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Fake-News im Netz

Warum Regulierung jetzt entscheidend ist

Matthias C. Kettemann im Gespräch über Desinformation, Plattformverantwortung und digitale Grundrechte.
Fake-News im Netz

Warum Regulierung jetzt entscheidend ist

Matthias C. Kettemann im Gespräch über Desinformation, Plattformverantwortung und digitale Grundrechte.

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Soziale Medien treiben die Verbreitung gezielter Fake-News rasant voran. top.tirol hat mit dem Internetrechts-Experten Matthias C. Kettemann von der Uni Innsbruck über digitale Gefahren, gesetzliche Versäumnisse und neue Regeln gesprochen.

 

Herr Kettemann, was genau versteht man unter Desinformation?

Matthias C. Kettemann: Desinformation bezeichnet gezielt verbreitete falsche oder irreführende Informationen. Dabei geht es darum, strategische, politische oder wirtschaftliche Ziele zu verfolgen. Nicht jede Unwahrheit fällt in diese Kategorie: Eine bloße Lüge ohne gezielte Absicht zählt nicht als Desinformation.

 

Wo liegen heute die größten Herausforderungen bei der Verbreitung von Fake-News, und welche Rolle spielen dabei soziale Medien?

Früher gab es Kontrollmechanismen: Wer Unsinn erzählte, wurde entweder von FreundInnen oder RedakteurInnen gebremst. Heute kann jede Person mit einem Smartphone potenziell die ganze Welt erreichen – ohne Kontrollinstanz. Soziale Medien betreiben keine Vorabprüfung der Inhalte. Jede und jeder kann publizieren, was sie oder er möchte.

Desinformation ist oft emotional aufgeladen, sie bewegt uns, ob wir zustimmen oder nicht. Diese emotionalen Inhalte werden von Algorithmen der Plattformen verstärkt, weil sie NutzerInnen binden und Interaktionen erzeugen. Dadurch entsteht ein ungünstiger Kreislauf: Weniger Kontrolle trifft auf wirtschaftliche Anreize für Plattformen, emotional aufgeladene Desinformationen weiter zu verbreiten.

 

Wo sehen Sie rückblickend Versäumnisse bei der Gesetzgebung im digitalen Raum?

Wir haben zu spät erkannt, wie wichtig es ist, soziale Plattformen stärker zu regulieren. Es war keine gute Idee, großen Internetkonzernen 20 Jahre freie Hand zu lassen. In dieser Zeit haben sie enorm an Macht, Kapital und Daten gewonnen. Diese nun im Nachhinein zu regulieren, ist entsprechend schwierig.

Die aktuellen regulatorischen Schritte, etwa im europäischen Gesetz über digitale Dienste, sind dennoch sehr sinnvoll. Sie verpflichten Plattformen zu mehr Transparenz, schnellerem Löschen illegaler Inhalte und besserem Schutz von Kindern. Das kam spät, ist aber nicht zu spät, um unsere Demokratie widerstandsfähig und sicher zu halten.

 

Welche Maßnahmen sieht der neue europäische Rechtsakt vor?

Die Plattformen sind nun verpflichtet, ihre internen Richtlinien und Algorithmen gründlich zu überprüfen. Sie müssen evaluieren, ob ihre Empfehlungssysteme Risiken für demokratische Prozesse, Selbstbestimmung oder öffentliche Gesundheit darstellen. Diese Risikobewertungen werden anschließend von der EU-Kommission kontrolliert. Plattformen müssen aktiv Risiken minimieren, etwa durch genauere Prüfung der empfohlenen Inhalte, frühzeitige Erkennung von Desinformation oder entschlosseneres Vorgehen gegen Bot-Accounts.

 

Gibt es Plattformen, die Sie besonders kritisch sehen?

Es ist schwierig, einzelne Plattformen pauschal als besonders problematisch zu deklarieren. Allerdings zeigt sich, dass Twitter oder X sich zuletzt bei der Moderation stark zurückgezogen hat. Elon Musk verfolgt offen politische Ziele, was die Plattform zu einem Risikofaktor macht. Wer sich dort länger aufhält, läuft Gefahr, beeinflusst zu werden. Glücklicherweise ist X in Österreich besonders bei jungen Menschen wenig populär, was die Gefahr etwas reduziert.

Telegram wiederum ist besonders kritisch, da vieles hier im Verborgenen geschieht und der neue europäische Rechtsakt solche Privatkommunikation nicht umfassend abdeckt. Hier besteht definitiv weiterer Regulierungsbedarf.

Andere große Plattformen wie Facebook oder Tiktok hingegen halten sich weitgehend an das europäische Recht. Sie stellen aktuell keine besonders großen regulatorischen Herausforderungen dar.

 

Vielen Dank fürs Gespräch!

 

Zur Person:

Matthias C. Kettemann ist Professor an der Universität Innsbruck, an der er sich mit Innovation, Rechtstheorie und der Zukunft des Rechts beschäftigt. Dort leitet er unter anderem das Innsbruck Quantum Ethics Lab.

11. Juni 2025 | AutorIn: Anna Füreder | Foto: Birgit Pichler

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