Impressionen, Reichweite, Klicks – InfluencerInnen buhlen kreativ wie strategisch um die Aufmerksamkeit der UserInnen. In dieser lukrativen, aber umkämpften Branche hat sich die Tirolerin Anna Strigl erfolgreich positioniert und ihr eigenes Business aufgebaut.
Eine junge Frau mit langen blonden Haaren klettert im Bikini auf einen Baum und springt lachend in einen eiskalten Bergsee. Im nächsten Clip sitzt sie tränenüberströmt vor der Kamera und spricht offen über eine emotionale Krise. Ein Wisch weiter tanzt sie im kurzen Kleid – mit ihrer Oma an der Seite – durch den Schnee. Für ihre AbonnentInnen ist es ein Blick in ein Leben, das spontan wirkt und doch sorgfältig inszeniert ist. Für Anna Strigl ist es viel mehr: ein Businessmodell, mit dem sie ihr Geld verdient.
Mit über zwei Millionen FollowerInnen auf TikTok, 600.000 auf Instagram und Millionen Aufrufen auf YouTube zählt die 28-Jährige zu den erfolgreichsten Social-Media-Persönlichkeiten des Landes. Was jedoch nach beiläufiger Unterhaltung aussieht, ist das Ergebnis durchdachter Strategien, harter Arbeit und eines Berufsbildes, das längst weit über den Bildschirm hinausreicht.
Klischees und Kritik
Obwohl „Influencer“ längst als Berufsbezeichnung Einzug in den Alltag gehalten hat, bleibt vielen unklar, was genau sich dahinter verbirgt. Und wer annimmt, der Erfolg komme dabei über Nacht, liegt falsch. Denn der Weg dorthin ist meist lang und steinig – so auch bei Anna Strigl. „Mit 13 habe ich angefangen, Videos zu drehen – jahrelang, ohne auch nur einen Cent damit zu verdienen. Erst zehn Jahre später erhielt ich meine erste bezahlte Kooperation“, erinnert sich die heute 28-Jährige.
Der Begriff „Influencer“ mag zwar erst in den letzten Jahren allgegenwärtig geworden sein, doch das dahinterliegende Prinzip ist keineswegs neu. Mit dem Aufstieg von Instagram nahm die Entwicklung eine neue Dimension an: Die Möglichkeit, eine persönliche Community direkt und dauerhaft zu erreichen, hat das Zusammenspiel von Inhalt, Identität und Einfluss grundlegend verändert. Unternehmen und Marken haben das längst erkannt und investieren zunehmend in die Zusammenarbeit mit digitalen MeinungsmacherInnen. In Österreich wird für 2025 ein Werbevolumen von rund 63 Millionen Euro im Bereich Influencer-Marketing prognostiziert.
Mit ihrer Leidenschaft für Bewegtbild und digitalem Storytelling hat sich Anna Strigl ein erfolgreiches Business aufgebaut.
Strigl zählt mittlerweile zu den bekanntesten Social-Media-Persönlichkeiten Tirols. Trotzdem sieht sie sich immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. Besonders hartnäckig hält sich dabei das Klischee, InfluencerInnen würden keiner „richtigen“ Arbeit nachgehen. Die Ötztalerin beeindruck das aber wenig. „Mein Job ist es, so auszusehen, als hätte ich einfach nur Spaß und als sei es ganz leicht, ein paar Videos zu drehen. Wenn das glaubwürdig wirkt, habe ich meinen Job gut gemacht. Ich muss niemandem etwas beweisen – und verdiene trotzdem gut damit“, betont sie.
