Tirols Touristiker:innen blicken gemäß Tourismusbarometer von Deloitte und Österreichischer Hoteliervereinigung (ÖHV) überwiegend optimistisch in die Zukunft. Mit 39,5 Millionen Sommer-Nächtigungen bis Juli 2023 erzielte die Branche ein Plus von 4,9 % gegenüber dem Vorjahr und übertraf das Vor-Pandemie-Jahr 2019 um 1,9 %. Was heuer zentral herausfordert, sind die allgemeinen hohen Kosten und weiterhin die schwierige Suche nach Mitarbeiter:innen. Dem gegenüber steht die große Chance, mit der nachhaltigen Ausrichtung der Geschäftsmodelle neuen Vorsprung aufzubauen.
Dabei hilft, dass den Gästen Nachhaltigkeit wichtig ist. Außerdem erhöht die EU-Taxonomie-Verordnung den Handlungsdruck. „Aus dem Langfristtrend Nachhaltigkeit ist ein Businessfaktor geworden, der schon heute zählt. Deshalb zeigen die Expert:innen bei den Tiroler Tourismusgesprächen auf, wie zu reagieren ist und welche Schritte jetzt rasch voranbringen. Viele Tiroler Betriebe und Destinationen positionieren sich schon erfolgreich, auch diese holen wir als Vorbilder auf die Bühne, um weitere für den gemeinsamen Weg zu motivieren. Gemeinsam gelingt auch die grüne Transformation“, ordnet Mag. Thomas Wass, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Raiffeisen-Landesbank Tirol AG, Thema und Veranstaltung ein.
Raiffeisen Tirol: Hilfe beim Datenaufbau, Expertise und Finanzierungslösungen
Die EU-Taxonomie-Verordnung ist ein Kernelement des Green Deals für europäische Klimaneutralität bis 2050 und ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten. Über Taxonomie-Angaben zu berichten, dazu verpflichtet die im Jänner 2023 in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ab dem Jahr 2026 Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen. Nur wenige Tourismusbetriebe sind direkt von der Berichtspflicht betroffen, aber alle profitieren, wenn sie proaktiv einen umfassenden Überblick über ihre Aktivitäten in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Environmental, Social & Governance (ESG) – geben. Diese Informationen werden künftig einen großen Einfluss auf Kauf- oder Finanzierungsentscheidungen der diversen Stakeholder – allen voran Kund:innen, Geschäftspartner:innen, Kapitalmarkt und Förderstellen – haben.
In Tirol wickelt jeder zweite Tourismusbetrieb Investitionen über eine Raiffeisenbank ab und die Tiroler Raiffeisenbanken stellen für Projekte, die etwa einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, Energie sparen oder die Kreislaufwirtschaft stärken, maßgeschneiderte Finanzierungslösungen bereit. Dazu berichtet RLB-Tirol-Marktvorstand Mag. Thomas Wass: „Europäische Klimaneutralität soll auch mithilfe einer Ökologisierung der Kreditportfolios der Finanzinstitute erreicht werden. Gemeinsam mit unseren Kund:innen nehmen wir diese Verantwortung sehr ernst und achten beim Neukreditgeschäft verstärkt auf die Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle. Schon jetzt erfüllt jedes neue Investitionsvorhaben, das Touristiker:innen mit den Raiffeisenbanken umsetzen, mindestens eine grüne Komponente aus unserem nachhaltigen Kriterienkatalog.“
Die Raiffeisen-Bankengruppe Tirol verfolgt selbst eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie und der Nachhaltigkeitsbericht der Raiffeisen-Landesbank Tirol AG folgt heuer erstmals den Standards der Global Reporting Initiative (GRI). Da die Tiroler Raiffeisenbanken wissen, dass der Weg zu mehr Nachhaltigkeit mit einer Ist-Analyse und einer klaren Strategie beginnt, stellen sie ihren Kund:innen eigene Erfahrungen und Marktexpertise im Rahmen von ESG-Beratungen zur Verfügung. Wass erläutert: „Wir vermitteln ein umfassendes ESG-Verständnis, zeigen den richtigen Umgang mit Risiken, identifizieren Potenziale und helfen den Kund:innen, diese zu heben. Parallel begleiten wir den ESG-Datenaufbau. Mittelfristig werden positive oder negative Auswirkungen betrieblicher Aktivitäten auf Umwelt und Menschen auch das Kreditrating beeinflussen. Betriebe, die heute eine schlüssige Dokumentation starten, wo sie stehen und wie sie messbar besser werden, sind morgen bei der Finanzierung im Vorteil.“ Um den nachhaltigen Impact wirtschaftlicher Aktivitäten zu dokumentieren und zu veröffentlichen, stehen Betrieben auch Instrumente wie der ESG Data Hub der Oesterreichischen Kontrollbank zur Verfügung. Auf dieser zentralen Plattform lassen sich Daten zu nachhaltigen Aktivitäten einfach und kostenlos einpflegen und können diese mit Kreditinstituten geteilt werden.
