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Kein Weg zu weit

Michaela Tader (Leopold) und Miriam Merzhäuser (Projekt IQ) wollen die Jugendlichen in die Wirtschaft integrieren.

Kein Weg zu weit

Michaela Tader (Leopold) und Miriam Merzhäuser (Projekt IQ) wollen die Jugendlichen in die Wirtschaft integrieren.

Verlängerte Lehre und Teilqualifizierung helfen Jugendlichen mit Schwierigkeiten auf ihrem Weg in den Berufsalltag.

Das Projekt IQ (Individuelle Qualifizierung) des Ausbildungsinstituts ibis acam übernimmt in Tirol im Auftrag des AMS diese Aufgabe. Wir haben mit Miriam Merzhäuser, Berufsausbildungsassistentin des IQ Innsbruck, gesprochen.

Was sind die Vorausetzungen, in Österreich eine verlängerte Lehre zu absolvieren?

MIRIAM: Im Berufsausbildungsgesetz sind vier Zielgruppen definiert, die Anspruch haben: Jugendliche, die keinen Hauptschulabschluss haben, einen sonderpädagogischen Ausbildungsbedarf haben, eine Einstufung als Behinderte haben oder die aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, eine Lehrstelle zu finden oder zu halten.

Wie finden die Jugendlichen zu Ihnen?

Das AMS entscheidet, ob die Jugendlichen in eine dieser vier Zielgruppen fallen. Verlängerte Lehre bedeutet, dass die Regellehre – in den meisten Lehrberufen drei oder dreieinhalb Jahre – bis zu zwei Jahre verlängert werden kann. Die übliche Verlängerung ist ein Jahr. Am Ende dieser Ausbildung, das ist wichtig, ist sie gleichgestellt der „normalen“ Lehre.

Gilt das für jeden Lehrberuf?

Ja. Zum Beispiel hier im „Leopold“ werden Restaurantfachleute und Köchinnen und Köche ausgebildet. Da ist die Regellehrzeit drei Jahre, bei diesen Jugendlichen sind es vier Jahre. Im Rahmen dieser vier Jahre besuchen sie auch die Berufsschule. Eigentlich hätten sie drei, jetzt haben sie vier Schulbesuche. Denn im Rahmen der verlängerten Lehrausbildung bei uns besuchen sie zweimal das zweite Schuljahr – fakultativ. Das heißt, sie dürfen das Schuljahr automatisch doppelt besuchen.

Das wird alles individuell angepasst?

Das ist im Rahmen der sogenannten IBA – individuelle Berufsausbildung – möglich. Damit es individuell gestaltbar wird, braucht es die Berufsausbildungsassistenz. Jeder Lehrling, der in Tirol eine sogenannte verlängerte Lehre macht, hat automatisch per Gesetz eine Berufsausbildungsassistenz zur Seite.

Wie sieht Ihre Arbeit bei IQ konkret aus?

Das Projekt IQ (Individuelle Qualifizierung) gibt es jetzt seit 20 Jahren. Es ist eine Sonderform: Es bietet nicht nur Berufsausbildungsassistenz, sondern auch Ausbildungsverhältnisse in den eigenen Einrichtungen in sieben Lehrberufen an. Pro Fachbereich stehen den Lehrlingen ein bis zwei BerufsausbildungsassistentInnen zur Seite.

Sie bilden die Jugendlichen also auch aus?

Berufsausbildungsassistenz wird auch von anderen Institutionen angeboten. Es gibt ja unterschiedliche Träger. Aber wir sind die Einzigen, die als überbetriebliche Ausbildungsstätte die Ausbildung mitanbieten. Wir bieten Ausbildungsplätze an als FloristIn, Restaurantfachfrau oder -fachmann, Koch und Köchin, MalerIn und BeschichtungstechnikerIn, FacharbeiterIn im Gartenbau, HochbauerIn (Maurer) und im allgemeinen Einzelhandel.

IQ hat Ausbildungsbetriebe?

Ja, wir haben einen Ausbildungsgarten, wir haben eine Maurereiwerkstatt, eine Malereiwerkstätte, hier im Leopold ist die Restaurantausbildung, und wir haben eine Floristikwerkstätte und, ganz neu, ein Geschäft in der Leopoldstraße, den „Herrn Paul“.

Wie ist der Ablauf, wenn ein Jugendlicher zu Ihnen kommt?

Wir starten mit einer Berufsorientierung. Da geht es um allgemeine Pflichtschulinhalte, soziale Fähigkeiten. Wir versuchen einzuschätzen, wo die Jugendlichen überhaupt stehen. Was bringen sie mit: Haben sie einen Schulabschluss oder tun sie sich sprachlich schwer. Das müssen wir erst erfassen. Die Berufsorientierung dauert zwischen sechs Wochen und sechs Monate. Das wird vom Team der Berufsorientierung individuell festgestellt.

Wie geht es weiter?

Dann suchen sich die Jugendlichen zwei Fachbereiche aus, machen ein Schnupperpraktikum und vertiefte Praktika. Und wenn man dann in Absprache mit den TrainerInnen übereinkommt, der oder die Jugendliche ist geeignet für den Beruf, kommen wir als BerufsausbildungsassistentInnen dazu. Wir setzen den Ausbildungsvertrag auf und dann startet die tatsächliche Ausbildung. Vorrangige Aufgabe ist, im Rahmen von etwa einem Jahr einen externen Ausbildungsplatz zu finden. Die AusbilderInnen starten dann die Lehrausbildung nach den Berufsbildern.

