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Politik und Populismus

André Haller

Politik und Populismus

André Haller

In den letzten Jahren haben populistische Bewegungen und Politiker weltweit einen enormen Aufschwung erlebt. André Haller erforscht an der FH Kufstein unter anderem politische Kommunikation und erklärt, wie diese im Populismus aussieht und funktioniert.

Herr Haller, was bringt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit politischer Kommunikation?

André Haller:  Für Parteien, Politiker und NGOs sind die Ergebnisse interessant, um Kampagnen bewerten und verbessern zu können. Viel wichtiger ist aber natürlich die gesellschaftliche Ebene: Ein gewisses Grundwissen über populistische Kommunikation und politische Kampagnen ist grundlegend für jeden Bürger, egal wo in Europa, um zu verstehen, wie da gearbeitet wird, welche Technologien da verwendet und welche Daten eventuell missbraucht werden und letztendlich auch, wie beeinflussbar wir sind.

Woran erkennt man populistische Kommunikation?

Populistische Kommunikation besteht aus drei Teilen: Man kommuniziert explizit gegen Eliten wie Regierungen, aber auch Leitmedien und andere Einrichtungen, die als gesellschaftliche Eliten gelten. Populistisch wird diese an sich völlig normale Kritik, wenn man eine scharfe Abgrenzung zwischen dem Volk und den Eliten – wenn man sagt: „Die gehören nicht zu uns, die wollen euch etwas Böses.“ Der dritte Bestandteil neben der Elitenkritik und dem Volksbezug ist die Exklusion von Minderheiten. Oft wird in populistischen Narrativen dann behauptet, dass Eliten Minderheiten bevorzugen zu Ungunsten der anderen Bevölkerung.

Welche Strategien wenden Populisten konkret an?

Man sieht eigentlich bei jedem populistischen Akteur immer wieder Skandale und Aufreger, und ein Teil davon ist ganz bewusst erzeugt, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich habe das in wissenschaftlichen Arbeiten als „intendierte Selbstskandalisierung“ bezeichnet. Das kann natürlich von jemandem, der sich selbst als Gegner und Gehasster der Eliten darstellt, sehr glaubwürdig verkörpert werden. Wenn ein Donald Trump Witze über Mexikaner macht und sagt, er lehnt sich damit nur gegen die Political Correctness der Eliten auf, können Anhänger ihm das abkaufen.

Besteht bei dieser Taktik nicht die Gefahr, dass man irgendwann den Bogen überspannt?

Auf jeden Fall. Zu viel Skandalisierung kann dazu führen, dass die Leute sagen, das sind wir eh schon gewohnt – wenn man es übertreibt, wird das als Wahlkampftrick oder Gag wahrgenommen, man sieht dann eine Art Abnutzungseffekt. Auch bei der AfD war das gut zu beobachten; mittlerweile wird in Medien schon oft interpretiert, dass bestimmte Aussagen und Plakate wohl nur gemacht wurden und werden, um zum Beispiel ins Fernsehen zu kommen. Man ist sich dessen schon bewusst.

Warum funktionieren populistische Bewegungen und Politiker wie Donald Trump und Boris Johnson momentan trotzdem so gut?

Wenn man diese beiden konkreten Beispiele hernimmt, sieht man, dass vieles hausgemacht ist. Trumps Gegenkandidatin war Hillary Clinton, die seit Jahrzehnten Teil des Washingtoner Polit-Establishments ist, und viele Wähler wollten diese Verkrustung der politischen Strukturen nicht mehr. Gleichzeitig konnten die Demokraten keine konkrete Kernbotschaft kommunizieren, während bei Trump „Make America Great Again“ stellvertretend für das komplette Programm stand.

In Großbritannien war das ähnlich. Bei der Brexit-Kampagne haben die Brexit-Befürworter vor allem in den strukturschwächeren ländlichen Gegenden Werbung gemacht, die dann auch überwiegend für den Brexit gestimmt haben. Es ist schon interessant, dass es langjährige Polit-Profis sowohl in den USA als auch in Großbritannien nicht geschafft haben, in die entscheidenden Staaten oder Bezirke reinzuschauen und zu analysieren, da genauer reinzuhören und authentische Personen zu finden, die glaubwürdig die Interessen der Bürger vertreten können.