Nachhaltigkeit zahlt sich ökologisch und ökonomisch aus
„Nachhaltiges Wirtschaften bringt auf vielen Ebenen Vorteile mit sich. Das glaubt man auf den ersten Blick gar nicht“, hält beim vorangehenden Pressegespräch Barbara Winkler, Landesvorsitzende Tirol der ÖHV und Betreiberin des Hotels Kaiser und der Kaiserlodge in Scheffau, fest. Einsparungen durch geringeren Strom-, Wasser- oder Lebensmittelverbrauch liegen auf der Hand. Wie genau das optimiert wird, erklären Expert:innen bei Seminaren der ÖHV, die seit Jahren Qualitätshotels aller Größen bei der Implementierung von Nachhaltigkeit unterstützen. Sie wissen, welche Schrauben wie gedreht werden müssen, damit ökologische und ökonomische Zielsetzungen einander nicht in die Quere kommen. Doch die positiven Effekte gehen weit darüber hinaus. Nicht umsonst erklärt auch der Tourismusbarometer von Deloitte und ÖHV Nachhaltigkeit zum „Hot Topic“ des Jahres.
„Wer nachhaltige Aktivitäten sichtbar macht, spricht aktiv Gäste an, die auf bewusstes Reisen viel Wert legen. Laut ÖHV-Befragung achten 50 % der Gäste bei Hotelauswahl und Anreise auf Nachhaltigkeit und 58 % sind auch bereit, für einen Aufenthalt in nachhaltig agierenden Hotels mehr zu zahlen. Zusätzlich zur wachsenden Zahl dieser Privatgäste kommt eine zunehmende Zahl an Firmenkunden, die ihre Geschäftsreisen nachhaltig abwickeln wollen und bald müssen. Das wird in den kommenden Jahren noch stark zunehmen“, ist Winkler überzeugt und empfiehlt den Kolleg:innen, sich rasch auf die neuen Begebenheiten einzustellen: „Es zahlt sich ökologisch und ökonomisch aus.“
Wirtschaften Unternehmen authentisch und transparent nachhaltig, wirkt sich das auch auf das Image und damit auf die Arbeitgebermarke aus, betont Winkler: „Das steht in der Regel nicht im Vordergrund bei der Entscheidung, wie nachhaltig Unternehmen geführt werden. Aber wenn Bewerber:innen die Wahl haben – und die haben sie bei der Vielzahl an offenen Stellen –, entscheiden sich mehr und mehr von ihnen für nachhaltig wirtschaftende Arbeitgeber. Angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt sollte man diesen Effekt bei der strategischen Ausrichtung von Unternehmen stärker berücksichtigen.“
Aufgrund der hohen und stark steigenden Bedeutung der Messung und Dokumentation ESG- und CSRD-relevanter Maßnahmen kooperiert die ÖHV mit dem darauf spezialisierten Unternehmen SDI*Rating. Der SDI*Report unterstützt ganz speziell Tourismusunternehmen bei der Darstellung ESG-relevanter Maßnahmen und Kennzahlen und hilft so bei Buchungsanfragen von Firmenkunden, die ESG-Kennzahlen verlangen, bei Finanzierungen, Förderungen, der Präsentation auf Online-Buchungsplattformen sowie generell in der Außenkommunikation. Die ÖHV begleitet seit Jahren Qualitätshotels erfolgreich bei der Verschränkung ökologischer und ökonomischer Ziele. Neben der konkreten Unterstützung der Unternehmen bei der Reduktion des CO2- und Ressourcenverbrauchs oder von Müll nimmt Nachhaltigkeit auch in der Unternehmer-Akademie und der Abteilungsleiter-Akademie einen hohen Stellenwert ein und ab November 2024 auch in einer Nachhaltigkeits-Akademie: „Die ÖHV-Expert:innen haben das Know-how, die Hotels brauchen es. Der ÖHV-Campus schlägt die Brücke zwischen dem Angebot auf der einen Seite und dem Bedarf auf der anderen“, freut sich Winkler schon jetzt.
