Investieren oder abwarten? Diese Frage stellte Helmut List in seinem Vortrag bei den Tiroler Tourismusgesprächen in den Mittelpunkt. Der Branchenexperte ist überzeugt: „Stillstand ist keine Option“ und gibt dabei drei zentrale Denkanstöße.
„Soll ich investieren? Das fragen sich derzeit viele in der Tourismusbranche – und es ist eine der zentralen Fragen, wenn es um ihre Zukunft und ihren Erfolg geht“, eröffnete Helmut List seinen Vortrag bei den Tiroler Tourismusgesprächen.
Der langjährige Berater von Kohl & Partner, seit 2023 Mitglied der Geschäftsführung, begleitet seit zwei Jahrzehnten Hoteliers bei strategischen Weichenstellungen. Sein Ansatz ist klar: Es geht nicht nur um Zahlen, sondern auch um die Menschen hinter den Betrieben. „Unser Ziel ist es, den Tourismus ein Stück besser zu machen“, sagt er und warnt zugleich: „Stillstand ist keine Option. Die eigentliche Frage lautet nicht, ob wir uns Investitionen leisten können – sondern ob wir es uns leisten können, nicht zu investieren.“
Ernüchternde Stimmungslage
Um ein Gefühl für die Branche zu bekommen, führt List mit seinem Team regelmäßig einen sogenannten „Stimmungsradar“ durch. Die aktuelle Erhebung zeigt ein getrübtes Bild: Obwohl die statistischen Kennzahlen „eigentlich halbwegs in Ordnung“ seien, bewertet die Branche ihre Lage zunehmend skeptisch. Auf einer Skala von fünf Punkten erreichte die Stimmung im Sommer 2025 nur 2,8 – nach 3,2 im Vorjahr.
Das „New Normal“
Bis 2019 sei der Sektor von einer enormen Dynamik geprägt gewesen – „weiter, höher, schneller“. Dann kam der Bruch. „Zu hoffen, dass es einfach wieder besser wird, ist keine Option“, betont der Experte. „Wir haben gerade das ‚New Normal‘ erreicht. Das ist die Realität, vor der wir uns nicht verstecken können.“
Besonders heikel: Die Erwartungen der Gäste. Viele hätten sich nämlich daran gewöhnt, dass Hotels kontinuierlich investieren und neue Impulse setzen. Bleibt dies aus, stellt sich die Frage, wie die Gäste reagieren.
Investitionsbereitschaft auf Talfahrt
Ein genauer Blick auf den Stimmungsradar zeigt: Nur 17 Prozent der befragten Betriebe planen konkrete Investitionen in den kommenden ein bis zwei Jahren. 27 Prozent haben nichts vor, 34 Prozent sind unsicher, und 22 Prozent sehen Investitionen aktuell als nicht realisierbar an.
Die Hürden sind bekannt: hohe Kosten, fragliche Wirtschaftlichkeit, Unsicherheit am Markt und Schwierigkeiten bei der Finanzierung.
Drei Denkanstöße für die Branche
Trotz aller Herausforderungen sieht der Berater Innovation als unverzichtbar und formuliert drei Impulse für die Betriebe:
1. Mut
„Wir brauchen wieder mehr Mut – Mut zur Veränderung, Mut zu neuen Konzepten, Mut, etwas zu wagen“, führt er an. Viele Unternehmer verharrten zu lange im Status quo, ohne zu erkennen, dass sich die Rahmenbedingungen längst verschoben haben. Das Nachdenken über bestehende Geschäftsmodelle sei daher entscheidend.
2. Maß
„Nichts überstürzen“, mahnt List zugleich. Bei Konzeptänderungen gehe es nicht um waghalsige Experimente, sondern um Effizienz und die Reduktion von Ballast. „Die Kunst ist, das richtige Maß zu finden – das gilt auch bei Investitionen.“
3. Menschlichkeit
„Der Alpenraum ist ein People- und Family-Business. Die meisten Hotels sind familiengeführt – am Ende geht es immer um Menschen“, betont der Branchenkenner. Investitionen beträfen nicht nur Gebäude, sondern auch die Teams, PartnerInnen sowie EigentümerInnen. „Es sollte nicht nur in Beton, Stahl oder Glas investiert werden, sondern auch in sich selbst“, rät er. Gerade UnternehmerInnen, die tief im Tagesgeschäft stecken, hätten oft kaum Zeit, über die Zukunft nachzudenken.