Das Geschäft mit der Reichweite
Tatsächlich verbirgt sich hinter den scheinbar mühelos inszenierten Clips auf Instagram und TikTok weit mehr. So besteht der Alltag der Content Creatorin in erster Linie aus klassischen unternehmerischen Aufgaben: „Vertragsverhandlungen, Strategieentwicklung, Calls mit meinem Management – das macht den Großteil meiner Arbeit aus“, erklärt sie. Dass die Tirolerin Business und Management am MCI in Innsbruck studiert hat, erweist sich dabei als wertvoll: „Im Studium wurden wir gezielt auf Management-Positionen vorbereitet. Ich wusste schon damals, dass ich mein eigenes Business aufbauen will.“
Mit ihrer Leidenschaft für Bewegtbild und digitalem Storytelling hat sie genau das schließlich auch geschafft: ein Unternehmen rund um ihre eigene Person. „Im Grunde manage ich meine eigene Brand“, resümiert Strigl. „Das ist nicht immer leicht zu trennen – ein Teil davon bin ich selbst, der andere ist eine bewusst gestaltete öffentliche Rolle.“
„Man muss sich wirklich auskennen. Viele ahnen gar nicht, wie oft versucht wird, einen mit unfairen Vertragsbedingungen über den Tisch zu ziehen.“
- Anna Strigl, Influencerin
Mehr als Likes und Linsen
Ihre Erfahrungen aus einem dynamischen und wettbewerbsintensiven Umfeld gibt Anna Strigl heute auch in Workshops und Coachings weiter. Denn für sie steht fest: Unternehmerisches Denken ist in dieser Branche kein Bonus, sondern Grundvoraussetzung. „Ich kenne einige, die mit 16 gestartet sind und das nötige Business-Mindset nicht mitbrachten. Da kann es schnell steil bergauf gehen – und genauso rasant wieder bergab“, stellt die Unternehmerin fest.
Deshalb sei es entscheidend, die Spielregeln zu kennen: Wie funktionieren Algorithmen? Wie pflegt man Kundenbeziehungen professionell? Woran erkennt man seriöse Verträge – und woran Knebelklauseln? „Man muss sich wirklich auskennen. Viele ahnen gar nicht, wie oft versucht wird, einen mit unfairen Vertragsbedingungen über den Tisch zu ziehen“, so die Content Creatorin. Um diese Herausforderungen zu meistern, hat sich Strigl ein kleines Team aufgebaut. Neben einem externen Management steht ihr seit einem Jahr eine Teilzeitkraft im operativen Alltag zur Seite – für Organisation, Koordination und den nötigen Rückhalt im Hintergrund.
Österreich als lukrativer Standort
Wie viel sie bei ihrer Tätigkeit konkret verdient, lässt Anna Strigl offen. Nur so viel verrät sie: Ihre Chancen am Standort Österreich stehen gut. Der Großteil ihrer Einnahmen stammt aus bezahlten Kooperationen – also aus Beiträgen oder Storys, in denen Marken sowie Produkte inszeniert werden.
Wie hoch eine solche Kooperation vergütet wird, hängt in der Regel vom sogenannten TKP ab – dem Tausender-Kontakt-Preis. Er gibt an, wie viel investiert werden muss, um 1.000 Personen aus der Zielgruppe zu erreichen. Faktoren wie Reichweite, Themenfokus und Konkurrenzsituation in der jeweiligen Region beeinflussen die Höhe entscheidend.
Hierzulande sind die Marketingbudgets durchaus vorhanden. Internationale Marken verfügen meist über ein DACH-Budget, das anteilig auf Deutschland, Österreich und der Schweiz verteilt wird. Da es im österreichischen Markt jedoch vergleichsweise wenige reichweitenstarke InfluencerInnen gibt, ist die Auswahl begrenzt – was den TKP in die Höhe treibt.
Strigl konnte sich in dem Umfeld bereits Kooperationen mit namhaften Marken wie Y-Food oder Samsung sichern. Besonders gerne wirbt sie aber für ihre Heimat und arbeitet mit Tourismusverbänden zusammen. Gerade in diesem Kontext erscheinen ihre Videos – ob beim Baden im Bergsee oder beim Tanzen im Schnee – weniger zufällig als vielmehr durchdacht inszeniert und ein gelungenes Zusammenspiel aus Persönlichkeit, Strategie und Unternehmertum.