Ein Biohotel zieht Bilanz
Der Leutascher Hof wurde schon zweimal nach der Gemeinwohl-Ökonomie bilanziert. Mit Ergebnissen, die Hotelinhaber Christian Wandl zunächst teilweise enttäuschten, ihn aber auch zu Änderungen motivierten und die er heute nicht mehr missen möchte.
Aufwendig war es“, sagt Hotelinhaber Christian Wandl lachend im Rückblick auf die Erstellung der zwei Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanzen, die er im Jahr 2016 und 2020 vorgenommen hat. Etwa 120 Arbeitsstunden brauchte er, um die vielen Fragen und Rubriken der Bilanz auszufüllen. „Es ist sehr theoretisch und macht wenig Spaß“, sagt Wandl und ergänzt: „Aber am Ende hatte ich einen Einblick in mein Unternehmen wie bisher noch nie.“
Die Resultate der Bilanz hätten Dinge angestoßen, mit denen sich Wandl und seine KollegInnen davor noch nie beschäftigt hätten. Die Marktmacht des Betriebes gegenüber Lieferanten etwa. So werden bei der Bilanzierung alle Lieferanten gefragt, wie hoch der Anteil der Gesamtlieferungen zum Bilanz-Betrieb ist. „Wenn ich einen Metzger habe, der 60 Prozent seines Geschäfts mit mir macht und sehr abhängig von mir ist, dann muss ich sensibler sein und ihn anders behandeln – zum Beispiel bei Preisverhandlungen“, erklärt Wandl.
Was Gemeinwohl-Wirtschaft ausmacht
Generell sieht Wandl die Bilanzierung als Chance, strukturelle Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens hinsichtlich des Gemeinwohls zu erkennen. „Wir hängen oft voll im Tagesgeschäft. Da ist es wichtig, dass es einen Anlass wie die Bilanzierung gibt, um sich mit den Strukturen auseinanderzusetzen“, sagt der Hotelinhaber und erklärt, worauf es ihm bei der Gemeinwohl-Ökonomie ankommt: „Es geht darum, fair zu sein. Das sollte der normale Umgang miteinander sein, aber dadurch, dass diese Moral im Geschäftsbereich immer mehr verloren geht, braucht es wieder eine gewisse Regelung von einem fairen Umgang miteinander.“ Eine solche Steuerungsfunktion sieht Wandl in Zertifizierungen wie der Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanz, weil er guten Gewissens Handel mit Unternehmen eingehen könne, die ebenfalls ein solches Zertifikat haben.
Man lernt nie aus
Das Ergebnis seiner Bilanzierungen war für Christian Wandl im ersten Moment enttäuschend – „nur“ 409 von 1.000 möglichen Punkten erreichte der Leutascherhof. Doch Wandl sieht die Bilanz mehr als Chance: „Es ist eine Momentaufnahme eines Jahres, anhand derer man sich verbessern kann. Sie ist die Grundlage.“ Außerdem gibt er zu bedenken, „dass das Ergebnis deutlich besser ist als das, was viele andere Unternehmen bekommen würden, wenn sie sich aus dem Stand zertifizieren lassen würden“.
Konkret verändert wurde im Leutascherhof zum Beispiel die Auswahl der Lieferanten. Tee wird nur noch bei der Firma Sonnentor gekauft, die ebenfalls zertifiziert ist. „Dadurch kann ich verhindern, dass Menschenrechtsverletzungen in meiner Lieferkette geschehen“, erklärt Wandl. Ebenso wurde das Gehalt aller MitarbeiterInnen erhöht und in Zukunft stehe bei der Finanzierung ein Wechsel zu Gemeinwohl-Banken an.
Eine gute Sache
Christian Wandls Fazit fällt insgesamt sehr positiv aus. Das Bewusstsein, welche Verantwortung der Leutascherhof gegenüber seinen Stakeholdern habe, sei gewachsen. Wandl resümiert: „Ich möchte die zwei Bilanzierungen nicht missen und werde auch 2024 meine nächste Bilanzierung machen.“
Zur Person
Christian Wandl leitet seit 2006 das Biohotel Leutascherhof. Zudem ist der Hotelier seit elf Jahren Vorstand des TVB Seefeld und seit Anfang diesen Jahres Obmann des Naturpark Karwendel.
Facts
- Einer von 29 Betrieben österreichweit, die sich mit einer „Grünen Haube“ schmücken dürfen
- Bietet Gästen fünf Prozent Rabatt auf Buchungen bei grüner Anreise
- 25 MitarbeiterInnen
- 120 Betten