Wie geht man am besten mit diesem politischen Trend um?

Ich glaube, dass eine Grundstrategie gegen Populismus darin besteht, gute Politik zu machen. Und das heißt nicht mal, dass man gleich alle Probleme lösen muss – vielen Menschen ist schon geholfen, wenn man einfach mit ihnen spricht und ihnen zuhört, ihrer Stimme öffentliches Gehör verschafft. Wenn man nicht nur beschwichtigt und Probleme runterspielt oder bestimmte Gegenden ignoriert, weil man da nicht viele Wähler hat. Es gibt die These in Deutschland, dass der Rechtspopulismus gerade so erfolgreich ist, weil man eben solche Probleme jahrelang nicht oder nicht deutlich genug besprochen hat, und da ist glaube ich auch was dran. Wenn beispielsweise nach der Eurorettung eben keine fundamentale Debatte losgeht, wenn das nicht besprochen und diskutiert wird, gibt es natürlich Menschen, die enttäuscht sind und ihrem Ärger freien Lauf lassen.

Ist Populismus im Moment wirklich viel präsenter und erfolgreicher als noch vor ein paar Jahren, oder hat sich vielleicht einfach unsere Wahrnehmung verändert?

Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass es auch mit Wahrnehmung zu tun hat, weil eben auch Presseberichterstattung Populismus vorantreiben kann. Wenn eine Boulevardzeitung sehr reißerisch über Kriminalität schreibt, kann das dazu führen, dass das eine gewisse Stimmung erzeugt bei bestimmten Lesern, die dann denken und sagen, dass da ja wirklich ein Problem besteht.

Man sieht, dass es vielleicht auch eine Strömung in der Bevölkerung gibt, die irgendwie aufgenommen werden will, und wenn es die größeren Parteien nicht schaffen, dann etablieren sich eben andere Strukturen. Wir haben schon länger in allen anderen europäischen Nationen starke oder weniger starke rechtspopulistische Parteien. Deutschland ist da mit der AfD sehr spät dran und hat sich in den letzten Jahren – so hart das klingt – im europäischen Kontext eigentlich nur normalisiert.

Glauben Sie, dass sich an dieser Entwicklung bald etwas ändern wird?

Es ist nicht in Stein gemeißelt, wie erfolgreich eine Partei oder ein politischer Akteur ist. Die FPÖ war beispielsweise viele Jahre sehr schwach, dann sehr stark, bevor sie wieder eingebrochen ist. Diese Bewegungen gibt es überall, je nach Performance der Politiker und auch je nachdem, welche Problemfelder gerade bestehen. Gleichzeitig muss man natürlich aufpassen, weil gerade Rechtspopulisten sehr flexibel sind. Die AfD packt gerade das Sozialthema an, weil die Migrationsgeschichte abflaut. Da geht es um Sozialpopulismus und man sagt, die Eliten nehmen euch Geld weg mit sogenannten Zwangsgebühren für das öffentlich-rechtliche Fernsehen etc. Das wird alles in einen Topf geworfen und man gibt sich als angeblichen Ritter, der den Menschen etwas Gutes will.

Was ist Populismus?

Populismus ist eine politische (Kommunikations-)Strategie, die eine harte und unüberwindbare Grenze zwischen der Bevölkerung – oder Teilen der Bevölkerung – und einer gesellschaftlichen Elite behauptet. In einer extremen Variante kommt noch eine Exklusion von Minderheiten, beispielsweise von Migranten oder Langzeitarbeitslosen, hinzu, so Haller: „Es wird postuliert, dass Eliten aus Politik, Medien und anderen Bereichen dem ‚Volk‘ feindlich gegenüberstehen und Minderheiten bevorzugen.“

Zur Person:

André Haller ist nach Stationen in Passau und Bamberg seit Oktober 2019 als Hochschullehrer für Marketing & Kommunikationsmanagement an der FH Kufstein tätig. In seiner Forschung setzt er sich u. a. mit Kampagnen-, Skandal- und Krisenkommunikation in der Politik sowie mit der digitalen Transformation von Wahlkampagnen auseinander

15. Dezember 2019 | AutorIn: Lisa Schwarzenauer | Foto: Franz Oss

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