Atmen, Hören, Schmecken, Schlucken und Riechen sind überlebenswichtige Körperfunktionen. Diese bei einer Erkrankung bestmöglich zu erhalten, ist oberstes Ziel jeder Behandlung. Die neue Direktorin der Univ.-Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen (HSS), Simone Graf, arbeitet gemeinsam mit Benedikt Hofauer an neuen Diagnose- und Behandlungsmethoden. Der Absolvent der Medizin Uni Innsbruck leitet seit 1. Juni die Innsbrucker Univ.-Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO).
Erkrankungen im Hals, in der Nase oder an den Ohren können alle – vom Säugling bis zum Senior - betreffen und gravierende Folgen haben. Darüber hinaus sind sie relativ häufig, wie folgende Zahlen zeigen: Sechs Prozent der Personen, die einen Sprechberuf, wie etwa das Lehramt ausüben, haben eine funktionelle Beeinträchtigung ihrer Stimme. Sieben Prozent der Gesamtbevölkerung haben eine Schluckstörungen, wie Studien aus Deutschland zeigen. HNO-Tumoren stehen in Tirol bei Männern an sechster Stelle, sowohl bei der Verteilung der neudiagnostizierten Karzinome als auch bei den häufigsten Krebstodesursachen. Die Zahl der Erkrankungen von Rachenkarzinomen nimmt darüber hinaus zu. Dafür verantwortlich ist nicht nur das Rauchen in Kombination mit Alkoholkonsum, sondern auch immer häufiger eine HPV-Infektion. Interdisziplinarität ist jedenfalls gefragt bei Behandlungen des breiten Felds an Erkrankungen im HNO-Bereich.
Verbesserte Diagnostik, um invasive Untersuchungen und Operationen zu vermeiden
Mit zwei Kliniken hat Innsbruck im HNO-Bereich eine besondere Expertise als klinisches Zentrum, Ausbildungsstätte für ÄrztInnen und Forschungsstandort. Die Univ.-Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen ist Österreichs größte Facheinrichtung für Phoniatrie, Logopädie, Audiologie und Pädaudiologie. Seit 1. Juli 2023 leitet Simone Graf diese international renommierte Einrichtung. Die 55-Jährige ist, wie ihr Kollege Benedikt Hofauer, von München nach Innsbruck gekommen: Für den neuen Direktor der HNO-Klinik war es auch eine Rückkehr, da der 39-Jährige an der Medizinischen Universität Innsbruck studiert hat. Gemeinsam bringen sie ihre Expertise zum Wohle der PatientInnen ein. Oberstes Ziel jeder Therapie im HNO-Bereich ist der Funktionserhalt. „Wir versuchen, die präoperative Diagnostik mit moderner Bildgebung oder Ultraschall-Untersuchungen zu verbessern“, erklärt Benedikt Hofauer einen wichtigen Ansatz bei Tumorerkrankungen. „Gerade im Bereich der Speicheldrüsen können wir so krankhafte Veränderungen besser beurteilen. Dies ermöglicht es zu erkennen, ob eine Operation überhaupt nötig ist oder vermieden werden kann.“
Jedenfalls ist nach Eingriffen aufgrund einer HNO-Krebserkrankung die Rehabilitation von besonderer Bedeutung. Hier ist die Zusammenarbeit mit der Univ.-Klinik für HSS sehr eng. Insbesondere das Schlucken ist eines der Fachgebiete von Simone Graf. Auch sie forscht an einer verbesserten Diagnostik. Beispielsweise können Schluckgeräusche mit einem speziellen Mikrofon aufgezeichnet werden. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz sollen Muster bei der Aufnahme der Geräusche erkannt werden. Diese Aufzeichnungen geben dann weitere Informationen über die mögliche Art der Schluckstörung. „Eine solche Diagnostik wäre weniger invasiv, als eine Endoskopie oder Untersuchung mittels Bildgebung. Daher verfolgen wir diesen Forschungsansatz“, erklärt Simone Graf.
Klinische Forschung vorantreiben
Um die Behandlungsmöglichkeiten für die zunehmenden HNO-Tumoren zu verbessern, setzt Klinikdirektor Benedikt Hofauer ebenfalls auf die Forschung. „Ich möchte die Anzahl von klinischen Studien für medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten von Tumoren an der Klinik erhöhen“, erklärt Hofauer. PatientInnen, die im Rahmen einer klinischen Studie behandelt werden, können von einer Versorgung nach aktuellstem Stand des medizinischen Wissens profitieren. „Erste Projekte befinden sich bereits in der Vorbereitung, weitere sollen folgen. Die Tiroler Bevölkerung soll so Zugang zu Therapien erhalten, die außerhalb von Studien noch nicht verfügbar sind.“
Schwerpunkt Stimme und Hören
Einen Schwerpunkt will Simone Graf in der Behandlung von funktionellen Beeinträchtigungen der Stimme setzen. Ursachen für eine Beeinträchtigung der Stimme können ein nicht sachgemäßer Stimmeinsatz, ein Polyp, eine Zyste oder andere gutartige Veränderungen sein. „Besonders häufig sind BerufssprecherInnen, wie LehrerInnen, ErzieherInnen oder MitarbeiterInnen in einem Call-Center betroffen. Bei der Behandlung geht es nicht nur um den Funktionserhalt, sondern auch um die weitere Berufsausübung“, sagt Graf. Bei der sogenannten Phonochirurgie, also Operationen an den Stimmlippen, geht es daher insbesondere um Präzision. „Die Stimmlippen sind rund 2,5 Zentimeter lang, schon eine kleine Verletzung von wenigen Millimetern kann die Funktion negativ beeinflussen.“ Neben einer operativen Behandlung sei hier vor allem auch die Zusammenarbeit, etwa mit den LogopädInnen, sehr wichtig. „Wir an der HSS-Klinik spielen eine wichtige Rolle bei der Ausbildung dieser Berufsgruppe“, sagt Graf.