Engadin Tourismus: Allen Aspekten gerecht werden
Allen Aspekten der Nachhaltigkeit gerecht werden, das will auch eine bekannte Tourismusdestination in der benachbarten Schweiz. Im Hochtal Engadin verbuchen 138 Hotels jährlich rund 1,7 Mio. Nächtigungen, etwa 40 % entfallen auf St. Moritz, das touristische Zentrum des Oberengadins, und die Skigebiete liegen – ähnlich wie in Tirol – auf Seehöhen zwischen 1.700 und 3.300 Metern. Um zu berichten, wie das Oberengadin nachhaltig noch besser werden und zur nachhaltigen Entwicklung der gesamten Schweiz als Reiseland beitragen möchte, ist Jan Steiner, der Vorsitzende der Geschäftsleitung von Engadin Tourismus, zu den Tiroler Tourismusgesprächen angereist: „Wir fügen die Vision des durch und durch nachhaltigen Reiseziels Engadin Mosaikstein um Mosaikstein zusammen. Zugrunde liegt eine Strategie, die das Thema in allen drei Dimensionen – in der Ökonomie, der Ökologie und im gesellschaftlichen Kontext – behandelt. Diesen Ansatz halte ich im Destinationsmanagement für besonders wichtig, denn wir übernehmen hier aktiv Verantwortung und unterstützen letztlich auch die Partner und Leistungsträger vor Ort in der Umsetzung.“ Als Maßnahmen nennt Steiner beispielhaft die fortschreitende Entwicklung des Engadins hin zu einer touristischen Ganzjahresdestination (ökonomisch), die laufende Revitalisierung der Innauen zum Erholungsgebiet (ökologisch) und den Co-Working-Space InnHub La Punt, der neue Formen des Arbeits- und Innovationstourismus ermöglicht und darüber hinaus ganzjährige Arbeitsplätze schafft (sozial).
Seit 2023 ist das Engadin zudem eine „Swisstainable Destination“. Swisstainable ist das Nachhaltigkeitsprogramm des Schweizer Tourismus, Grundlagen der Teilnahme sind das Commitment zu Nachhaltigkeit, die Gründung einer Koordinationsstelle für Nachhaltigkeit, die Einbettung des Themas in die Destinationsstrategie, ein konkreter Maßnahmenplan, eine gewisse Anzahl an Swisstainable-Betrieben in der Destination und aktive Kommunikation. Die Entscheidung, den Weg zu dieser anerkannten Zertifizierung zu gehen, sei gefallen, um den laufenden und vielschichtigen Bestrebungen in der Region mehr Gewicht und Glaubwürdigkeit zu verleihen. „Wir möchten bei der wachsenden Zielgruppe von Gästen, die nachhaltigkeitsaffin sind, zuoberst auf dem Radar stehen, erwarten aus der Teilnahme aber auch einen maßgeblichen Beitrag, die Qualität der nachhaltigen Entwicklung entlang der gesamten touristischen Wertschöpfungskette zu sichern“, sagt Steiner.
Vielfalt im Überblick: Die Keynotes und Walk-The-Talks bei den Tiroler Tourismusgesprächen 2023
Neben Jan Steiner treten bei den Tiroler Tourismusgesprächen weitere Keynote-Speaker:innen auf: Univ.-Prof. DI Dr. Ulrike Pröbstl-Haider vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung an der Universität für Bodenkultur Wien widmet sich den Herausforderungen und möglichen Strategien rund um Klimawandel und Skigebietsentwicklung. Der Star- und vegetarische Haubenkoch Paul Ivić hat im Gepäck, warum und wie Gesellschaft und Gäste wieder auf den Geschmack nachhaltig produzierter und gesunder Lebensmittel zu bringen sind.
Der Fokus auf regionale Vorzeigeprojekte und nachhaltigkeitstreibende Aktivitäten der Stakeholder erfolgt in jeweils angeschlossenen Walk-the-Talk-Runden. Ihr Wissen zu Nachhaltigkeit als bestimmendem Wettbewerbsvorteil teilen Mag. (FH) Elias Walser vom TVB Seefeld – die „Region Seefeld – Tirols Hochplateau“ erlangte im Juni als erste Destination in Österreich die Auszeichnung mit dem Österreichischen Umweltzeichen – und Mag.a Katrin Kröll (Booking.com). Von ihren Wegen zur Energieautonomie bzw. Genussregion berichten Mag.a Beate Rubatscher-Larcher (Kaunertaler und Pitztaler Gletscherbahnen) und Raphael Kuen (Lebensraum Ötztal).