Entwicklung der heimischen exportierenden Industrie, denn diese ist teils schon direkt von den Zöllen betroffen. Etwa die Kristalle von Swarovski. Wenn der Verkauf in Amerika um 20 Prozent teurer wird, wird sich das wahrscheinlich negativ auf die Umsätze auswirken. Und viele Tiroler Betriebe sind Zulieferer, etwa für die deutsche Autoindustrie, die mit 25 Prozent Zoll belegt wird. Deutschland würde dann sicherlich weniger Autos in den USA verkaufen. Audi hat ja bereits verkündet, den Export von Autos nach Amerika vorerst überhaupt einzustellen. Je nachdem, wie sich das Ganze weiterentwickelt, kann das mittel- und langfristig schlechte Auswirkungen haben. Doch es sind auch positive Szenarien denkbar.

 

Welche wären das?

Die EU hat lange diskutiert und den USA schlussendlich eine Freihandelszone vorgeschlagen, also die Abschaffung aller Zölle zwischen Europa und den USA. Sollten die USA einsteigen und die Freihandelszone der EU akzeptieren, dann könnte das sehr positive wirtschaftliche Auswirkungen haben und die Aktienkurse würden wieder steigen. Bisher hat Trump auf das Angebot allerdings noch nicht reagiert.

 

Ist die aktuelle Finanzkrise mit einer anderen Krise in der Vergangenheit vergleichbar?

Aktienrückgänge gab es immer wieder, auch wesentlich größere. Doch diese hier ist unnötig. In der Finanzkrise 2008 sind die Kurse um rund 50 Prozent gesunken, bei Covid waren es 30 Prozent. Mit einem aktuellen Kursrückgang von 15 Prozent sind wir davon also noch weit entfernt. Nur damals gab es „richtige“ Gründe: die Pleite von Lehman Brothers, den Virus oder auch den russischen Angriffskrieg. Dieses Mal war es der Lust und Laune und vielleicht auch der Verrücktheit eines Mannes zuzuschreiben, dass die Aktienkurse und sogar die halbe Weltwirtschaft durcheinandergewirbelt wurden.

Wahrscheinlich hat sich diese Krise aber schon wieder stabilisiert. Nach dem Kursrutsch in den ersten drei Tagen sind heute fast alle Märkte wieder im Plus. Primär bräuchte es aber keine neuen negativen Überraschungen von Trump mehr, dann werden sich die Märkte stabilisieren – oder auch wieder deutlich steigern, je nachdem, was an künftigen Entscheidungen kommt.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

08. April 2025 | AutorIn: Michaela Ehammer | Foto: Universität Innsbruck

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