In einer internationalen klinischen Phase III-Studie (LEAP-001) unter der Leitung des Innsbrucker Gynäkologen Christian Marth wurde überprüft, ob die kombinierte Immuntherapie der Chemotherapie als Erstlinienbehandlung beim fortgeschrittenen oder wiederkehrenden Endometriumkarzinom überlegen ist. Das Ergebnis der Studie fällt negativ aus: Die Immuntherapie war nicht besser als die Chemotherapie. Die gute Nachricht: Eine bestimmte Patientinnen-Gruppe profitiert von der kombinierten Immuntherapie.
Das Endometriumkarzinom (Gebärmutterkörperkrebs) ist die häufigste Krebserkrankung der weiblichen Genitalorgane und im frühen Stadium gut behandelbar. Die Herausforderung liegt im fortgeschrittenen Stadium (III und IV) und bei wiederkehrender Erkrankung, eine platinhaltige Chemotherapie ist hier das Mittel der Wahl. Gynäkologische Forschungsbestrebungen gehen dahin, die wirksame, aber belastende Chemotherapie durch neue Immun- und Kombinationstherapien zu unterstützen oder zu ersetzen.
„Vorangegangene Studien zeigten bereits verbesserte Ergebnisse, wenn die Chemotherapie mit Checkpoint-Inhibitoren in der Erstlinientherapie kombiniert wurde. In der LEAP-001-Studie untersuchten wir nun, ob die Kombination von Lenvatinib, einem Angiogenese-Hemmer, plus Pembrolizumab, einem Checkpoint-Inhibitor, der Chemotherapie (Paclitaxel/Carboplatin) als Erstlinienbehandlung beim fortgeschrittenen oder rezidivierenden Endometriumkarzinom überlegen ist“, beschreibt Christian Marth, Studienleiter und Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Medizin Uni Innsbruck, das Hauptziel der internationalen Studie LEAP-001, die soeben im hochrangigen Journal of Clinical Oncology erschienen ist.
In die Studie eingeschlossen wurden insgesamt 842 Patientinnen aus 22 Ländern, die zuvor entweder unbehandelt waren oder über sechs oder mehr Monate nach vorheriger oder unterstützender Chemotherapie ein Fortschreiten der Erkrankung aufwiesen. Die Patientinnen wurden nach dem Zufallsprinzip zugeordnet und erhielten entweder Lenvatinib einmal täglich plus Pembrolizumab alle drei Wochen oder Paclitaxel plus Carboplatin alle drei Wochen.
Negativ-Studie mit Benefit für Untergruppe
Die neuen Daten zeigen keinen signifikanten Nutzen in Bezug auf das progressionsfreie Überleben (PFS) oder das Gesamtüberleben (OS) mit Lenvatinib plus Pembrolizumab als Erstlinientherapie, weder in der Gesamtpopulation noch bei Patientinnen mit Mismatch-Reparatur-profizienten (pMMR)* Tumoren. Allerdings kommen die ForscherInnen zum Schluss, dass die Kombination von Lenvatinib und Pembrolizumab eine wirksame Option bei Patientinnen im fortgeschrittenen Stadium während oder nach vorheriger Chemotherapie ist. Die Europäische Zulassungsbehörde hat den Einsatz der Kombination von Pembrolizumab und Lenvatinib in dieser Indikation auch freigegeben. Außerdem zeigten sich verbesserte Ergebnisse bei Patientinnen mit dem spezifischen Tumorprofil Mismatch-Repair-defizientes Endometriumkarzinom (dMMR)* „In dieser Gruppe stellten wir eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens, eine erhöhte Gesamtüberlebensrate, eine erhöhte Gesamtansprechrate und eine Verlängerung der Ansprechdauer fest“, betont Christian Marth.
Detailergebnisse
In der Gesamtkohorte betrug das mittlere PFS 12,5 Monate im Lenvatinib-Pembrolizumab-Arm und 10,2 Monate im Chemotherapie-Arm. In der pMMR-Population betrug das mittlere PFS 9,6 Monate unter Lenvatinib-Pembrolizumab und 10,2 Monate unter Chemotherapie.
In der dMMR-Population betrug das mittlere PFS 31,8 Monate unter Lenvatinib-Pembrolizumab und 9,0 Monate unter Chemotherapie. Bei PatientInnen, die zuvor eine (neo)adjuvante Chemotherapie erhalten hatten, betrug das mittlere PFS 15,0 Monate mit Lenvatinib-Pembrolizumab und 8,3 Monate mit Chemotherapie.
Bei PatientInnen mit pMMR-Erkrankung, die zuvor eine (neo)adjuvante Chemotherapie erhalten hatten, betrug das mittlere PFS 12,5 Monate mit Lenvatinib-Pembrolizumab und 8,3 Monate mit Chemotherapie.
„Für die klinische Praxis und die Anpassung der Leitlinien sind negative Studienergebnisse ebenso wichtig wie positive Studien. Die Chemotherapie bleibt die Standardtherapie für die Erstbehandlung von fortgeschrittenem Endometriumkarzinom. Für die weitere Therapieentwicklung zeigen sich aber auch die Vorteile der Kombination von Lenvatinib/Pembrolizumab für Patientinnen während oder nach vorheriger Chemotherapie sowie Patientinnen mit dMMR-Tumoren, die rund 25 Prozent aller Endometriumkarzinome ausmachen und mit einer schlechteren Prognose verbunden sind. Fortschritte in der Behandlung des fortgeschrittenen Endometriumkarzinoms sind vor allem auch durch die Verbesserung der molekularen Tumorklassifikation zu erwarten“, schließt Marth.
*) Die Klassifizierung des Tumors erfolgt u.a. auch nach histologischen und molekularen Methoden. Das Bestimmen des MMR-Status (mismatch-repair; Mutationen, die die DNA-Reparatur betreffen) mittels Immunhistochemie kann eine entscheidende Relevanz für die Therapieplanung beim lokal fortgeschrittenen und/oder rezidivierten Endometriumkarzinom haben. pMMR = Mismatch-Repair-profizient, dMMR = Mismatch-Repair-defizient.
Zur Person:
Der gebürtige Südtiroler Christian Marth hat sich bereits während seines Studiums der Humanmedizin in Innsbruck an wissenschaftlicher Forschung beteiligt. Er forschte zwei Jahre lang in einem spezialisierten Krebszentrum in Oslo (Norwegen) bevor er 1998 als Direktor der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe nach Innsbruck berufen wurde. Schwerpunkte seines Forschungsinteresses sind Brust-, Eierstock- und Gebärmutterkörperkrebs. Das renommierte Forschungsportal PubMed erkor ihn im Herbst 2021 zu einem der weltweit Top 0,1 Prozent der Eierstockkrebs-Forscher.
Zur Forschungsarbeit: First-Line Lenvatinib Plus Pembrolizumab Versus Chemotherapy for Advanced Endometrial Cancer: A Randomized, Open-Label, Phase III Trial. Marth et al.