Die Jugendlichen machen also nicht die gesamten vier Jahre Ausbildung bei euch?

Wir dürften, wir sind ein überbetrieblicher Ausbildungsbetrieb. Unser Ziel ist aber, dass die Jugendlichen rausgehen. Wir arbeiten ja im Auftrag des AMS, das heißt, wir wollen Jugendliche in die Wirtschaft integrieren. Das ist unser vorrangiges Ziel. Wenn die Jugendlichen in einen externen Ausbildungsbetrieb wechseln, bleibe ich als Ausbildungsassistenz bis zum Abschluss immer im Kontakt mit den Jugendlichen. Wir haben uns etwas aufgebaut, haben eine persönliche Beziehung: Da kann ich viel erreichen. Ich habe mindestens alle zwei Wochen Gespräche mit den Jugendlichen, ich reflektiere alles mit ihnen, was im Arbeitsalltag stattfindet. Ich betreue also sogenannte interne und externe Lehrlinge.

Was bewirkt das?

Wir wollen die Jugendlichen davor bewahren, beim ersten Problem alles hinzuschmeißen.
Meine Aufgabe ist, den Perspektivenwechsel zu zeigen. Es kann sein, dass es Wohnprobleme gibt, dass es finanzielle Probleme gibt. Das ist alles zu organisieren.

Wie sieht das im Ausbildungsbetrieb Leopold aus?

Wir haben hier im Leopold mit den TrainerInnen drei Jours fixes pro Woche. Wir unterhalten uns über alle Jugendlichen, erstellen Perspektivenpläne und besprechen die nächsten Schritte. Ich übernehme auch das gesamte Bewerbungsprozedere mit den Jugendlichen. Wir schreiben Bewerbungen, wir üben Bewerbungsgespräche. Dann nehmen wir Kontakt zu den Firmen auf, ich fahre mit den Jugendlichen zu den Firmen, wir vereinbaren Praktika.

Und der Wechsel findet zu einem beliebigen Zeitpunkt statt?

Für mich ist das Ziel, dass die Jugendlichen die erste Klasse Berufsschule positiv abschließen. Wir haben ein integriertes Lerntraining im Fachbereich. Wenn wir das Gefühl haben, wir haben die Jugendlichen so weit, dass sie das erste Berufsschuljahr positiv schaffen können, dann denken wir daran, sie rauszuschicken. Sie haben die Schule kennengelernt, sie haben die Lehre kennengelernt: Dann sind sie vermittlungsbereit.

Habt ihr auch mit der Teilqualifizierung zu tun?

Ja, Teilqualifizierung ist die abgewandelte Form des Ganzen, eine schwächere Ausbildungsform. Das heißt, dass man am Ende der Ausbildung einen sogenannten Teilqualifizierungsabschluss hat. Das geht in jedem Beruf und allen Branchen. Es ist auch möglich, dass ich während der Ausbildung mit einem Jugendlichen feststelle, das ist zum jetzigen Zeitpunkt alles zu viel für ihn, er schafft die Berufsschule nicht, er hat zu viel Stress von zu Hause. Dann sagen wir, fahren wir eine Spur runter, wechseln das Ausbildungsverhältnis auf eine Teilqualifizierung. Das geht auch in die andere Richtung: Man kann von einer Teilqualifizierung auf eine verlängerte Lehre umsteigen. Allerdings muss der Wechsel von einem Gremium Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Schulqualitätsmanager begleitet werden.

Haben Sie ein Beispiel einer Absolventin, eines Lehrlings, die oder der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Wir hatten eine junge Frau mit Migrationshintergrund, die Maurerin geworden ist. Mittlerweile ist sie an der Polierschule und lernt Lehrlinge auszubilden. Sie hat als verlängerter Lehrling gestartet. Sie ist jetzt bei einer großen Baufirma und macht da Karriere. Sie hat beim Lehrlingswettbewerb teilgenommen und den zweiten Platz gewonnen – österreichweit. Alles beeindruckend. Hier begleite ich einen jungen Mann, der seine Ausbildung als Restaurantfachmann vor einem Jahr begonnen hat. Er wird mit nächstem Monat bei einem Fünf-Sterne-Hotel in Tirol als Restaurantfachmann die verlängerte Lehre fortführen.

Was inspiriert Sie bei diesem Job?

Das Schöne ist der Moment, wenn der Knopf aufgeht. Wenn die Jugendlichen bemerken: Ich werde hier wertgeschätzt, ich kann da hinkommen, ich habe eine Tagesstruktur, ich mache die Erfahrung, dass ich mein eigenes Geld verdienen kann und davon leben kann. Das sind alles Dinge, die extrem schön sind.

IQ Individuelle Qualifizierung

Eine Einrichtung von ibis acam Bildungs GmbH im Auftrag des AMS

  • Mit 20 Jahren das älteste Projekt dieser Art in Tirol
  • Vier Standorte in Tirol (Innsbruck, Landeck, Lienz, Wörgl)
  • Sieben Lehrberufe, die in den eigenen überbetrieblichen Lehrstätten
    angeboten werden:
    • Einzelhandel allgemein
    • FloristIn
    • Restaurant-Fachfrau/-mann
    • MalerIn und BeschichtungstechnikerIn
    • FacharbeiterIn Gartenbau
    • HochbauerIn

Zur Person: Miriam Merzhäuser

Berufsausbildungsassistentin Ausbildung zur Sonderschullehrerin in Deutschland, sozialpädagogische Ausbildung

02. Mai 2023 | AutorIn: Katherina Reitan | Foto: Franz Oss

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