Die Vorgeschichte. Im Sommer 2023 übernimmt Irene Girkinger die Intendanz des Tiroler Landestheaters, der beliebte Tanzdirektor Enrique Gasa Valga muss das Haus verlassen. Ein üblicher Vorgang, bewarb sich Valga doch um denselben Posten und unterlag Girkinger. Nicht nur in der Kultur ist es üblich, seine MitbewerberInnen nicht weiter zu beschäftigen. So weit, so normal.
Was dann geschah, kann man mit unterschiedlichen Brillen sehen. Ich setze hier die mir objektivst mögliche auf: Girkinger macht in der Folge das, was sie im Hearing angekündigt hat und zu diesem Zeitpunkt offenbar gewünscht ist, und verschreckt mit ihrem experimentellen Stil das Tiroler Publikum, was zu Massenkündigungen im Abobereich und großer Unzufriedenheit in der Belegschaft führt. Gasa Valga nützt derweil die plötzliche Abwesenheit eines Beschäftigungsverhältnisses für den mutigen Schritt in die Selbstständigkeit und gründet seine eigene Tanzcompany. Auch er macht das, was er am besten kann: hochwertige Tanzproduktionen ohne intellektuelle Überforderung. Seine Fans feiern seitdem – nicht nur in Innsbruck – die Produktionen seiner Limonada Dance Company.
Letztes Jahr dann ein weiterer Clinch im Landestheater. Girkinger und ihr kaufmännischer Counterpart Markus Lutz können überhaupt nicht miteinander. Unprofessionellerweise wird der Streit öffentlich ausgetragen und Landeshauptmann wie Bürgermeister verordnen den beiden eine Mediation. Die hat zwar anscheindend nichts gebracht, aber Lutz will jetzt trotzdem bleiben. Und so wurde dieser Tage Lutz’ Vertrag verlängert, der von Girkinger läuft sowieso bis 2028. So spielt man im Landestheater weiterhin in derselben Besetzung an der Spitze an weniger Tagen pro Woche denn je vor weniger Publikum als je zuvor und benötigt dafür immer mehr Subventionen. 38,5 Millionen werden es heuer – mindestens – sein.
Enrique Gasa Valgas zweites Winter Dance Festival ist vergangenen Sonntag zu Ende gegangen. Das Ziel, 10.000 Tickets zu verkaufen, wurde dabei verfehlt, aber nur um wenige Hundert Stück. Im Gegensatz zum Landestheater muss dieser Kulturevent ohne Subventionen von Stadt und Land auskommen, lediglich der Innsbruck Tourismus beteiligt sich an der Realisierung. So kosten die Tickets auch nicht rund 40 Euro wie im Landestheater, sondern zwischen 65 und 110 Euro – ein satter Preis, den es aber mehr als braucht, um die Congress-Miete, die notwendige Technik und natürlich auch die Dutzenden Mitwirkenden zu bezahlen. In Gasa Valgas letzter Spielzeit (22/23) zählte das Landestheater rund 140.000 BesucherInnen. Wenn wir freundlich schätzen, waren es letztes Jahr noch 110.000.
Das Land Tirol und die Stadt Innsbruck stützen also jedes verkaufte Landestheater-Ticket mit 350 Euro Steuergeld.
Die Limonada Dance Company hat – wie viele andere Kulturtreibende – keinen Cent von der öffentlichen Hand erhalten. Ich will an dieser Stelle nun wahrlich keine Diskussion lostreten, ob es das Landestheater braucht, weil sich die Frage ohnehin nicht stellt. Ich verstehe aber nicht und halte es für eine große Verfehlung der Politik, warum man nicht das Beste aus zwei Welten schaffen kann. Warum muss eine Privatperson, die in der Lage ist, 10.000 BesucherInnen für Tanztheater zu begeistern, ein solch finanzielles Risiko tragen, während auf der anderen Straßenseite scheinbar sorglos Abermillionen an Steuergeld verbrannt werden, ohne zumindest ausreichend Publikumsinteresse zu generieren? Warum kann ein Winter Dance Festival nicht im Landestheater stattfinden? Montag und Dienstag, meist auch Mittwoch wird dort ohnehin nicht gespielt. Oder man lässt es zum Summer Dance Festival umdekorieren, denn von Juli bis Ende September verabschiedet sich das Landestheater sowieso in die traditionelle Sommer-Kreativpause. Und auch als einfacher Winter-Dance-Besucher fragt man sich, warum man in diesem seelenlosen Kongresshaus sitzen muss, während nebenan Heuballen durch ein wunderschönes Theater wehen.
Die Politik ist offenbar nicht in der Lage, ihre eigenen Interessen und die der Bevölkerung in Einklang zu bringen, selbst wenn die Lösung komplett auf der Hand liegt und nur an persönlichen Animositäten scheitert, für die kein Platz sein sollte. Denn für Eitelkeiten ist schlichtweg zu viel öffentliches Geld im Spiel.
Ein gewisses Grundinteresse würde natürlich helfen, die Sachlage zu verstehen. Es wurden weder der Ex-Bürgermeister und jetzige Kulturstadtrat Georg Willi noch unser Landeshauptmann Anton Mattle, der auch die Kulturagenden verantwortet, bei auch nur einer der elf Veranstaltungen des Winter Dance Festivals gesichtet.